26.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt II.16

Mechthild HeilCDU/CSU - Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich finde, das ist eine kluge Aussage des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof. Sie charakterisiert nicht nur mein, sondern, ich glaube, unser aller Bild von guter Politik und vor allem von guter Verbraucherpolitik. Für mich und für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht der eigenverantwortliche und selbstbestimmte Verbraucher im Mittelpunkt. Denn der Verbraucher ist kein hilfloses Wesen, das vor jeder Unbill des Lebens in Schutz genommen werden will. Was wäre das denn auch für eine Überheblichkeit von uns Politikern! Wir Politiker sind nicht die besseren Verbraucher, und wir wissen auch nicht alles besser.

Unsere Aufgabe ist es sicher nicht, uns von jedem Skandal und von jedem Medienhype in immer mehr Regulierungen drängen zu lassen. Aber wir haben die Pflicht und den Willen, für faire Märkte zu sorgen, auf denen sich die schwarzen Schafe nicht wohlfühlen. Wie gelingt uns das? Wir werden einen unabhängigen und interdisziplinär besetzten Sachverständigenrat einsetzen, der uns zu wichtigen Fragen der Verbraucherpolitik berät. Verbraucherpolitik muss sich nämlich an der Realität und den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen orientieren.

Wir brauchen ein gutes Gespür und gute wissenschaftliche Grundlagen. Wir brauchen belastbare Zahlen, Daten und Fakten. Wo finden wir das? Zum Beispiel bei der Stiftung Warentest. Die Zeitschrift der Stiftung Warentest ist Ihnen sicherlich bekannt. Sie bietet den Verbrauchern durch ihre vergleichenden Tests eine unabhängige und objektive Einschätzung. Diese Unabhängigkeit kann die Stiftung nur gewährleisten, weil sie von uns finanziert wird. Die Stiftung erhält immerhin in diesem Haushaltsjahr 2014 5,5 Millionen Euro. Wir hatten die Mittel für die Stiftung bereits aufgestockt, damit die Stiftung Warentest auch Finanzdienstleistungen vermehrt prüfen und bewerten kann. Denn – die Vorrednerinnen haben es schon gesagt – insbesondere auf den komplexen und dynamischen Finanzmärkten brauchen die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend Orientierung.

Wir werden auch die Verbraucherzentrale Bundesverband in diesem Jahr mit immerhin 9,4 Millionen Euro weiter fördern. Darüber hinaus stellen wir weitere 2,5 Millionen Euro als Anschubfinanzierung für die Marktwächterfunktion zur Verfügung. Jetzt sagen die Grünen, dass das zu wenig ist, aber 25 Prozent oben draufzusatteln, ist nicht wenig. Ich kann da nur sagen: Diese 25 Prozent sind wirklich ein ganz großer Schluck aus der Pulle.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn man überlegt, was die Verbraucherzentralen in dem verbleibenden halben oder Vierteljahr, das sie noch haben, mit dem Geld machen können, stellt man fest: Sie können die Informationen, die sie bei ihrer flächendeckenden Verbraucherberatung erhalten, erstmalig systematisch erfassen; das tun sie bislang nicht. Die Daten, die sie auswerten und analysieren, können sie dann auch uns, der Politik, zur Verfügung stellen. Wir bekommen also neben der BaFin und neben der Stiftung Finanztest, die wir ja schon haben, durch die Finanzwächter einen weiteren hilfreichen – ich will es so sagen – Sensor am Finanzmarkt, der uns anzeigt, wo es Missstände und Fehlentwicklungen gibt und wo Handlungsbedarf bestehen könnte.

Damit ich hier wirklich nicht missverstanden werde: Bewerten und einordnen muss es am Ende immer noch die Politik. Wir müssen handeln. Das ist unsere Verantwortung. Zu dieser Verantwortung stehen wir. Wir werden diese Verantwortung auch nicht auf andere abwälzen, zum Beispiel auf die Verbraucherzentralen, und sagen: Übernehmt ihr für uns, die Politik, diese Aufgabe. – Das ist mit uns nicht zu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stellen unsere Verbraucherpolitik auf eine wissenschaftliche und empirisch fundierte Basis. Das ist gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Land. Wenn unsere Erfahrungen mit dieser neuen Sensorfunktion der Verbraucherzentralen positiv sind, dann werden wir diese auch auf den Bereich der digitalen Welt ausweiten.

Hier sollte eigentlich schon heute die Stiftung Datenschutz eine wichtige Rolle spielen. Leider ist es mit der Unterstützung der Stiftung Datenschutz nicht weit her. Ich muss ehrlich sagen: Das ist für mich sehr enttäuschend. Deshalb an dieser Stelle mein Appell an diejenigen, die ihren Sitz im Beirat bis jetzt nicht besetzt haben: Besetzen Sie Ihren Sitz! Das gilt nicht nur für die Verbraucherzentrale. Das gilt genauso für die Datenschutzbeauftragten bei Bund und Ländern und auch für einige Kollegen in diesem Haus. Datenschutz ist viel zu wichtig. Nehmen Sie Ihre Verantwortung an, und entsenden Sie Ihre Vertreter in diesen Beirat! Ich hoffe, dass wir gemeinsam für mehr Aufklärung im Umgang mit unseren eigenen sensiblen persönlichen Daten sorgen werden. Wer nämlich auf der einen Seite für Marktbeobachter und Wächter ist und sie installieren will, der kann sich auf der anderen Seite doch wirklich nicht aus der Bildung und der Aufklärung im Hinblick auf seine eigenen sensiblen persönlichen Daten zurückziehen.

Im Koalitionsvertrag haben wir die Weichen für eine Weiterentwicklung der Verbraucherpolitik richtig gestellt. Aber nicht für jedes verbraucherpolitische Vorhaben brauchen wir zwangsläufig Haushaltsmittel oder neue Gesetze; Herr Maas, Sie haben darauf hingewiesen. Manchmal reicht es auch, die Wirtschaft an ihre Verantwortung oder die Verbraucher an ihre große Marktmacht zu erinnern.

(Beifall der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD])

Das gilt aktuell zum Beispiel für die Handydiebstahlsperren, für die ich eintrete. Hier halte ich eine Regelung wie die in den USA auch für den europäischen Markt für absolut notwendig. In den USA haben sich die großen Gerätehersteller verpflichtet, in alle für die USA produzierten Geräte eine Sperrfunktion einzubauen. Mit einer einfachen, individuellen PIN können die Handybesitzer ein gestohlenes Gerät sperren und für die Diebe unbrauchbar machen. Das ist eine wirklich gute Idee, die es nachzuahmen gilt.

Oder – ein anderes Beispiel – nehmen wir das Bündnis für nachhaltige Textilien, das Entwicklungsminister Müller ins Leben gerufen hat. Ohne staatlichen Zwang, einfach nur, weil die Unternehmen die gesellschaftliche Notwendigkeit erkannt haben, wollen sie sich auf Mindeststandards für nachhaltige Kleidung verpflichten und diese Standards sukzessive umsetzen.

Ein weiteres Beispiel. Wer versteht eigentlich, was auf den Verpackungen von homöopathischen Mitteln draufsteht? Wohl die allerwenigsten Verbraucher. Was bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln selbstverständlich ist, sollte doch auch für homöopathische Mittel gelten. Der Verbraucher muss verstehen können, was drin ist, besonders wenn es um seine Gesundheit geht. Deshalb muss Schluss sein mit der Kennzeichnung auf Latein.

Was wir den Menschen in den kommenden Jahren also bieten, ist eine moderne, wissenschaftlich fundierte Verbraucherpolitik, die eine Brücke zwischen staatlichem Schutz und Stärkung der Eigenverantwortung jedes Einzelnen schlägt. Wir wissen: Der Staat ist nicht der bessere Verbraucher. Aber wir sind der verlässliche Partner für alle Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir wünschen ihnen nicht nur das Beste, sondern wir tun auch unser Bestes, um sie zu stärken und zu schützen. Wir laden Sie ein, dabei mitzumachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3567144
Wahlperiode 18
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht
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