26.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt II.16

Volker UllrichCDU/CSU - Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Etat des Justizministeriums ist die in Zahlen ausgedrückte Dimension unseres Rechtsstaats. Wir haben im Bundestag die Aufgabe, die Geltung des Rechts zu sichern und das Recht fortzuentwickeln. Die Aufgabe, die sich uns stellt, ist keine geringe, weil die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates nichts anderes ist als die Aufrechterhaltung unserer Demokratie.

Ich glaube, dass wir für die ersten sechs Monate eine gute Bilanz ziehen können. Diese Große Koalition hat ermutigende und gute Signale für den Rechtsstaat gesetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Lassen Sie mich drei Punkte nennen, die mir am Herzen liegen:

Der erste betrifft den Schutz unserer Daten. Vor noch nicht allzu langer Zeit ist darüber gesprochen worden, dass jeder Mensch eine Art digitalen Fingerabdruck hinterlässt und dass die Daten, die von ihm im Internet auftauchen, eine Art Profil des Menschen darstellen können. Wir müssen heute aber davon ausgehen, dass die Wahrheit noch viel tiefgreifender ist. Die digitale Sphäre eines Menschen ist mittlerweile Teil seiner Identität. Wenn die digitalen Daten eines Menschen angegriffen oder missbraucht werden, dann werden auch die Würde und die Persönlichkeit dieses Menschen angegangen. Deswegen müssen wir uns auf den Weg machen, die Integrität der Daten weiter zu schützen und den Datenschutz voranzutreiben.

Ich bin deswegen sehr zuversichtlich, dass wir mit der Datenschutz-Grundverordnung und mit dem IT-Sicherheitsgesetz einen Meilenstein in diesem Bereich erreichen werden, sodass der elementare Schutz der Daten weiterhin gewährleistet werden kann.

Zweiter Punkt. Wir müssen auch dort handeln, wo die Würde des Menschen verletzt wird. Das ist im Augenblick – auch in diesen Stunden – der Fall, wenn Frauen durch Zwangsprostitution und moderne Sklaverei ausgebeutet werden: in den großen Laufhäusern, in den Bordellen, auf den Straßenstrichen.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie etwas dagegen!)

Es sind junge Frauen, vornehmlich aus Südosteuropa, die nach Deutschland kamen, weil sie Hoffnung suchten, und sie haben in diesen Etablissements Verzweiflung gefunden.

Wenn wir wissen, welche Methoden und Mittel notwendig sind, um diese unhaltbaren Zustände zu beseitigen, dann hat der Staat die Verpflichtung, schnell zu handeln. Wir müssen die Gesetze jetzt voranbringen, denn wenn wir weiter zögern, dann müssen wir uns auch für unser Zögern rechtfertigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Maßnahmen liegen doch auf dem Tisch: Es geht um die Freierstrafbarkeit bei Zwangsprostituierten, es geht um die Erlaubnispflicht bei Bordellen, es geht um die Abschaffung des eingeschränkten Weisungsrechts, es geht möglicherweise auch um Gesundheitsuntersuchungen, und letzten Endes geht es auch um Verbesserungen im Aufenthaltsrecht und darum, den Opferschutz voranzubringen. Ich glaube, vor dem Hintergrund dieser menschlichen Schicksale sind wir es allen schuldig, jetzt zu handeln und nicht weiter zu zögern.

Einen dritten Punkt, der mir am Herzen liegt, möchte ich ansprechen. Es geht um die Geltung des Rechts und die Frage, wie sehr der Staat dem eigenen Rechtsanspruch auch zukünftig Geltung verschaffen möchte. Ich meine, wir sollten auch in dieser Debatte betonen: Es gibt keine Alternative zum staatlichen Gewaltmonopol, und es darf auch keine geben. Das staatliche Gewaltmonopol ist eine der wesentlichen Stützen einer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen muss es uns betroffen machen, wenn wir Dinge wie einen mutmaßlichen Lynchmord in Neuenburg vor etwa einer Woche beobachten. Deswegen muss es uns betroffen machen, wenn es in Deutschland mittlerweile Berichte über die Existenz einer Paralleljustiz gibt, über Bereiche in unserem Land, wo das Recht nicht in der Ausführlichkeit gilt, wie es eigentlich gelten müsste. Dementsprechend müssen wir in den nächsten Jahren dieses Phänomen einer Paralleljustiz in den Griff bekommen, weil der Rechtsstaat nur funktionieren kann, wenn er unteilbar und universell ist.

Da wir vorhin von Lynchmord gesprochen haben, lassen Sie mich auch über eine mögliche Reform der Strafbarkeit bei Tötungsdelikten sprechen. Es ist richtig, eine Kommission einzusetzen. Aber diese Kommission darf eines nicht verändern: Für uns ist der Wert des menschlichen Lebens absolut und unabänderlich. Deswegen darf jemand, der einen anderen Menschen tötet, im Grundsatz nach wie vor nur mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden. Eine Aushöhlung der lebenslangen Freiheitsstrafe durch eine Reform lehnen wir ab. Dazu ist das menschliche Leben zu kostbar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD])

Wenn wir über das Funktionieren unseres Rechtsstaates sprechen, dann möchte ich diese Gelegenheit nutzen, all denjenigen Danke zu sagen, die in ihrem alltäglichen Einsatz für den Rechtsstaat stehen und diesen Rechtsstaat Tag und Nacht verteidigen und ihm ein Gesicht geben. Ich meine nicht nur die Richter und Staatsanwälte, sondern vor allen Dingen auch unsere Polizisten, die diesen Rechtsstaat im Schichtdienst 24 Stunden am Tag verkörpern und teilweise unter schwierigen Bedingungen diesen Rechtsstaat aufrechterhalten, über den man sagen kann: In Deutschland leben die Menschen sicher. – Das ist ein herzliches Dankeschön wert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es ist auch nicht akzeptabel, dass in diesem Zusammenhang Freiheit und Sicherheit oder Polizeiarbeit und Funktionsfähigkeit des Staates gegeneinander ausgespielt werden. „ Polizeiarbeit oder die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege sind“, wie Di Fabio schreibt, „keine grundrechtsfeindlichen Selbstzwecke“, vielmehr sind sie Metaphern für unseren Schutz- und Freiheitsanspruch. Deswegen werden wir auch in den kommenden Monaten darüber sprechen müssen, wie wir Polizeibeamte, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute, die bei ihren Einsätzen teilweise beleidigt und tätlich angegangen werden, besser schützen, weil auch sie uns und unsere Freiheit schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben mit diesem Haushalt eine Grundlage gelegt, den Rechtsstaat weiter zu sichern. Aber es bleibt unsere Verpflichtung, bei den aufgezeigten Punkten wachsam zu sein und rasch zu handeln. Ich denke, unser Rechtsstaat, so wie er sich zeigt, ist es wert, dass wir uns für ihn einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über den Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1855? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, CDU/CSU und SPD, bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wir kommen nur zur Abstimmung über den Einzelplan 07 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 07 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, CDU/CSU und SPD, gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan ist mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.17 auf:

Die Berichterstattung zu diesem Haushalt haben Dr. Reinhard Brandl, Norbert Barthle, Martin Gerster, Dr. Dietmar Bartsch und Anja Hajduk.

Zu dem Einzelplan liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Dietmar Bartsch, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3567182
Wahlperiode 18
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht
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