Katja KeulDIE GRÜNEN - Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Sehr geehrter Herr Justizminister, die Kollegin Wawzyniak hat mit einem Lob geendet. Ich will mit einem Lob beginnen, und zwar für die Verlängerung der Hemmung der Verjährung bei sexuellem Kindesmissbrauch auf das 30. Lebensjahr. Das begrüße ich ausdrücklich. Das ist echter Opferschutz; denn vor Abschluss ihrer Therapie haben die Opfer oft keine Gelegenheit, in irgendeiner Weise Rechtsmaßnahmen zu ergreifen. Insofern haben Sie an dieser Stelle unsere volle Unterstützung.
Aber keine Sorge: So geht es nicht weiter.
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Schade!)
Denn ansonsten ist der Aufschlag aus Ihrem Haus zum Thema Kinderpornografie ziemlich danebengegangen.
(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])
Sie wollten doch angeblich diejenigen bestrafen, die sich im Internet Kindernacktbilder kaufen oder diese tauschen. Nach dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf wären das fast die einzigen, die sich nach wie vor nicht strafbar machen, dafür aber fast alle anderen. Jedes bloßstellende Foto. – Ja, meine Güte! Haben Sie schon einmal gesehen, wie viele Bilder von Betrunkenen sich in den sozialen Netzwerken befinden und wie viele peinliche Videos auf YouTube? – Damit können Sie die Staatsanwaltschaften wirklich lahmlegen und die halbe Republik einbuchten.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ein Unsinn!)
Auch die Intention spielt bei Ihrem Entwurf keine Rolle. Was ist denn, wenn ich das Opfer einer Gewalttat fotografiere oder filme, um diesem anschließend Beweismaterial zur Verfügung zu stellen? Alles strafbar?
(Burkhard Lischka [SPD]: Quatsch!)
Bei der Jugendpornografie ist vorgesehen, die Herstellung einer Aufnahme strafbar zu machen, völlig unabhängig davon, ob eine Verbreitung beabsichtigt ist oder eine Einwilligung vorliegt. Wir halten also 17-Jährige für reif genug, mit Volljährigen sexuell zu verkehren, aber wenn sie sich dabei fotografieren lassen, wollen wir das bestrafen? – Das kann doch nicht ernsthaft so gemeint sein. Auch hier muss es doch wohl auf die unbefugte Verbreitung ankommen. Da muss also noch einiges korrigiert werden.
Außerdem sollten die präventiven Maßnahmen zum Kinderschutz jenseits des Strafrechts nicht aus dem Blick geraten, wie etwa das erfolgreiche Projekt der Berliner Charité „Kein Täter werden“. Es ist gut, dass für dieses Projekt Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden; auch das begrüßen wir ausdrücklich.
Neben dem Sexualstrafrecht hat uns im Justizbereich im letzten Halbjahr auch die Praxis der Geheimdienste nicht unerheblich beschäftigt. Erfreulicherweise hat sich der Generalbundesanwalt jetzt doch noch zu kleineren Ermittlungen durchringen können. Das ist schon deswegen erfreulich, weil wir uns als Konsequenz aus dem NSU-Verfahren einvernehmlich vorgenommen haben, dessen Kompetenzen zu stärken. Das Geschrei der Großkoalitionäre war allerdings beeindruckend, als wir Grüne auf das gesetzliche Weisungsrecht des Justizministers hinwiesen. Ein „krudes Rechtsstaatsverständnis“ wurde uns vorgeworfen, nur weil wir das Gesetz zitiert haben, wonach dem Bundesjustizminister die Dienstaufsicht über den Generalbundesanwalt zusteht. Können wir jetzt also davon ausgehen, dass Sie kurzfristig mit Ihrer Mehrheit das Weisungsrecht vollständig abschaffen werden? Da bin ich ja einmal gespannt. Soll das auch für den Generalbundesanwalt gelten, der als politischer Beamter jederzeit in den Ruhestand versetzt werden kann? Meinen Sie ernsthaft, dass dieser politische Beamte, der ja auch Zeitung liest, nicht beeinflusst davon ist, wie sich die Regierung gegenüber den Vereinigten Staaten einlässt? Angeblich hätten wir Grüne ihn in unzulässiger Weise beeinflusst, indem wir ihn nach den Gründen seiner Entscheidung gefragt haben. Ehrlich gesagt: Das ist in meinen Augen ein eher merkwürdiges Rechtsstaatsverständnis.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die völlige Einbindung der Staatsanwaltschaft in die dritte Gewalt und ihre völlige Gleichsetzung mit den Richterinnen und Richtern halte ich jedenfalls für nicht angebracht. Die Staatsanwaltschaft handelt im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren klassisch gewaltausübend und ist damit auch Teil der Exekutive. Ich rate daher zu sorgfältiger Prüfung, damit wir nicht über das Ziel hinausschießen. Ihren Vorschlägen sehe ich mit Interesse entgegen.
Zuletzt noch ein paar Worte zu Ihrem neuesten Entwurf, zur Einführung der Frauenquote. Wenn 40 Prozent schon ein Kompromiss sind, dann sind 30 Prozent einfach zu kurz gesprungen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Außerdem ist der Anwendungsbereich mit gerade einmal 100 Unternehmen viel zu eng. Die Einbeziehung des Bundesgremiengesetzes ist wiederum richtig; es fehlt aber eine Vorgabe zur geschlechtergerechten Besetzung von Führungspositionen.
Frau Kollegin, die Redezeit!
Sie haben aber Glück; denn wir Grüne haben wieder einmal an alles gedacht. – Das Einzige, was wir nicht genug haben, ist Redezeit. – Wir werden Ihnen in der nächsten Woche unseren Gesetzentwurf zur Frauenquote vorstellen, von dem Sie dann ja noch einiges übernehmen können.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Eva Högl [SPD]: Na ja! Da sind wir ja gespannt!)
Vielen Dank, Frau Kollegin Keul. – Nächster Redner in der Debatte ist Dr. Stephan Harbarth für die CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3567134 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 43 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht |