Alois KarlCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen des Deutschen Bundestags! Sehr geehrter Herr Außenminister! Lieber Herr Steinmeier! Wer im Lauf des Tages die Haushaltsdebatten verfolgt hat, stellt fest, dass sich fast alles nach einem gewissen Ritual abspielt. Wir als Regierungsfraktionen loben unsere Einzelhaushalte quasi über den Schellenkönig
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Unrecht!)
und die Opposition kritisiert.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)
Herr Nouripour hat allerdings gerade mit dem Loben begonnen. Das hat mir gut gefallen. Sie sind auf dem richtigen Weg, wenn Sie das so ausdrücken.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann haben Sie abgeschaltet!)
Auch wenn das eine oder andere bei manchem Einzelhaushalt kritisiert werden kann, beim Haushalt des Außenministers wirklich nicht. Sie könnten ihm zustimmen. Das wäre ein Aufschlag, der durch die Presse gehen würde. Nicht nur Herr Oppermann, sondern auch Sie wären dann in der Zeitung.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das wäre doch einmal etwas. Das würde ich Ihnen gönnen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir Herrn Oppermann nicht nehmen!)
Herr Dehm, Jean-Claude Juncker wird nicht automatisch Präsident der Kommission.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Aber es ist so gemacht! Es wurde so getan!)
Auch bei der Linken kommt die Weisheit nicht automatisch. Hier bedarf es einer gewissen Prozedur.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er war der Kandidat für den Posten! Das müssen Sie schon zugeben!)
Wir verabschieden heute den Haushalt des Bundesaußenministers, einen Bikinihaushalt, könnte man sagen, kurz und knapp, Herr Steinmeier.
(Heiterkeit)
Aber er umfasst doch das Wesentliche, und er erregt Aufmerksamkeit. Das sind die Attribute, die man dem Haushalt wie auch einem guten Bikini zuerkennen möchte.
Herr Außenminister, Sie haben vor kurzem in einer Rede und auch in dem Gespräch mit den Berichterstattern gesagt: Es hat den Anschein – so haben Sie sich ausgedrückt –, als habe Außenpolitik wieder Konjunktur. – Ich habe mir darüber Gedanken gemacht und überlegt: Was hat er denn damit gemeint? In der Tat, es ist schon so, dass sich in den letzten 25 Jahren zum Beispiel viele außenpolitische Probleme, die Europa jahrelang und jahrzehntelang im Griff gehabt haben, gelöst haben und außenpolitische Themen verschwunden sind.
Es hat sich vieles zum Guten gewendet. Wenn ich nur an Folgendes denke: die Aussöhnung mit Frankreich, die Wiedervereinigung Deutschlands, Deutschland als geachteter Partner in der Welt, der Niedergang des Warschauer Pakts als bedrohliches militärisches Bündnis. All das hat sich in der Tat hervorragend in unserer Gegenwart entwickelt. Es ist schon so, dass es in der Außenpolitik nicht alle acht Tage Ausschläge wie Amplituden geben kann und spektakuläre Aktionen stattfinden können. Es ist vielmehr eine kontinuierliche und ruhige Arbeit, die von uns Außenpolitikern und von Ihnen, Herr Steinmeier, an erster Stelle gemacht wird. Das Spektakuläre an der deutschen Außenpolitik ist, glaube ich, die Berechenbarkeit, die Verlässlichkeit und die Unaufgeregtheit, mit der wir uns unseren Aufgaben stellen. In der Tat, Probleme sind immer da, und sie werden nie zur Gänze gelöst werden. Das sieht man in Osteuropa, im Nahen Osten, im Mittelmeerraum usw.
Die Ereignisse vor 25 Jahren haben einem großen Bedrohungspotenzial in Europa ein Ende bereitet. Viele Bedrohungsszenarien haben sich verflüchtigt, aber dennoch: Die Welt ist nicht friedlicher geworden. Jeden Tag kann auch über uns wieder Unfriede hereinbrechen. Ich nenne als Beispiel für eine Gefahr den islamistischen Terrorismus. Sicher ist aber, dass wir mit unserer Außenpolitik Beiträge leisten können, um Frieden und Freiheit und der Achtung der Menschenrechte in Europa und weltweit Geltung zu verschaffen.
Wir meinen, dass wir auf einem richtigen Weg sind. Würden wir Generationen vor uns befragen, so würden sie sagen, dass sie die heutige Situation in Deutschland für sich herbeigesehnt hätten, dass diese Situation geradezu ihre Idealvorstellung gewesen wäre. Wenn wir die Generation von vor 100 Jahren, 1914, befragen würden, die den Beginn des Ersten Weltkriegs erlebt hat, mit 20 Millionen Toten am Schluss, dann würde sie in der gleichen Weise antworten wie jene Generation, die vor 75 Jahren gelebt und den Beginn des Zweiten Weltkriegs erlebt hat, am Ende mit 60 Millionen Toten, 20 Millionen davon Russen,
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: 27 Millionen Sowjetmenschen!)
6 Millionen Deutsche und 6 Millionen ermordete Juden. Sie würden in der jetzigen Situation möglicherweise dankbar sein, möglicherweise dankbarer als manche von uns, die das als völlig selbstverständlich hinnehmen. Das ist die Gefahr, in der wir leben, nämlich dass wir vieles oder gar alles als selbstverständlich hinnehmen.
Wir haben erleben können, dass die beiden deutschen Staaten heute wiedervereinigt sind, dass wir von keinem einzigen äußeren Feind mehr umgeben sind, dass wir seit 1945 fast 70 Jahre Frieden haben. Das ist es, was unsere aktive Außenpolitik auch in der Zukunft betreiben wird. Wir werden von uns aus in Europa, aber auch in anderen Erdteilen dazu beizutragen, Frieden und Freiheit zu gewährleisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, all das ist natürlich haushaltsmäßig auszustatten. Frau Barnett hat darüber kurz gesprochen. Es ist, glaube ich – Frau Barnett, ich spreche in Ihrem Namen und auch im Namen der anderen Kollegen –, durchaus eine schöne Aufgabe, wenn man an dem Schnittpunkt von Haushaltspolitik und Außenpolitik arbeiten kann und wenn man weiß, dass unser Geld gut angelegt ist.
Wir sind im westlichen Bündnis fest verankert. Eine der Konstanten unserer Außenpolitik ist, dass wir fest auf der Seite des Westens stehen, dass wir uns bemühen, in anderen Ländern als verlässlicher Partner aufzutreten. Diese Konstanten sind allerdings nicht überall Allgemeingut. Ich zitiere eine Umfrage zum Ukraine-Konflikt: 45 Prozent der Befragten haben gesagt, wir sollten, fest im Westen stehend, diesen Konflikt zu lösen versuchen. 49 Prozent, also mehr, haben gesagt, wir sollten uns heraushalten, uns also möglichst nicht einmischen. – Die Maxime der deutschen Außenpolitik ist das nicht. Wir können uns in der Tat nicht heraushalten. Wir müssen schon aktiv Außenpolitik betreiben, und wir müssen auch Farbe bekennen.
Wenn der Bundespräsident, wenn die Bundeskanzlerin, wenn die Verteidigungsministerin und wenn Sie, sehr geehrter Herr Außenminister, betont haben, dass wir mehr Verantwortung in der Welt als bisher übernehmen müssen, dann ist das, meine ich, richtig. Unsere Verpflichtung ist es – erwachsend aus der Situation heraus, dass wir in den letzten 25 Jahren in Deutschland Hervorragendes schaffen konnten –, allen anderen dabei zu helfen, dass auch ihnen der Friede, die Freiheit und die Achtung der Menschenrechte zugutekommen.
Mit Kriegseinsatz hat das natürlich nichts zu tun. Herr Dehm, nachdem Ihr junger Kollege aus Brandenburg diese dummen Sätze gesprochen hat, wäre es gut gewesen, wenn Sie oder heute früh Ihr Fraktionsvorsitzender Gysi dazu eine ganz deutliche Stellungnahme abgegeben hätten. Das ist nicht geschehen. Es wäre gut, wenn Sie mehr sagen würden, als Gysi es getan hat, indem er gesagt hat, dass er hier nicht für jeden Genossen und für jede Äußerung geradestehen kann. Es war eine ganz dumme und ganz unkluge Bemerkung, den Bundespräsidenten quasi einen Kriegstreiber zu nennen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem Recht des Stärkeren können wir in der Tat nicht das Wort reden. Wir haben unsere Aufgaben, auch in der Ukraine; das ist angesprochen worden. Herr Steinmeier, Sie waren da, und Sie haben zusammen mit Fabius und Sikorski, dem polnischen Außenminister, viele Gespräche geführt. Ich glaube, Sie haben die Dinge vorangebracht. Es war leider ein Mitglied Ihrer Partei, das gesagt hat, es sehe zurzeit keinen, der die Initiative ergreife und der die Dinge in der Ukraine vorwärtsbringen könnte. „ Doch!“, würde ich dem früheren Bundeskanzler – er kommt dummerweise aus Ihrer Partei – entgegenhalten. Ich würde ihm sagen: Steinmeier macht doch etwas. Steinmeier ist jemand, der die Initiative ergriffen hat. – Sie haben dazu beigetragen, dass sich die OSZE an der Konfliktlösung beteiligt, dass der Botschafter Ischinger seinen Beitrag dazu leistet und dass Wahlen in der Ukraine stattfinden konnten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auf einen anderen Punkt eingehen – von der Ukraine nicht so weit weg –: auf das Baltikum. Herr Steinmeier, Sie waren vor wenigen Wochen da, weil das Baltikum heuer ein Jubiläum feiert. Auch da sind die Menschen, etwa 2 Millionen, vor 25 Jahren aufgestanden und haben den sogenannten baltischen Weg begründet, als Zeichen nach außen, dass sie sich von der Herrschaft der Sowjetunion loslösen wollen. Das war einer der Marksteine neben dem Durchschneiden des Eisernen Vorhanges durch den österreichischen Außenminister Alois Mock und den ungarischen Außenminister Gyula Horn in Sopron, womit man nach außen deutlich gezeigt hat, dass die Proletarier der Welt ihre Ketten abwerfen. Allerdings hat Karl Marx das anders gemeint: Er hat die Ketten des Kapitalismus gemeint. In Osteuropa hat man aber die Ketten des Kommunismus und des Sozialismus abgeworfen. Im Baltikum erleben wir seit 25 Jahren hervorragende Entwicklungen. Die Balten sind Ihnen, Herr Steinmeier, und uns insgesamt dankbar, dass wir in dieser Weise zu ihnen stehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Konflikte gibt es mehrfach: im Nahen Osten, im Mittelmeerraum und an anderen Orten. Wir haben vor wenigen Jahren den Arabischen Frühling erlebt und reiben uns heute mit Erstaunen die Augen, wenn wir sehen, dass es geradezu eine Trendumkehr gibt: In Ägypten folgt dem autokratischen System Mubarak und dem autokratischen System der Muslimbrüder möglicherweise ein weiteres autokratisches System unter der Herrschaft von al-Sisi. Trotzdem wollen wir dort Transformationspartnerschaften begründen. Dafür geben wir 39 Millionen Euro aus. Weitere 20 Millionen Euro fließen in Wissenschaftspartnerschaften.
Wir verfolgen mit großem Entsetzen die Situation in Syrien. Es sind 2,5 Millionen Binnenflüchtlinge, 1 Million Flüchtlinge im kleinen Libanon, 600 000 Flüchtlinge in Jordanien und 600 000 Flüchtlinge in der Türkei. Wir haben in unserem Haushalt mehr als 300 Millionen Euro dafür eingestellt, um hier humanitäre Hilfe zu leisten. Wir wissen, dass wir da außer- oder überplanmäßig noch etwas tun müssen.
Die Initiative von Bundesminister Gerd Müller, 1 Milliarde Euro zusätzlich aufzubringen, finde ich sehr bedenkenswert; allerdings ist das natürlich eine Aufgabe der Gebergemeinschaft der Welt.
(Doris Barnett [SPD]: Ach so!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, uns fehlt ab und zu der finanzielle Spielraum, weil unsere Haushalte schon determiniert sind durch dauerhafte Ausgaben, zum Beispiel durch Zahlungen an die Vereinten Nationen und deren Unterorganisationen.
Lieber Herr Bundesaußenminister, wir beteiligen uns augenblicklich an 15 Friedensmissionen – über Jahre bei den einen und über Jahrzehnte bei den anderen. Zu ihrem Beginn war es sicherlich richtig, dass wir uns beteiligt haben. Heute, meine ich manchmal, muss man kritisch nachfragen, ob alles noch seine Richtigkeit hat, ob nicht auch einmal etwas beendet werden kann.
Bei der UNRWA ist das das Gleiche. Das ist eine Unterorganisation, die seit 65 Jahren humanitäre Hilfe in Palästina leistet.
(Niels Annen [SPD]: Warum gerade jetzt?)
Da muss ich fragen, ob das die nächsten 65 Jahre so weitergehen kann.
Denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ich bin am Ende, liebe Frau Präsidentin, und komme zu meinem letzten Schachtelsatz, wenn Sie nichts dagegen haben.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Das hängt von Ihren Kollegen ab. Die müssen für den Schachtelsatz sozusagen bezahlen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in einer Zeit, wo wir den Haushalt konsolidieren wollen. Wir möchten im Herbst dieses Jahres einen Haushalt vorlegen, der eine Neuverschuldung von null hat. Das wird eine große Leistung sein – 45 Jahre nachdem zuletzt Franz Josef Strauß einen Haushalt mit Nullverschuldung vorgelegt hat.
Der Gesamthaushalt sinkt um 4,4 Prozent, der Haushalt des Bundesaußenministers steigt um 4,4 Prozent. Das ist eine gewisse Reverenz an die Arbeit der Mitarbeiter dort, an unsere Außenpolitik und an Sie persönlich, lieber Herr Steinmeier. Wir stimmen dem Haushalt zu und bitten die anderen Fraktionen, uns das gleichzutun.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Danke, Herr Kollege. – Erst einmal schönen guten Abend von meiner Seite aus!
Jetzt hat das Wort Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |