Carola ReimannSPD - Einführung eines Mindestlohnes
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir schließen heute mit dieser Lesung eine intensive parlamentarische Debatte zum Tarifpaket ab. Wir haben, wie in Gesetzgebungsverfahren üblich, in den letzten Wochen bei ein paar wenigen Punkten noch Änderungen und Präzisierungen vorgenommen. Bei der Debatte über diese letzten Änderungen darf man nicht aus dem Blick verlieren, was wir mit diesem Gesetz erreichen werden: Deutschland bekommt einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für Millionen von Menschen bedeutet dies die größte Gehaltserhöhung ihres Lebens. Das, meine Damen und Herren, ist eine der größten Sozialreformen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Kolleginnen und Kollegen, wir haben von Anfang an klargemacht, dass wir die Sorgen einzelner Branchen sehr ernst nehmen und mögliche Probleme bei der Umsetzung berücksichtigen. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, eine zweijährige Übergangszeit zu ermöglichen, wenn tarifvertragliche Lösungen vereinbart werden. Und deshalb gab es auch einen intensiven Branchendialog. Für diese umfangreichen Gespräche will ich mich hier ausdrücklich bei der Ministerin und ihrem Haus bedanken. Durch sie konnten in Branchen tarifvertragliche Vereinbarungen gefunden werden, die man bisher wohl als tarifpolitisches Niemandsland bezeichnen musste. Wir setzen damit nicht nur einen ersten Mindestlohn in Branchen fest, die von Lohndumping geprägt waren. Wir haben damit zugleich auch die Tarifautonomie gestärkt – und das alles, bevor das Gesetz überhaupt in Kraft getreten ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Beispiel zeigt: Dialog und Praxisnähe lohnen sich, und vor allen Dingen lohnt es sich, auf das Erfolgsmodell Tarifpartnerschaft zu setzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben bei der Gesetzgebung eine klare Linie verfolgt: Hilfen für praxistaugliche Übergänge ja, aber keine Branchenausnahmen. Genau so sieht das Gesetz aus, das nun vorliegt. Wer hier große Ausnahmen anprangert, redet einfach an der Sache vorbei.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Der Mindestlohn kommt wie versprochen: 8,50 Euro, flächendeckend und ohne jede Branchenausnahme.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst?
Sehr gern.
Dann ist Herr Ernst jetzt dran.
Danke schön. – Frau Kollegin, ist Ihnen noch folgender Satz bekannt? Ich zitiere:
Ich helfe Ihnen weiter: Das ist aus Ihrem Wahlprogramm.
Jetzt habe ich heute hier viele Stimmen aus Ihrer Partei gehört, die gerade jene Regelung verteidigen, nach der Arbeitsuchende sechs Monate lang keinen Mindestlohn bekommen; sie gilt übrigens nicht befristet, sondern auf Dauer. Wie kriegen Sie das mit Ihrem Wahlprogramm zusammen?
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Lieber Kollege Ernst, auch da bitte ich um ein bisschen Differenzierung. Es geht um die Langzeitarbeitslosen; aber Arbeitsuchende werden Mindestlohn erhalten –
(Christine Lambrecht [SPD]: Ja, selbstverständlich! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Langzeitarbeitslose sind auch Arbeitsuchende!)
in vielen Branchen hoffentlich die Löhne, die in den Tarifen vorgesehen sind.
(Beifall bei der SPD)
Die Ausnahme für Langzeitarbeitslose ist hier mehrfach angesprochen worden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass wir Sozialdemokraten auch diese Ausnahme lieber nicht gehabt hätten. Aber Sie haben auch die Begründung gehört: Es soll verhindert werden, dass die Hürde beim Zugang zum Arbeitsmarkt – man muss fairerweise sagen, dass sich diese Leute sehr schwertun und Arbeitgeber ihnen in vielen Fällen keine Chance geben; das ist sehr mühsam, und in fast allen Fällen ist Unterstützung nötig – höher gelegt wird. Das haben wir mit dem Koalitionspartner vereinbart.
Wir haben darüber hinaus in den letzten Änderungen, die ich angesprochen habe, eine Evaluierung vorgesehen, die vorgezogen werden soll, weil wir das sehr genau beobachten wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Mindestlohn kommt wie versprochen: 8,50 Euro, flächendeckend und ohne jede Branchenausnahme. Davon profitieren fast 4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und, Kollegin Zimmermann, insbesondere sehr viele Frauen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Es profitieren nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch die Unternehmen – die redlichen Unternehmen nämlich, die beim Unterbietungswettbewerb auf dem Rücken der Menschen nicht mitmachen. Ich freue mich, dass wir das nun gegen alle Widerstände durchsetzen konnten.
Kolleginnen und Kollegen, ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Mit dem Tarifpaket beenden wir auch die Auswüchse bei der Generation Praktikum. Wir dulden nicht länger, dass sich gut ausgebildete und hochmotivierte junge Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung von Praktikum zu Praktikum – mies oder gar nicht bezahlt – hangeln müssen. Mit dem vorliegenden Gesetz verhindern wir Ausbeutung und ermöglichen doch weiterhin Qualifizierung und Orientierung während der Ausbildung. Auch dies ist eine sehr praxisnahe Lösung im Interesse der jungen Menschen.
Dazu zählt auch, dass es in Zukunft zu jedem Praktikum einen schriftlichen Vertrag gibt. Dort werden Ziele, Arbeitszeiten und vor allem Vergütung festgehalten. Damit stärken wir nicht nur die Rechte der Praktikantinnen und Praktikanten, sondern senden auch eine klare Botschaft aus: Wir brauchen unsere gut qualifizierten Nachwuchskräfte und anerkennen ihre Leistungen durch gute Arbeitsbedingungen auch bei Praktika.
(Beifall bei der SPD)
Das wird im Übrigen auch für die Praktikantinnen und Praktikanten des Deutschen Bundestages gelten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den vergangenen Wochen intensive Gespräche geführt, Präzisierungen vorgenommen und nicht wenige Angriffe auf den Mindestlohn abgewehrt. Ich bin sicher, wir haben eine Regelung gefunden, die für mehr Ordnung am Arbeitsmarkt sorgt, einen neuen Fairnessstandard setzt und sich in der Praxis bewähren wird.
Ich möchte an dieser Stelle all denjenigen danken, die über viele Jahre hinweg gegen große Widerstände für diesen Mindestlohn gekämpft haben. Sie alle können heute zu Recht stolz auf sich sein. Mein ganz besonderer Dank gilt unserer Ministerin Andrea Nahles, die dieses Gesetz mit uns gemeinsam mit viel Engagement, mit viel Herzblut und mit großer Ausdauer auf den Weg gebracht hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich bin sicher: Der Mindestlohn wird eine Erfolgsgeschichte. Er wird nicht nur knapp 4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen, er wird auch unserem Land guttun.
Danke fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Matthias Zimmer, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3594475 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 46 |
Tagesordnungspunkt | Einführung eines Mindestlohnes |