Nicole MaischDIE GRÜNEN - Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, in Ihrer Antrittsrede beim Verbraucherzentrale Bundesverband haben Sie gesagt – ich zitiere –:
Wahre Worte! Leider sieht die schwarz-rote Regierungspraxis etwas anders aus: Die Verbraucherpolitik ist zerpflückter als je zuvor. Ein Großteil des Geldes und relevante Zuständigkeiten, zum Beispiel für Ernährung oder für den gesundheitlichen Verbraucherschutz, sind in der Hand des Bundeslandwirtschaftsministeriums geblieben. Da hat die Union klug verhandelt. Ob das aber für die Verbraucherpolitik sinnvoll war, sei einmal dahingestellt. Bei anderen verbraucherrelevanten Themen wie Telekommunikation, Finanzmarktregulierung und Kartellrecht ressortieren die Zuständigkeiten weiterhin bei Ihren Kabinettskollegen, und Sie dürfen nur Hinweise geben. Auch hier suggeriert der Titel „Verbraucherschutzministerium“ mehr als das, was wirklich dahintersteht.
Wenn wir uns diesen Haushalt anschauen, stellen wir fest, dass der wirtschaftliche Verbraucherschutz, also Ihr Kernbereich – er gehört Ihnen quasi allein –, unterfinanziert ist. Daran ändern auch die genannten 2,5 Millionen Euro für den Finanzmarktwächter, die die Koalitionsfraktionen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf die Schnelle zusammengekratzt haben, nicht viel. Wir begrüßen es natürlich, dass Sie in die Finanzierung des Marktwächters einsteigen; das ist ein sinnvolles Projekt. Aber ein solches Projekt braucht langfristige Planungssicherheit. Warum? Wir brauchen für den Finanzmarktwächter die Köpfe, die sich auf den Finanzmärkten am besten auskennen. Wenn langfristig überhaupt nicht gesichert ist, wie die Finanzierung dieses Projektes weitergeht, wenn es keine institutionelle Förderung gibt, wenn vonseiten der Union immer wieder Bedenken geäußert werden, ob dieses Projekt überhaupt sinnvoll ist, dann fragt man sich doch, wie man so die besten Köpfe für den Marktwächter gewinnen kann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dieser Marktwächter kann aber nur eine Komponente einer verbrauchergerechten Neuordnung der Finanzmärkte sein. Herr Maas, wir erwarten von Ihnen, dass Sie bei der Regulierung des Grauen Kapitalmarkts mehr liefern als das dürre Eckpunktepapierchen, das Sie zusammen mit dem Finanzminister präsentiert haben. Dass Prokon jetzt nicht mehr in den Medien ist, heißt doch nicht, dass das Thema „Grauer Kapitalmarkt“ an Brisanz verloren hat.
Wir hoffen, dass Sie bei der Finanzmarktregulierung in Zukunft mehr Durchsetzungskraft beweisen als bei dem Rettungspaketchen, das Sie für die Lebensversicherer geschnürt haben. Hier haben Sie zulasten der Anlegerinnen und Anleger, der Versicherten, die Versicherungsunternehmen sanieren wollen, und das finden wir nicht gut. Ich sage das gerade vor dem Hintergrund, dass der Kollege Rohde so rührend eine Lanze für die Kleinanleger gebrochen hat. Beim Thema Lebensversicherung tun Sie das Gegenteil von dem, was Sie hier vorgetragen haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Meine Damen und Herren, ich möchte zur Kernfrage für die deutsche und europäische Verbraucherpolitik in den nächsten Monaten kommen. Das sind sicher die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen. Wir haben in der Debatte zur Agrarpolitik von Ihrem Kollegen Minister Schmidt nur Beschwichtigendes gehört. Auch von Ihnen liest man in Interviews immer, dass das Allzweckkampagnengeflügel, das Chlorhühnchen, nicht kommen soll. Das haben Sie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mitgeteilt. Ich finde aber, man muss ein bisschen tiefer in die Debatte einsteigen als nur mit solchen Überschriften. Man kann es nicht bei dem Chlorhühnchen belassen, sondern muss sagen: Leute, es geht um viel grundsätzlichere Dinge, und zwar um Investor-Staat-Schiedsgerichte und um eine der öffentlichen Sphäre entzogene regulatorische Zusammenarbeit.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Gerne.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Bei den Worten „tiefer in die Debatte einsteigen“ habe ich mich doch veranlasst gesehen, eine Zwischenfrage zu stellen.
