Wolfgang HellmichSPD - Aktuelle Stunde zur Beschaffung von Drohnen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinem Vorredner würde ich eine Lektüreempfehlung geben, nämlich den im Jahr 2011 erschienenen Bericht zur Technikfolgenabschätzung unbemannter Systeme. Viele Fragen, die wir hier diskutieren, werden in diesem Bericht angesprochen, und es werden Handlungsempfehlungen gegeben. Diese Debatte ist schon älter, sie ist nicht aktuell, frisch und ganz neu. Ich glaube, dass wir uns darum kümmern müssen, dass diese Debatte versachlicht und nicht emotionalisiert wird. Die Befürchtungen, die es in der Gesellschaft gibt – die auch berechtigt sind und um die man sich kümmern muss –, dürfen nicht in einer Art und Weise aufgebläht werden, dass wir am Ende politisch nicht mehr in der Lage sind, damit sachgerecht und ordentlich umzugehen.
Worum geht es? Es geht darum, dass ein System beschafft werden muss, um eine Fähigkeitslücke für eine absehbare Zeit zu schließen. Es geht um das Thema Überwachung mithilfe von MALE-Drohnen. Es geht um eine Entscheidung, die auf europäischer Ebene bereits gefallen ist, nämlich darum, eine Drohne zu entwickeln, die genau diese Fähigkeiten beinhaltet. Wir sollten uns hier nichts vormachen. Eine europäische Entwicklung mit allen unseren Nachbarn, die daran beteiligt sind, wird immer nur im Zusammenhang mit einer Bewaffnungsfähigkeit möglich sein. In der NATO-Parlamentarierversammlung vor nicht allzu vielen Wochen ist diese Frage diskutiert worden, mit dem Ergebnis, dass die europäischen Nachbarn und Partner gesagt haben: Ja, es wird eine solche Entwicklung geben, aber die Entscheidung über die Frage, ob bewaffnet wird oder nicht und womit, fällt jedes Land für sich alleine, es ist die eigene Kompetenz. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass es einen Parlamentsvorbehalt gibt, dass das Parlament entscheidet, was wir im Falle des Falles tun.
(Beifall bei der SPD)
Bitte keine Verengung in der Form, dass wir mit unserer Entscheidung oder Nichtentscheidung – ganz egal – international dafür sorgen könnten, dass diese Systeme nicht beschafft, nicht bewaffnet würden und nicht unterwegs wären. Wir alle wissen, dass es anders ist. Die größten Abnehmer – nach den Zahlen, die im Moment international bekannt sind – sind Indien und Pakistan, Regionen, die gerade dabei sind, sich mit allen Waffensystemen, die es gibt, aufzurüsten.
(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das ist doch kein Argument!)
Die Frage, wie wir mit der Proliferation umgehen, ist für mich ein ganz entscheidender Punkt, um auf internationaler Ebene bei der präventiven Rüstungskontrolle ein Problem einzuhegen, das wir in der Tat haben. Wir wären nicht glaubwürdig und könnten international nicht auftreten, wenn wir nicht deutlich machen könnten, dass wir mit unseren Einsatzregeln zu jedem Zeitpunkt die Regeln des humanitären Völkerrechtes, des humanitären Kriegsrechts einhalten.
(Beifall des Abg. Rainer Arnold [SPD])
Jede andere Unterstellung führt in die Irre. Ich sage an dieser Stelle: Die Unterstellung, dass wir alle nicht in der Lage wären, solche Situationen politisch einzuschätzen, kann ich nicht akzeptieren und sie ist auch falsch.
(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Dann beschaffen Sie keine Kampfdrohnen! Dann setzen Sie sich auch nicht diesem Verdacht aus!)
Ich freue mich auch, dass die Ministerin deutlich gemacht hat, dass die Frage der Bewaffnungsfähigkeit, dass die Frage, wie wir international damit umgehen und wie andere damit umgehen, nach unseren politischen Maßstäben eindeutig abzulehnen ist. Das, was die USA und andere Länder machen,
(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Aber auch auf deutschem Boden!)
entspricht nicht den Regeln, die wir einhalten wollen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich plädiere eher dafür, dass wir uns in der präventiven Rüstungskontrollpolitik intensiv mit dem Thema der Drohnen und damit, was sie darstellen, was sie tatsächlich sind, auseinandersetzen.
Wir brauchen eine Regelung im Rahmen des KSE- Vertrages, um eine Begrenzung der Zahl der eingesetzten Drohnen europaweit durchzusetzen
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst kaufen wir sie und dann begrenzen wir sie wieder, oder was?)
und ein Kontrollregime zu haben, welches prüft, was denn eigentlich in Europa mit diesen Systemen passiert. Wir brauchen eine Pflicht zur Anmeldung im Rahmen der Vereinbarungen des Wiener Dokumentes, weil wir so in der Lage sind, zu sehen, was unsere Bündnispartner europaweit eigentlich mit den Drohnen machen. Wir brauchen eine Verifikationsfähigkeit. Wir brauchen eine Anmeldung der Drohnen im UN-Waffenregister. Ihr Hinweis, dass sich der Außenminister vor wenigen Wochen dafür eingesetzt hat, im Hinblick auf autonome Systeme international vorzugehen, war richtig; aber es geht hier nicht um autonome Systeme, sondern um die Systeme, die in Europa entwickelt werden. Dies zu vermischen, ist politisch unredlich und, wie ich glaube, nicht zulässig.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben internationale Verträge, von denen Drohnen und das, was sie leisten, bereits erfasst werden, ob es die Verträge zur Begrenzung der Chemiewaffen und der biologischen Waffen sind, in denen auf unbemannte Systeme Bezug genommen wird, die in diesem Kontext verboten sind, ob es um Verträge zu ballistischen Raketen und landgestützten Marschflugkörpern geht. Auch in diese sind UAVs aufzunehmen, denn sie gehören in das Regime dieser Verträge und können darin erfasst werden.
Es ist ein Auftrag an die internationale Politik und an unsere Abrüstungspolitik, dafür zu sorgen, dass die Systeme, die da auf dem Wege sind, eingehegt und eingegrenzt werden und die geltenden Regeln letztendlich international durchgesetzt werden, nämlich die des humanitären Völkerrechtes. Bei uns gelten diese Regeln. Unsere Rules of Engagement, unsere Einsatzregeln, machen sehr deutlich, dass bei jeder menschlichen Entscheidung die Gebote der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel, der Zurechenbarkeit der Mittel und der Beschränkung der Mittel zur Anwendung kommen und zur Praxis gehören. Ich glaube, mit diesen Regeln sind wir in der Lage, alle Waffensysteme in einer Art und Weise einzusetzen, die mit dem Völkerrecht vereinbar ist. In diesen Regeln wird unterschieden, wie Flugzeuge, Hubschrauber und andere militärische Systeme zum Einsatz kommen können.
Auch mich haben die technologischen Möglichkeiten und Entwicklungen erschreckt. Ich glaube, wir alle sind uns darüber einig, dass alle militärischen Systeme, ganz egal, welche es sind, dann nicht mit unseren Grundsätzen vereinbar sind, wenn sie letzten Endes nicht der Entscheidung des Menschen unterliegen. Sobald eine solche Situation eintritt, ist die Entwicklung solcher Waffensysteme abzulehnen.
(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Dann verhindern Sie den Einstieg! Ächten Sie Kampfdrohnen!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katharina Landgraf [CDU/CSU])
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Omid Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3591165 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 45 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Beschaffung von Drohnen |