Volker KauderCDU/CSU - Bedrohung der regionalen Stabilität durch ISIS
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Seit Wochen erreichen uns dramatische Berichte aus dem Irak. Zunächst einmal haben wir alle gedacht, es handele sich um eine vorübergehende, vielleicht auch regionale oder lokale Entwicklung. Aber sehr schnell wurde deutlich, dass es hier um mehr geht.
Zunächst haben wir auch gedacht, es beschränke sich darauf, dass unzufriedene Stammesfürsten und Stämme im Irak die Regierung unter Druck setzen oder sie gar nötigen wollen, die politische Zusammenarbeit zu verändern. Dann wurde jedoch immer deutlicher, dass es um wesentlich mehr geht, dass eine Gruppe von Leuten, die wir in ihrer Stärke gar nicht genau ausmachen können, zu einer bedrohlichen Destabilisierung im Irak und zu einer bedrohlichen Destabilisierung in der ganzen Region bewusst beiträgt.
Nachdem zunächst einmal Ausgangspunkt war, dass die Regierung in Bagdad starke Stämme, die der sunnitischen Richtung des Islam angehören, bei der Ausübung von Regierungsgewalt nicht berücksichtigt und dass sie sich über diejenigen hinweggesetzt hat, die in Regionen im Irak Bedeutung haben, hat sich schnell herausgestellt, dass es darum geht, ganz neue Machtstrukturen zu schaffen, übrigens nicht nur Machtstrukturen zu schaffen, sondern mit diesen Machtstrukturen auch religiösen Einfluss auszuüben. Dies führt zu einer erheblichen Unruhe in der Region Irak/Syrien/Türkei.
Wenn da auf einmal ein Kalifat ausgerufen wird, wie wir hören, trägt dies zu einer erheblichen Unruhe in der gesamten islamischen Welt bei. Es gab gleich Widerspruch von denjenigen im Islam, die sich von irgendeinem Kalifen in einer Region des Irak überhaupt nicht bevormunden lassen wollen. Daran sieht man, welch dramatische Entwicklung sich dort abspielt.
Die Frage wird sein: Können wir mit politischen Möglichkeiten eingreifen? Kann es zu einem politischen Dialog kommen? Wenn man sieht, mit welcher Brutalität diese Gruppe vorgeht, hat man erhebliche Zweifel und muss sich fragen, ob nicht noch andere Möglichkeiten, Stoppschilder aufzustellen, erforderlich sind.
Wenn man hört, was sich in den betroffenen Regionen im Irak abspielt, hat man zunächst die Hoffnung, es könnte vielleicht doch anders gewesen sein. Aber die Bilder, die uns jetzt erreichen, zeigen, dass dort Menschen abgeschlachtet werden, dass Kinder hingerichtet werden und dass in den Regionen, in denen diese islamistische Gruppe Macht und Einfluss gewonnen hat, die Menschen gezwungen werden, nach den Regeln der Scharia zu leben. Christinnen werden unter Drohungen aufgefordert, sich ebenfalls zu verschleiern und die Einrichtungen, die von den neuen Machthabern geschaffen werden, aufzusuchen. Kinder werden gezwungen, in die Koranschulen zu gehen. Es ist also eine Situation, die uns mit großer Sorge erfüllt.
Ich glaube, dass wir uns jetzt in der UNO sehr rasch darüber einig werden müssen, wie wir reagieren. Denn sonst führt diese Situation nicht nur zu einer Destabilisierung in dieser Region, sondern kann sich zu einem mittleren Flächenbrand im Nahen Osten entwickeln. Wir hören, dass sich jetzt der Iran einschalten will; wir hören, dass zum Beispiel Saudi-Arabien Geld fließen lassen will; vor allem hören wir, dass jetzt auch unter den sunnitischen Gruppen Streit beginnt. Es wäre eine fatale Botschaft, wenn wir da nicht reagieren würden. Denn dort werden nicht nur Christen bedroht, sondern die Existenz von Tausenden von Menschen ist betroffen. Natürlich wird es die Türkei nicht unberührt lassen, wenn von einem selbstständigen Kurdistan gesprochen wird.
Ich selber habe im Augenblick noch keine Vorstellung davon, was politisch getan werden kann, und warne davor, vorschnell militärische Lösungen zu suchen. Ich muss aber auch sagen: Diejenigen, die jeden Tag bedroht sind und unter der Situation leiden, sehen die Dinge ein bisschen anders. Der Verzicht, auch mit Gewalt Einhalt zu gebieten, betrifft ja nicht in erster Linie diejenigen, die das fordern, sondern der Verzicht geht auf Kosten der Menschen, die dort tagtäglich um ihr Leben fürchten müssen. Wir müssen an dieser Situation im Irak deutlich machen, dass wir es nicht hinnehmen können, dass Terrorgruppen machen, was sie wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Denn dies stiftet an und steckt an. Wenn in einer Region eine Terrorgruppe erfolgreich aktiv sein kann, dann wird es bald in anderen Regionen andere Gruppen geben, die das ebenfalls tun.
Deswegen sind wir alle aufgefordert, uns ernsthaft und rasch darüber klar zu werden, wie wir zu einer Stabilisierung kommen können. Ich glaube, dass das nur geht, indem wir der Ausbreitung dieser gewaltbereiten, menschenverachtenden Truppe rasch ein Ende setzen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wolfgang Gehrcke erhält als nächster Redner das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3591026 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 45 |
Tagesordnungspunkt | Bedrohung der regionalen Stabilität durch ISIS |