25.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt II.13

Erika SteinbachCDU/CSU - Auswärtiges Amt

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Spinrath, man muss Fehler, die man vor zehn Jahren gemacht hat, nicht wiederholen.

(Zuruf von der SPD: War doch kein Fehler!)

Außerdem enthält unser Koalitionsvertrag eine eindeutige Aussage zu der Thematik; so weit dazu.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie die noch einmal wiedergeben?)

Die außenpolitischen Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, haben sich nach dem Ende des Kalten Krieges signifikant verändert. Die Hoffnungen, die viele daran knüpften, eine Welt in Frieden zu haben, diese Hoffnungen haben sich leider nicht erfüllt, nicht einmal innerhalb Europas, wie uns gerade das russische Verhalten gegenüber der Ukraine deutlich zeigt. So ist die internationale Staatengemeinschaft noch immer auf der Suche nach Mechanismen, mit denen sich die heutigen, oft sehr unübersichtlichen und komplexen Konflikte und ihre Folgen bewältigen lassen.

Deutschland stellt sich dieser Aufgabe mit einer Außenpolitik, die sowohl die deutschen Interessen als auch unsere Werte berücksichtigt. Wir machen eine wertgeleitete Außenpolitik. Mit dem Eintreten für Demokratie und mit dem Eintreten für Menschenrechte hat sich unser Land in der Völkergemeinschaft über die Jahre ein hohes Ansehen erworben und ist auch zu einem gefragten Partner geworden.

Die zahlreichen Brennpunkte weltweit, etwa der Bürgerkrieg in Syrien, die jüngste Eskalation im Irak oder die Krisenregionen Afrikas, aber auch die bedrängte Ukraine, das alles hält uns zunehmend in Atem. Massenhafte Menschenrechtsverletzungen und immer neue humanitäre Katastrophen stellen uns auch vor immer größere Herausforderungen. Leider ist ein Ende überhaupt nicht abzusehen.

Prioritäten zu setzen, ist in Anbetracht der Vielzahl der Konflikte, deren Zahl sich ja gemehrt hat, nicht leicht; letztlich müssen wir sie alle als Herausforderung im Blickfeld behalten und gemeinsam mit unseren Partnern auf der Ebene der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, auf staatlicher Ebene und – unverzichtbar – natürlich auch mit den Nichtregierungsorganisationen an Lösungen arbeiten.

Systematische Verstöße gegen Menschenrechte verletzen nicht nur die Würde der jeweiligen Opfer, sie können auch den Frieden und die internationale Sicherheit in einer ganzen Region bedrohen. Wir bekommen das tagtäglich vor Augen geführt. Das hat Auswirkungen bis hierher nach Deutschland. Da mache sich niemand etwas vor: Der Konflikt in Syrien führt uns das in drastischer Weise nun schon seit über zwei Jahren vor Augen.

Dieser Bürgerkrieg hat bislang über 160 000 Tote gefordert. Rund 1 Million Menschen wurden verletzt. Fast 3 Millionen Syrer sind auf der Flucht innerhalb des eigenen Landes und in die umliegenden Staaten hinein, und sie suchen Zuflucht auch in Europa. Die Aufnahmekapazität der Nachbarländer, insbesondere des Libanon, ist bereits dramatisch überschritten. Da ist kaum noch Platz.

Der Bürgerkrieg in Syrien hat die schwerste humanitäre Katastrophe seit Jahrzehnten verursacht. Deutschland hat den Schwerpunkt seiner humanitären Hilfe auf die syrischen Flüchtlinge vor Ort gelegt. So haben wir seit 2012 rund 520 Millionen Euro bereitgestellt, um die Not der Menschen vor Ort zu lindern. Mit der zunehmenden Dauer des Konfliktes hat Deutschland darüber hinaus natürlich auch syrische Flüchtlinge hier im Lande aufgenommen – deutlich mehr als alle anderen EU-Staaten. Trotzdem ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Syrien ist aber nur einer der Brandherde weltweit, der eine ganze Region destabilisieren kann und zu destabilisieren droht. Wir müssen uns vor Augen führen: Weltweit sind mehr als 40 Millionen Menschen auf der Flucht. Dieses Elend lässt sich nicht hier bei uns in Deutschland durch die Aufnahme von Flüchtlingen beheben. Selbst wenn wir es wollten: Es wäre nicht möglich.

Es lässt sich auch nicht in Europa beheben. Ich sage es jetzt einmal ganz provokant: Das satte und bequeme Europa wird früher oder später überrollt werden und aus den Fugen geraten, wenn wir nicht gemeinsam versuchen, die Brandherde zu löschen – möglichst mit allen Möglichkeiten durch Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort

(Beifall bei der CDU/CSU)

und – das füge ich auch hinzu – als Ultima Ratio auch mit dem Einsatz von Sicherheitskräften, um Leben zu retten.

Das trifft in weiten Teilen unserer Bevölkerung nicht auf große Zustimmung. Ich höre das, und Sie hören das wahrscheinlich auch: Was geht uns das eigentlich an? Was haben wir da verloren? Dem müssen wir wirklich mit Engagement entgegenhalten: Wenn wir unseren Wohlstand, unsere Demokratie und unsere Werte bewahren wollen, dann führt kein Weg daran vorbei, den Millionen Flüchtlingen vor Ort mit allen Möglichkeiten, die uns geboten sind, zur Seite zu stehen. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn Deutschland, wenn Europa, wenn die demokratischen Staaten dieser Welt nicht gemeinsam alles tun, um dieses massenhafte Elend vor Ort einzudämmen und zu lindern, dann werden wir früher oder später bei uns im Lande selbst die Folgen zu spüren bekommen.

Es wird keine einzige Mauer geben – und sei sie noch so hoch –, die imstande wäre, verzweifelte Bürgerkriegs- und Armutsflüchtlinge abzuhalten. Es wird auch kein Meer geben – und sei es noch so breit –, das hindernd wirken könnte. Die pure Not wird Menschen hierhertreiben, wenn wir nicht alles tun, um vor Ort Linderung zu verschaffen.

Es ist gut, dass sich die Bundesregierung in ihrer Außenpolitik von dieser Erkenntnis leiten lässt. Jeder dritte Euro des Haushaltes des Auswärtigen Amtes wird aus gutem Grund für Frieden und für Stabilität in Krisenregionen ausgegeben. Das ist gut und richtig.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Doris Barnett [SPD])

Vielen Dank, Frau Kollegin Steinbach. – Nächster Redner in der Debatte ist Michael Stübgen für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3565872
Wahlperiode 18
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt
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