27.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 44 / Tagesordnungspunkt II.18

Herbert BehrensDIE LINKE - Verkehr und digitale Infrastruktur

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Dobrindt, Sie haben einen neuen Begriff hinzugefügt. Früher waren es nur Mobilität und Modernität, die Sie vertreten wollten. Nun kommt die Digitalität hinzu. Dann sollte man zumindest erwarten, dass diese Grundpfeiler, die das neue Ministerium prägen sollen, ihren Niederschlag auch im Haushalt finden, der uns hier vorliegt. Das tun sie aber nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Außer einem neuen Schild an der Tür des Ministeriums und Stühlerücken auf den unteren Etagen des Ministeriums ist seit der Bundestagswahl 2013 eher wenig passiert. Zukunftstaugliche verkehrspolitische Ansätze? Fehlanzeige! Viele Straßen, Schienen, Brücken und auch manche Wasserwege sind in einem erbärmlichen Zustand. Das vorhandene Verkehrsnetz muss dringend saniert werden. Das sagen alle Verkehrsexperten, unabhängig davon, ob sie der Koalition zugeneigt sind oder der Opposition.

Sie aber, Herr Minister, setzen auf ein Weiter-so, und die wegweisenden Empfehlungen werden nicht genutzt. Statt den Sanierungsstau abzuarbeiten, sind Sie gerade dabei, die öffentliche Straßeninfrastruktur zu privatisieren. Der Ausbau der A 7 nördlich von Hamburg soll an Hochtief gehen. In Niedersachsen verlangen Sie, Herr Minister, dass die A 7 zwischen Salzgitter und Göttingen von privaten Investoren ausgebaut wird. Die Landesregierung protestiert. Es geht auch um Arbeitsplätze von vielen Straßenwärtern und Angestellten. Nach der Zuschlagerteilung droht den Autobahnmeistereien die Auflösung. Die Immobilien werden wahrscheinlich den künftigen Investoren angeboten. Der privatisierte Bau bedeute, sagt die niedersächsische Landesregierung, Mehrkosten in Höhe von 25 Millionen Euro. Ich zitiere: „Minister Ramsauers Entscheidung, das Bauprojekt A 7 mit privaten Geldern auszuführen, grenzt für mich an Untreue.“ Das sagte die Kollegin Lühmann vor ein paar Monaten. Ich stimme diesem voll zu.

Dann gab es einen weiteren Versuch des SPD-Fraktionsvorsitzenden Oppermann und des Ministers Gabriel. Sie wollten „mit guten Argumenten Verkehrsminister Dobrindt davon überzeugen, dass es am Ende wirtschaftlicher ist, den Betrieb der Autobahn in Händen der staatlichen Bediensteten zu belassen“, heißt es in einem Zeitungsbericht. Keine vier Wochen später ordnet Ihr Ministerium an, privat zu vergeben. Auch die vermeintlich guten Argumente des Koalitionspartners haben offensichtlich nichts genutzt. Diese Koalition der Privatisierer muss jetzt gestoppt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit 2007 führt das Ministerium bereits sechs Projekte im Wege von ÖPP durch. Sieben weitere sind in Vorbereitung. Auch hier ist kein Paradigmenwechsel zu erkennen. Es geht um Investitionen im Umfang von 11,2 Milliarden Euro. Nun hat der Bundesrechnungshof fünf von sechs Autobahnprojekten geprüft; wir haben bereits von der Ausschussvorsitzenden im Rechnungsprüfungsausschuss, der Kollegin Hagedorn, davon gehört. Das Ergebnis ist vernichtend. Das Verkehrsministerium hat Kostenvorteile von bis zu 40 Prozent berechnet oder – besser – schöngerechnet. Die Gesamtbeurteilung ist eine deutliche Klatsche für die Privatisierer und eine Unterstützung für die Steuerzahler.

Meine Fraktion legt Ihnen einen Antrag vor, der die richtigen Konsequenzen aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs zieht. Wir fordern, in Kapitel 1209 die Mittel für sechs ÖPP-Projekte zu sperren. Für sieben ÖPP-Projekte, darunter auch die A 7 in Niedersachsen, wollen wir Mittel im Volumen von 4 Milliarden Euro streichen. Frau Lühmann, Sie haben völlig recht: Die Entscheidung, das Bauprojekt A 7 von privaten Geldgebern finanzieren zu lassen, grenzt an Untreue. Es gibt hier im Plenum eine Mehrheit, die dem Privatisierungswahn der Vergangenheit und den Privatisierungsfantasien der Zukunft ein Ende bereiten kann. Es kommt nur darauf an, dass auch alle zu ihren Überzeugungen stehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine mögliche Mehrheit gäbe es auch, um ein anderes fragwürdiges Projekt des Verkehrsministers zu verhindern. Vor der Sommerpause, also bis nächste Woche Freitag, soll der Plan für eine Pkw-Maut das Licht der Welt erblicken. Sie soll inländische Fahrzeughalter nichts kosten und trotzdem viel bringen. Sie soll nur Ausländer treffen, aber trotzdem europarechtsfreundlich sein. Nicht nur die Linke befürchtet, dass die Ausländermaut der Einstieg in die Pkw-Maut für alle sein wird. Das ist verkehrspolitisch und ökologisch unsinnig und muss verhindert werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Leider nicht zu verhindern, war, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ebenfalls in den Strudel der Privatisierung gezogen worden ist. Herr Dobrindt, Ihr Vorgänger hat vor gut einem Jahr mit der Schaffung der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt einen Stein ins Rollen gebracht, der allerdings nur eine halbe Umdrehung machte und jetzt mitten auf dem Weg liegt. Er versperrt den Weg für eine zukunftsfähige Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.

Diese Hängepartie führt zu einem dramatischen Aderlass bei der WSV, weil ausgebildete junge Leute nicht unbefristet übernommen und Kollegen, die in den Ruhestand gehen, nicht ersetzt werden. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung kann Baumaßnahmen, die bereits beschlossen worden sind und für die wir schon die Mittel zur Verfügung gestellt haben, nicht ausführen. Ich weiß nicht, ob die 35 Stellen, die jetzt wieder besetzt werden dürfen, wirklich das Richtige sind.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Erste Tranche!)

Auf jeden Fall sind sie ein kleiner Schritt auf dem Weg, die Blockade aufzulösen.

Nun bleibt mir keine Zeit, um auf die Modernität des Ministeriums einzugehen. Das ist vielleicht ein bisschen ungerecht, weil das der einzige Titel ist, bei dem Sie mit der Aufstockung der Mittel um 50 Prozent wirklich nachhaltige Spuren hinterlassen haben. Das betrifft das Breitbandbüro, das künftig über 3 Millionen Euro verfügen kann. Aber für Modernität muss man mehr in petto haben. Ich finde, das ist schon mehr ein politischer Offenbarungseid.

Wenn wir uns den Einzelplan 12 im Ganzen ansehen, dann merken wir: Es bewegt sich nichts. Wir stehen offenbar im Stau. Aber bei näherer Betrachtung ist das gar kein Stau; denn der würde sich irgendwann einmal auflösen. Ich habe den Eindruck, wir befinden uns in einer Sackgasse. Da hilft nur eins: umkehren, und zwar sofort.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Birgit Malecha- Nissen, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3570583
Wahlperiode 18
Sitzung 44
Tagesordnungspunkt Verkehr und digitale Infrastruktur
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