Oliver WittkeCDU/CSU - Verkehr und digitale Infrastruktur
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So wie ein funktionierender Blutkreislauf notwendig für die Lebensfähigkeit jedes Organismus ist, so bedarf es auch einer vernünftigen Verkehrsinfrastruktur, damit die Volkswirtschaft in einem Land funktioniert. Darum setzen wir in dieser Großen Koalition eine besondere Priorität auf die Stärkung sowohl der Verkehrs- wie auch der digitalen Infrastruktur in unserem Land. Das ist dringend notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten; das ist dringend notwendig, um die Vorsprünge, die sich unsere Wirtschaft über Jahrzehnte hinweg erarbeitet hat, weiter verteidigen zu können; und das ist insbesondere notwendig, um in einem Europa ohne Grenzen den künftig wachsenden Verkehren selbstbewusst und gut vorbereitet gegenübertreten zu können.
Es ist am heutigen Tage bereits mehrfach vorgetragen worden, wie sich die Verkehre in den nächsten Jahren entwickeln werden: 38 Prozent mehr Transportleistung beim Güterverkehr bis 2030 und ein Anstieg des Personenverkehrs um 13 Prozent. Dazu bedarf es mehr Geld. Es ist gut, dass wir 5 Milliarden Euro zusätzlich für die Stärkung unserer Infrastruktur zur Verfügung haben. Aber wir brauchen noch ein paar Dinge mehr, auf die ich jetzt im Detail eingehen will.
Wir brauchen beispielsweise eine ideologiefreie Verkehrspolitik. Es gibt immer noch Leute, die durch die Gegend laufen und sagen: Wir müssen Verkehre verhindern,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
wir müssen Verkehre vermeiden. – Das wird nicht funktionieren. Das hat in den letzten Jahrzehnten nicht funktioniert und wird auch künftig nicht funktionieren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Karin Binder [DIE LINKE]: Wenn man es nicht will!)
Es ist richtig: Politik beginnt immer mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Darum brauchen wir auch keine Vorrangpolitik für irgendeinen Verkehrsträger. Wir brauchen keine Straßenvorrangpolitik, keine Schienenvorrangpolitik, keine Wasserstraßenvorrangpolitik. Was wir in diesem Land brauchen, ist eine Verkehrsvorrangpolitik; denn wir brauchen sie alle: die Schiene, die Straße, die Wasserstraße und den Luftverkehr.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Da ich gerade beim Vereinfachen bin, will ich auf eine zweite Gefahr hinweisen, die hier und da bei Rednern von Grünen und Linkspartei durchgeschimmert ist. Ja, es ist wahr: Wir wollen mehr in die Erhaltung investieren. Wir wollen umschichten. Wir wissen, dass es künftig nicht mehr so viel Geld für Neubau geben kann wie für die Erhaltung.
Aber eines wollen wir nicht: Wir wollen nicht Erhaltung statt Neubau. Wir werden an klar definierten Stellen auch weiterhin Erweiterungen im bestehenden Netz benötigen. Wir brauchen Lückenschlüsse. Wir brauchen auch weiterhin Ortsumgehungen. Darum kann es kein „statt“, sondern nur ein Umschichten, eine neue Priorisierung geben. Klar ist: Auch Neubau wird es im Straßenbau in Deutschland weiterhin geben müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Im Übrigen, Kollege Kühn – wenn ich das noch sagen darf –: Wenn während der Regierungsbeteiligung der Grünen nur annähernd so ein Verhältnis zwischen Investitionen in den Erhalt und Investitionen in den Neubau erreicht worden wäre wie in dieser Koalition, dann hätten Sie viel mehr für dieses Land getan als mit Ihren Reden hier im Hohen Hause.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen billig, ne?)
Sie hatten bis 2005 die Möglichkeit, zu zeigen, dass Sie umschichten wollten. Sie haben es in Ihrer rot-grünen Regierung damals nicht geschafft. Wir machen es jetzt. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sollten uns die Zahlen mal gemeinsam angucken!)
Da wir gerade bei Vereinfachungen sind, will ich das Thema ÖPP ansprechen. Hier hat sich niemand hingestellt und gesagt: ÖPPs sind das Allheilmittel, um die Straßenfinanzierung in Zukunft organisieren zu können. Um eines klar und deutlich zu sagen: Es geht nicht um die Frage: „Haushaltsfinanzierung oder ÖPP-Finanzierung?“, sondern es geht um die Frage: Werden wir künftig überhaupt noch Investitionen tätigen können, oder wird es immer mehr Staus und damit einen massiven volkswirtschaftlichen Schaden für unsere Wirtschaft, für unsere Bevölkerung geben?
Der Weg, den Verkehrsminister Dobrindt eingeschlagen hat – wo es verantwortbar ist und wo der volkswirtschaftliche Nutzen nachgewiesen ist, weiterhin auf ÖPP-Projekte zu setzen –, ist richtig. Lieber Herr Minister, darum ein herzliches Dankeschön dafür, dass Sie in der vergangenen Woche ein klares Signal ausgesendet haben, indem Sie das Ausschreibungsverfahren für ein ÖPP-Projekt für den Ausbau der A 7 zwischen Salzgitter und Göttingen auf den Weg gebracht haben. Das ist der richtige Weg. Wir brauchen beides, Haushaltsfinanzierung und ÖPP-Projekte, wo sie volkswirtschaftlich sinnvoll und vernünftig sind.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Lassen Sie mich einen letzten Aspekt nennen, der mir ganz besonders wichtig ist und der in dieser Debatte ein bisschen zu kurz gekommen ist: Wenn unsere finanziellen Mittel begrenzt sind, wenn wir nahe an der Decke sind, dann müssen wir in diesem Land auch eine Debatte darüber führen, wie wir mit dem wenigen Geld effizienter umgehen können, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Das heißt im Übrigen auch – das, was ich jetzt ausspreche, ist eine harte Wahrheit –, dass wir, nachdem wir die Grundinfrastruktur zur Erschließung des Raums in Deutschland geschaffen haben, wenn es im ganzen Land, also im ländlichen Raum und in den Städten, eine Grundinfrastruktur gibt, nur noch Investitionen nach dem Grundsatz „Wo bringt der investierte Euro die größte verkehrliche Wirkung?“ tätigen dürfen. Dabei geht es dann – mit Verlaub – nicht um Wahlkreise oder Ländergrenzen; denn Verkehre gibt es auch außerhalb des eigenen Wahlkreises und außerhalb der Grenzen des eigenen Landes. Diese Überzeugung muss sich Stück für Stück in unseren Köpfen breitmachen. Wenn zum Beispiel ein Verkehrsprojekt in Niedersachsen einen größeren Mehrwert für die gesamte Infrastruktur in Deutschland bringt, dann sind auch Bayern, Nordrhein- Westfalen, Schleswig-Holsteiner, Sachsen und Thüringer gut beraten, zu sagen: Jawohl, das ist ein Projekt, von dem wir in Deutschland insgesamt profitieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Kollege, Sie denken an die vereinbarte Redezeit.
Ich bedanke mich herzlich für den Hinweis, Herr Präsident.
Es ist ganz wichtig, dass wir künftig intensiver über die Effizienz des Mitteleinsatzes reden. Dadurch können wir, glaube ich, die Verkehrsinfrastruktur in Ordnung bringen und sie dort, wo es notwendig ist, weiter ausbauen, damit wir weiterhin wettbewerbsfähig sind und Deutschland den erfolgreichen Kurs der vergangenen Jahrzehnte fortsetzen kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sören Bartol [SPD]: Herr Präsident! Das war seine erste Rede!)
Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Ulrich Lange, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3570625 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 44 |
Tagesordnungspunkt | Verkehr und digitale Infrastruktur |