Heiko Maas - Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht
Sehr geehrte, geschätzte, liebe Präsidentin!
(Heiterkeit)
Oh, jetzt geht es aber ab.
Für nachfolgende Redner wird es jetzt schwierig. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wichtigsten Steuermittel der Politik sind sicherlich zum einen die Gesetze, zum anderen aber auch das Geld. Vor allen Dingen um Letzteres geht es heute. Eine kluge Politik muss, wie ich finde, mit beidem sparsam umgehen.
Herr Gröhler hat gesagt, dass der Haushalt des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums im Vergleich zu dem anderer Ressorts einer Portokasse gleicht. Das ist sicherlich richtig, Herr Gröhler. Aber wir haben gemeinsam dafür gesorgt, mit dem Haushalt des Justiz- und Verbraucherministeriums zu zeigen, wie viel Sinnvolles man aus einer Portokasse finanzieren kann. Ich finde, dem werden wir gerecht.
Meine Damen und Herren, in Deutschland gelten zurzeit 1 681 Bundesgesetze und 2 711 Bundesverordnungen. Viele sagen, das sei mehr als genug. Tatsächlich müssen wir uns immer intensiv darüber Gedanken machen, wo es sinnvoll und notwendig ist, Sachverhalte oder Probleme mit Gesetzen zu ändern bzw. zu lösen.
Aber es gibt sicherlich auch Dinge, bei denen es ganz, ganz notwendig ist, gesetzgeberische Vorhaben auf den Weg zu bringen. Das war und ist so bei der Sukzessivadoption, der heiß diskutierten Mietpreisbremse, der Frauenquote für die Aufsichtsräte, den gesetzlichen Reformen im Nachgang zum NSU-Untersuchungsausschuss und vor allen Dingen auch beim Gesetz gegen sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie.
Das alles sind Themen, bei denen es Handlungsbedarf vonseiten des Gesetzgebers gab und gibt. Gerade das Gesetz gegen sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie zeigt das ganz besonders. Wir ändern die Verjährung beim sexuellen Missbrauch. Sie setzt erst mit dem 30. Lebensjahr ein, weil viele, die sexuell missbraucht worden sind, erst sehr spät darüber reden können und wir nicht wollen, dass die Täter ungeschoren davonkommen.
Wir ändern die Vorschriften zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, weil es keinen Unterschied machen darf, ob jemand Lehrer oder Hilfslehrer ist, wie es in einem Gerichtsurteil in Koblenz festgestellt worden ist. Wir wollen auch den Handel von Nacktbildern mit strafrechtlichen Mitteln verfolgen. Denn wir finden, unbefugt hergestellten Nacktbildern, die vertrieben und verkauft werden, liegt ein Missbrauch von Kindern zugrunde, und dies wollen wir unter Strafe stellen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Neben dem, was wir gesetzgeberisch auf den Weg bringen, ist es aber oftmals auch notwendig, Geld, das zur Verfügung steht, so einzusetzen, dass mögliche Gesetzesverstöße gar nicht erst entstehen. Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist ein ganz besonders schreckliches Verbrechen. Wir wollen alle, dass Kinder besser geschützt werden, und wir wollen vor allem dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu solchen Taten kommt. Das schaffen wir nicht mit dem Strafgesetzbuch allein. Bedauerlicherweise sind veränderte bzw. verschärfte Gesetze oder höhere Strafen nicht immer geeignet, Straftaten zu verhindern. Sie können aber ein Bestandteil der Maßnahmen dagegen sein.
Deshalb haben wir uns ganz besonders damit auseinandergesetzt, Maßnahmen zu fördern, die dazu führen sollen, dass Taten erst gar nicht begangen werden. Bereits seit 2008 fördert das Bundesjustizministerium das Projekt „Kein Täter werden“ der Berliner Charité. Es hilft Männern mit pädophilen Neigungen, dass aus ihren sexuellen Fantasien keine Straftaten werden.
