25.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt II.13

Claudia Roth - Auswärtiges Amt

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Leutert, zu Ihren Einschätzungen zur Europapolitik und zu den Aktivitäten des Auswärtigen Amts möchte ich nur so viel sagen: Die Bundesregierung bemüht sich, beispielsweise den Europäischen Auswärtigen Dienst weiter zu stärken und damit der europäischen Außenpolitik ein Gesicht zu geben. Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag beteiligen sich aktiv an den Bemühungen, die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion weiter aufrechtzuerhalten.

Ich glaube, die Euro-Krise bzw. die Verschuldungskrise in Europa hat gezeigt, dass gerade die Bundesrepublik Deutschland zu Europa steht und mit großen Beträgen dafür einsteht. Gradmesser der Europapolitik ist nicht, wie viele Broschüren zur Europapolitik man druckt, sondern ob man bereit ist, in allen Feldern der Politik Vergemeinschaftungen voranzutreiben, und ob man bereit ist, demokratische Kontrolle zu gewähren, was wir im Deutschen Bundestag tun. Ich glaube, die Zahl, die Sie genannt haben, stimmt nicht ganz.

Als die Amerikaner ihre Idee, den Fokus ihrer Außenpolitik vornehmlich auf Asien zu richten, präsentiert haben, haben sie sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass dieses Vorhaben – Pivot to Asia – so schnell und so rasant gestoppt würde. Der Arabische Frühling ist nur ein Grund, warum man mit dieser geplanten Neuprogrammierung der amerikanischen Außenpolitik strandete. Auch wir haben, als wir unsere Schwerpunktsetzung vornahmen, sicherlich mit vielen Krisen auf der Welt gerechnet, aber vor zwölf Monaten hätte kaum jemand prognostiziert, dass wir uns heute so intensiv mit der Ukraine beschäftigen müssen. Vor sechs Monaten hätte kaum jemand prognostiziert, dass wir bezüglich des Irak heute nicht über die Förderung staatlicher Strukturen reden, sondern über die Gefahr der Errichtung eines Gottesstaates diskutieren müssen.

Das sind die Fragen, mit denen sich Außenpolitik beschäftigen muss. Deshalb gilt jetzt, da wir den Etat des Auswärtigen Amts beraten, der Dank den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihren Dienst im Auswärtigen Amt und im Diplomatischen Korps leisten und die daran beteiligt sind, dass wir als Friedensmacht Deutschland Schwerpunkte setzen. Ich danke allen, die für unser Land ihren Dienst tun, und insbesondere ihren Familien, die häufig über Jahre Entbehrungen hinnehmen, um die Tätigkeit ihres Ehe- bzw. Lebenspartners zu unterstützen. Deshalb gilt mein ganz herzlicher Dank all denjenigen, die ihren Dienst für Deutschland an dieser Stelle tun.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Expertise, die wir hier im Haus haben, die Parlamentarier sammeln, die aber auch die uns nahe stehenden Stiftungen und die all diejenigen sammeln, die in der Außenpolitik Deutschlands aktiv sind, reicht bei weitem nicht aus, um Ereignisse zu prognostizieren. Die wechselhaften Ereignisse im Rahmen des Arabischen Frühlings sind nur ein Beispiel dafür. Deshalb finde ich es richtig – der Kollege Karl hat es angesprochen –, dass wir in diesem Bereich weiterhin einen Schwerpunkt, auch einen finanziellen Schwerpunkt setzen, um auf Ereignisse reagieren zu können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Situation in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist.

Deutschland stand der Intervention in Libyen sehr reserviert gegenüber. Sicherlich wäre es besser gewesen, wenn man einen Plan für die Zeit nach Gaddafi gehabt hätte. Gleiches gilt natürlich für die Intervention im Irak. Deshalb ist es besonders wichtig, jetzt nicht so zu tun, als hätte das alles nicht stattgefunden. Vielmehr müssen wir die Länder, die sich im Transformationsprozess befinden oder in denen der Transformationsprozess vollkommen ins Stocken geraten ist, weiterhin besonders unterstützen. Ich finde, die politischen Stiftungen, die aus meiner Sicht eine hervorragende Expertise gesammelt haben und sehr gute Arbeit leisten, werden zu Recht besonders unterstützt.

Was die wechselhaften Ereignisse in der arabischen Welt angeht, möchte ich nur darauf verweisen, dass in der vergangenen Woche der tunesische Premierminister hier war. Trotz aller Schwierigkeiten, die in Ägypten vorhanden sind, und trotz aller Herausforderungen, die wir in Libyen sehen, sollte nicht vergessen werden, dass Tunesien gerade einen sehr großen Fortschritt macht. Das sollten wir an dieser Stelle erwähnen. Wir sollten auch dort genau hinschauen, wo es gut läuft. Das will unsere Fraktion auch tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was den Irak angeht, möchte ich an das anknüpfen, was gerade gesagt worden ist. Ich begrüße es ausdrücklich, dass unser Außenminister, der im Moment wichtige Telefonate führt, mit den Kurden gesprochen hat. Die schlechte Nachricht, die heute aus Bagdad kam, möchte ich sehr stark kritisieren. Maliki weigert sich, eine Einheitsregierung zu bilden. Ich halte es für einen sehr großen Fehler, die Sunniten systematisch von der Macht fernzuhalten und die Kurden systematisch an den Rand zu drängen. Ich glaube, das wird nicht zur Stabilisierung des Landes beitragen, ganz im Gegenteil.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zur Genese dieses Konfliktes muss aktuell gesagt werden: Wir sollten uns vielleicht um die Länder, in denen wir nicht besonders stark diplomatisch und auch nicht durch Militär vertreten sind, intensiver kümmern. Das gilt insbesondere für den Irak. Unsere Fraktion kümmert sich, was die humanitäre Hilfe angeht, um die Binnenflüchtlinge. Es gibt also nicht nur das Engagement von Volker Kauder, der sich vor allem für die Christen in aller Welt einsetzt. Innerhalb des Irak gibt es 2,5 Millionen Binnenflüchtlinge. Es gibt sowohl aus Syrien als auch aus dem Süden des Irak einen Riesenandrang auf Kurdistan. Das zeigt doch, dass dieses Land eventuell vor einer weitaus größeren humanitären Katastrophe steht, als uns die momentanen Kämpfe um einige Ölhochburgen erahnen lassen.

Wenn heute überlegt wird, was wir konkret tun können und wo Deutschland mehr Verantwortung zeigen kann, kann man nicht von einer Militarisierung der Außenpolitik sprechen, sondern ich glaube, dass wir den humanitären Beitrag ganz klar in den Mittelpunkt unserer Außenpolitik stellen. Das tun wir auch mit diesem Bundeshaushalt und mit dem, was wir im Etat von Herrn Müller – und zwar jedes Jahr – mobilisieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was die Situation in Kurdistan und im Irak insgesamt angeht, ist es, glaube ich, schon vonnöten, dass sich Deutschland stärker einbringt. Das gilt auch gerade für eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele, das wir verfolgen, nämlich für das Existenzrecht des jüdischen Staates Israel aktiv einzutreten.

Gerade das, was sich im Unruheherd Mittlerer Osten tut, zeigt uns doch eigentlich, dass von einer Verschiebung des Schwerpunktes unserer Außenpolitik nach Asien überhaupt keine Rede sein kann. Ganz im Gegenteil: Wir werden in Zukunft wahrscheinlich genauso viel Aufmerksamkeit wie in der Vergangenheit – wenn nicht sogar mehr – in die Regionen Nordafrika und Mittlerer Osten investieren müssen. Das wird viele Ressourcen binden, die uns eventuell an anderer Stelle fehlen werden.

In den letzten Wochen ist häufig gesagt worden, dass sich die europäische Außenpolitik immer nur um einen großen Konflikt kümmern kann. Das bereitet mir natürlich große Sorgen. Ich frage mich: Was sind unsere Kapazitäten? Wie können wir sie am effizientesten einsetzen? Ich glaube, dass in dieser Hinsicht der Haushalt gelungen ist.

Herr Minister, auch die unter Ihrem Vorgänger Guido Westerwelle angestoßenen Organisationsreformen haben das Auswärtige Amt fit gemacht, auf diese Herausforderungen reagieren zu können. Wir als Parlament wollen das Auswärtige Amt dabei unterstützen.

Ich komme zum letzten Punkt. Das kleine Zaunkönigtum der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ist gerade schon angesprochen worden. Auch ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, etwas mehr Geld zu mobilisieren. Es wäre schön, wenn wir es bis zum Herbst schaffen würden, noch deutlich mehr Geld dafür auszugeben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Philipp Mißfelder. – Nächster Redner der Debatte ist Manuel Sarrazin für das Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3565833
Wahlperiode 18
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt
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