Wir haben jetzt seit über einer Stunde eine, wie ich finde, sehr wichtige und auch interessante Debatte. Der Bundesminister ist da, der Staatssekretär ist da, der gesamte Ausschuss ist da; ich vermisse nur die Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Frau Künast. Das empfinde ich als unbefriedigend. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Eindruck teilen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das möchte ich Sie zumindest gern fragen.
Ich persönlich kenne den Terminkalender von Frau Künast nicht. Ich kann mir vorstellen, dass sie heute beim Deutschen Anwaltstag ist, der übrigens mehrere Tage dauert. Dazu haben wir als Ausschussmitglieder alle eine Einladung bekommen. Wir haben allerdings Prioritäten gesetzt und gesagt: Der Haushalt, der einmal im Jahr behandelt wird, gerade der Haushalt für Justiz und Verbraucherschutz, ist so wichtig, dass wir heute nicht zum Anwaltstag fahren. – Stimmen Sie mir zu, dass die Vorsitzende des Ausschusses bei dieser so wichtigen Debatte, die Sie angesprochen haben, offensichtlich ganz andere Prioritäten setzt?
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Herr Kollege, in meiner Fraktion bin ich zuständig für die Themen Tierschutz und Verbraucherpolitik. Das heißt, alles von der Kastration von Schweinen bis hin zur Frage der Rechtssicherheit von Handy-Apps fällt in meine Zuständigkeit.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist ja beachtlich!)
Die Führung des Kalenders des Ausschusses für Verbraucherschutz, das heißt die Termine von Frau Künast, gehört allerdings nicht in meine Zuständigkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Jenseits Ihrer Frage nach dem Terminkalender war ich dabei – –
Erlauben Sie noch eine Bemerkung, Frau Kollegin?
Bitte.
Vielen Dank, Frau Kollegin Maisch. – Würden Sie mir recht geben darin, dass es natürlich entsprechend gewürdigt werden muss, wenn der Deutsche Anwaltverein, der den Deutschen Anwaltstag ausrichtet, die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages bittet, bei seiner Festveranstaltung einen Vortrag zu halten und ein Grußwort zu sprechen?
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die Kollegin Keul kennt den Terminkalender! Da gibt es einen unterschiedlichen Informationsstand!)
Frau Keul, Ihnen stimme ich eigentlich fast immer zu. Also: Ja.
Aber kommen wir zurück zum Thema meiner Rede, zum Freihandelsabkommen. Bei TTIP geht es um Investor-Staat-Schiedsgerichte und um regulatorische Zusammenarbeit. Ich finde, hier ist der Verbraucherschutzminister gefragt. Bei solchen Investor-Staat-Streitigkeiten geht es darum, dass zukünftige Verbraucherschutzgesetzgebung immer unter dem Damoklesschwert stattfindet, dass die Bundesrepublik vor außerstaatlichen, demokratisch nicht legitimierten Gerichten auf Schadensersatz verklagt wird. Die C hefin der europäischen Verbraucherschutzverbände hat das so formuliert:
Ich finde, genau das muss ein Verbraucherschutzminister verhindern. Es kann doch nicht sein, dass in Zukunft nationale Anbauverbote für Genmais, die Wasserversorgung in öffentlicher Hand, das Fracking-Gesetz, das Ihre Ministerkollegen planen, oder strengere europäische Datenschutzregeln vor demokratisch nicht legitimierten Gerichtshöfen als Handelshemmnisse beklagt werden.
Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.
Ich finde, als Verbraucherschutz- und Justizminister ist Ihre vornehmste Aufgabe: Verhindern Sie so etwas! Stellen Sie sich quer, wenn das Abkommen einen solchen Weg nimmt!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Danke, Frau Kollegin. – Ich bitte Sie wirklich, auf die Redezeit zu achten. Das richtet sich an alle.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Eva Högl für die SPD.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3567096 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 43 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht |