26.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt II.14

Roland ClausDIE LINKE - Wirtschaft und Energie

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Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst die Bundeskanzlerin als Kronzeugin bemühen. Sie hat in der gestrigen Aussprache gesagt: Haushaltspolitik ist nur dann gute Haushaltspolitik, wenn sie auch vorausschauende Haushaltspolitik ist. – Sie hat das ein bisschen bürokratischer gesagt; aber im Kern trifft das zu. Das führt mich zu einer ausdrücklichen Aufforderung an Bundesminister Gabriel, in diesem Fall als Bundesenergieminister, und an die Koalitionsfraktionen. Diese lautet: Stoppen Sie die antiparlamentarische Attacke beim Erneuerbare-Energien-Gesetz!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Gesetz soll morgen abschließend beraten werden. Am Dienstag haben Sie durch die Vorlage eines 200-seitigen Änderungsantrages gewissermaßen die Geschäftsgrundlage, die wir bisher hatten, verlassen. So kann man mit dem Parlament nicht umgehen. Lassen Sie sich das gesagt sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bundesminister Gabriel, wir sind uns bei einer ganzen Reihe von parlamentarischen Treffen begegnet, bei denen Sie vor Vertretern der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gesprochen haben. Dabei haben Sie immer und immer wieder betont, das alles sei mit der EU-Kommission abgestimmt. Sie waren über alle Zweifel erhaben und haben das, wie ich fand, auch ziemlich glaubwürdig vorgetragen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was ist „ziemlich“?)

Und nun 200 Seiten Änderungsantrag. Ich sage Ihnen eines, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition:

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das hat er sich noch nicht einmal angeguckt! Haben Sie sich das überhaupt angeguckt?)

Sie können die Opposition natürlich überstimmen. Wenn Sie das hier betreiben, ist das die Entmündigung Ihrer selbst. Sie entmündigen sich selbst am meisten durch diesen Vorgang. Das müssen Sie sich sagen lassen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bundesminister, Sie müssen ja erwidern. Ich bitte Sie ausdrücklich: Kommen Sie uns nicht mit der Ausrede, das Gesetz sei ja jetzt in der Hand des Bundestages und Sie hätten damit quasi nichts mehr zu tun. Es ist ja nun völlig unbestritten, dass diese 200 Seiten eben nicht aus der Mitte des Parlaments, sondern aus Ihrem Hause kommen. Deshalb müssen Sie sie auch verantworten. Wir sagen Ihnen: Leiten Sie ein ordnungsgemäßes, geregeltes parlamentarisches Verfahren ein und nicht so einen Überfall, wie Sie ihn hier vorhaben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben ja selbst die Bedenken, die von Ihrem eigenen Haus und von der Bundesnetzagentur vorgetragen wurden, ignoriert. Darüber kann man nicht so einfach hinweggehen. Ich sage das deshalb, weil dieses Gesetz natürlich auch enorme Auswirkungen auf die ostdeutsche Wirtschaft hat, die ja einen besonders hohen Anteil an erneuerbaren Energien vorzuweisen und mit diesen Auswirkungen umzugehen hat.

Ich komme nun zum zentralen Problem des Bundeshaushaltes für das Jahr 2014. Das zentrale Problem des Wirtschaftsetats heißt: Es ist ein Viermonatshaushalt. Wir haben nur eine Frist von August bis November, um die in diesen Haushalt eingestellten investiven Vorhaben tatsächlich zu realisieren und zu finanzieren. Das ist für alle Etats ein Problem, aber für den Wirtschaftsetat natürlich ein besonderes. Nun pflegen Sie ja mit Ihrem Haushalt insbesondere staatsnahe Monopolisten, also Großunternehmen, die durch gute Verbindungen zu den Ministerien sehr wohl in der Lage sein werden, diese Mittel rechtzeitig abzurufen. Um die Luft- und Raumfahrtindustrie muss ich mir da keine Sorgen machen, aber gerade der Mittelstand in Gestalt vieler Kleinunternehmen wird große Probleme haben, in diesen vier Monaten an die bereitgestellten Mittel zu kommen. Deshalb frage ich Sie an dieser Stelle auch: Welche Vorsorge haben Sie getroffen, damit die im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand eingestellten Mittel dann auch wirklich abgerufen werden können?

(Thomas Jurk [SPD]: Dafür gibt es VEs!)

Ich will das noch einmal an einem Beispiel verdeutlichen. Für die Subventionierung von Luft- und Raumfahrt haben Sie etwa 1,5 Milliarden Euro in den Etat eingestellt, für die Mittelstandsunterstützung nur etwa ein Drittel davon, also 500 Millionen Euro. Das ist natürlich viel zu wenig. Deshalb ist es wichtig, dass das, was eingestellt ist, auch tatsächlich abgerufen und ausgegeben wird.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Bundesminister Gabriel hat am 10. April 2014 bei der Einbringung seines Etats hier gesagt: „Wir sind ein Land, das nicht über Reindustrialisierung reden muss.“ Im Vergleich zu Großbritannien hat er damit ja nicht unrecht.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da hat er recht!)

Aber nun wurde vor zwei Tagen im Bundeswirtschaftsministerium der sogenannte Atlas der Industrialisierung der Neuen Bundesländer vorgestellt. Wenn man diesen Atlas auf eine Deutschlandkarte überträgt, dann bildet sich bei allen wesentlichen wirtschaftlichen Fakten nach wie vor die DDR-Karte ab. Es gibt keine einzige Konzernzentrale im Osten. Wir haben einen hohen Anteil von Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Wenn Sie sich insbesondere die kunststoffverarbeitende Industrie in Sachsen und Thüringen anschauen, dann werden Sie feststellen, dass wir einen hohen Anteil von Zeit- und Leiharbeit haben, der doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt ist. Wir haben unzureichendes Potenzial in Forschung und Entwicklung.

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Immer die gleiche Leier!)

– Na ja, wenn die Probleme die gleichen bleiben, muss die Kritik die gleiche bleiben, Herr Kollege. So ist das nun mal. Was denken Sie denn?

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden doch deshalb nicht verstummen.

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die Probleme werden kleiner!)

Das hat die Staatssekretärin Iris Gleicke zu der Schlussfolgerung geführt: „Wir brauchen eine auf Ostdeutschland ausgerichtete Industriepolitik.“ Das ist ja durchaus richtig. Aber genau das findet sich in diesem Haushalt nicht wieder. Darauf bezieht sich unsere Kritik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe in der ersten Lesung die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ angesprochen. Ich habe gesagt: Das ist ein richtiges Instrument. Hierfür müssen wir mehr tun. – Da hat mir der Kollege Hubertus Heil mit einem Zwischenruf Hoffnung gemacht. Er hat nämlich gerufen: Diese Aufgabe verstärken wir. – Das habe ich mir gemerkt. Ich habe mir das Ganze noch einmal angeschaut und herausgefunden, wie diese Verstärkung konkret aussah: Statt 593 Millionen Euro wurden 596 Millionen Euro bereit gestellt. Das ist eine Steigerung um 0,5 Prozent, mein Kollege Hubertus Heil. Eine tolle Verstärkung, kann man dazu nur sagen. Das ist doch keine vernünftige Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, auch dieser Etat beweist: Wir haben es zu tun mit einem Haushalt der sozialen Spaltung, mit einem Haushalt der Zukunftsunfähigkeit und mit einem Haushalt, durch den der Osten weiter abgehängt wird. Deshalb können Sie mit der Zustimmung der Linken zu diesem Etat nicht rechnen.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Erstaunlich! – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Erschütternd!)

Machen Sie sich auf den Weg! Bessern Sie sich, und bringen Sie endlich Ihre Hausaufgaben zu Ende!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Jurk für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3566630
Wahlperiode 18
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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