Die Nachfrage nach dieser Hilfe ist groß, und sie wird immer größer. Es gibt inzwischen in weiteren sieben Städten in Deutschland ähnliche Projekte. Mit dem Haushalt, den Sie, meine Damen und Herren, heute beschließen, weiten wir die Förderung dieses Projektes ganz maßgeblich aus. Wir erhöhen die Mittel um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ich finde, das ist eine sehr gute und wichtige Entscheidung. Denn mit diesem Geld schützen wir Kinder mehr, als wir es oftmals mit geänderten Gesetzen tun können, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Auch in der Verbraucherpolitik, um die sich das frühere BMJ nun ebenfalls kümmert, geht es nicht alleine um Vorschriften oder Verbote. Laisser-faire oder staatliche Zwangsbeglückung – das sind immer die Alternativen, und es sind oftmals auch Alternativen von gestern, weil eine moderne Verbraucherpolitik ganz anders aussieht. Die Menschen sollen die Freiheit haben, selbst die richtige Entscheidung für sich zu treffen. Aber da reicht es oft nicht aus, nur das Ideal des mündigen Verbrauchers zu bemühen. Der Staat muss auch dort, wo er kann, etwas dafür tun, dass die Menschen diese Freiheit nutzen können. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind heutzutage auf den Finanzmärkten unterwegs. Aber ohne ausreichende Kenntnisse – teilweise glaubt man, dass ein BWL-Studium vonnöten ist – finden sich viele dort nicht zurecht. Wenn es um die Altersvorsorge oder um Vermögensbildung geht, dann kann man sich heutzutage kaum einen Fehltritt leisten. Eine falsche Entscheidung lässt sich selten rückgängig machen und kann für den Einzelnen und seine Familie verheerende Folgen haben.
Die Menschen brauchen – darum geht es uns in einer modernen Verbraucherpolitik – verlässliche Informationen und klare Orientierung. Aus diesem Grund sollen die Verbraucherorganisationen, wie bereits mehrfach angesprochen, künftig zu Marktwächtern werden. Die Verbraucherorganisationen erfahren durch ihre Beratungsarbeit als Allererste, wo Fehlentwicklungen stattfinden. Dann sollen sie bei den Behörden auch Alarm schlagen können und Verbraucherinnen und Verbraucher darüber informieren, wo es falsche Fünfziger oder schwarze Schafe gibt. 2,5 Millionen Euro sind zusätzlich in diesen Haushalt gekommen, damit wir den Aufbau der sogenannten Marktwächter – konkret: der Finanzmarktwächter – in Angriff nehmen können. Das ist eine wichtige Entscheidung. Damit wird ein wichtiges Projekt endlich anlaufen können.
Ich danke allen ganz herzlich, die das möglich gemacht haben, ganz besonders den Berichterstattern für den Justizhaushalt, Dennis Rohde und Klaus-Dieter Gröhler, aber auch, meine Damen und Herren, der Opposition, Herrn Dr. Tobias Lindner und Roland Claus. Auch Ihnen ein herzliches Dankeschön dafür!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir über Gleichberechtigung und den Kampf gegen Diskriminierung reden, dann hat das sicherlich auch eine rechtliche Dimension. Mit der Sukzessivadoption für Lebenspartnerschaften sind wir auch hier einen wesentlichen Schritt weitergekommen. Eine tolerante Gesellschaft, in der alle Menschen akzeptiert werden, und zwar so, wie sie sind oder sein wollen, entsteht aber letztlich nicht nur per Gesetz. Toleranz kann man eben nicht verordnen – aber man kann sie fördern. Eine ganz wichtige Institution, die das tut, ist die schon erwähnte Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Diese Stiftung leidet genauso wie viele andere unter den niedrigen Zinsen. Um hier zu helfen, wird mit diesem Bundeshaushalt das Stiftungskapital um 1,75 Millionen Euro erhöht. Dadurch kann die Stiftung ihre wichtige Arbeit ausweiten.
Dies zeigt erneut: Es muss nicht immer ein Gesetz sein. Auch durch den klugen Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel können wir eine gute und vernünftige Politik machen. Auf jeden Fall werden wir im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch diesen Haushalt in die Lage versetzt, genau dies zu tun.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, lieber Heiko Maas. – Nächster Redner in der Debatte: Roland Claus für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3567050 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 43 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht |