03.07.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 46 / Tagesordnungspunkt 4

Peter WeißCDU/CSU - Einführung eines Mindestlohnes

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Abschlussrede in dieser Debatte halten und freue mich darüber. Heute ist ein guter Tag; denn wir beenden heute eine große gesellschaftspolitische Debatte, deren klare Botschaft lautet: Wir wollen die Tarifautonomie in Deutschland stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ludwig Erhard, der Vater der sozialen Marktwirtschaft, der Vater des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg, hat damals ein eingängiges und bei den Leuten hochbeliebtes Motto ausgegeben: Wohlstand für alle! Wohlstand für alle ist für viele, für die große Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land, dadurch Wirklichkeit geworden, dass sie durch gute Tarifverträge und gute Löhne in angemessener Weise am wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes beteiligt wurden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir Ludwig Erhard mit seinem Motto „Wohlstand für alle“ noch einmal den Rücken stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

In der Öffentlichkeit ist vor allen Dingen das Thema „Mindestlohn“ bzw. das Thema „Ausnahmen vom Mindestlohn“ diskutiert worden. Die zentrale und wichtigste Botschaft dieses Gesetzentwurfs ist, dass wir Tarifverträgen, die zwischen starken Gewerkschaften und starken Arbeitgeberverbänden ausgehandelt werden, wieder zu mehr Geltung verhelfen, indem wir die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern und das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für alle Branchen öffnen, sodass jede Branche, in der es Arbeitgeber und Arbeitnehmer wollen, für sich eine eigene Mindestlohnregelung für allgemeinverbindlich erklären lassen kann, wie es bislang schon bei 14 Branchen in Deutschland der Fall ist, in der Regel übrigens mit einer unteren Lohngrenze, die über 8,50 Euro liegt.

Dass das, was wir vorhaben, nicht nur ein frommer Wunsch ist, sondern bereits Wirkung gezeigt hat, zeigen die folgenden Beispiele: In den vergangenen Legislaturperioden wurden hier mehrere Reden gehalten, in denen immer wieder ein Mindestlohn von 3,50 Euro für Friseure in Ostdeutschland angeführt worden ist.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 3,80 Euro!)

Das gibt es mittlerweile nicht mehr. Das Friseurhandwerk hat es geschafft, in Deutschland einen einheitlichen Tarifvertrag hinzubekommen. Das ist eine großartige Leistung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Im Umfeld des Bundestagswahlkampfes ist über skandalöse Verhältnisse bei der Entlohnung von Arbeiterinnen und Arbeitern in den großen fleischverarbeitenden Unternehmen unseres Landes diskutiert worden. Die Diskussion ist beendet. Wir haben vor wenigen Wochen einen Mindestlohn für das Fleischerhandwerk in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen. Das ist eine großartige Leistung der Tarifpartner.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

In diesen Tagen verhandeln Gewerkschaft und Arbeitgeber darüber, ob sie bundesweit die Lohnregelungen für das Hotel- und Gaststättengewerbe, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landwirtschaft und für das Bäckerhandwerk so ausgestalten, dass sie ebenfalls in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen werden können.

Mit unserem Gesetzentwurf stärken wir zuallererst die Tarifpartner. Hut ab vor den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden, die sich jetzt anstrengen, einen vernünftigen Tarif auf den Weg zu bringen und endlich Zustände zu beenden, in denen Tarife kaum noch oder gar nicht mehr Geltung haben!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Mindestlohn ist für uns kein Referenzlohn neuer Art, sondern eine untere Auffanglinie für all die Bereiche, in denen es leider nicht gelingt, einen Tarifvertrag abzuschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Sicherlich wäre es uns allen, zumindest uns in der Koalition, lieber, es gäbe überall einen gültigen Tarifvertrag und wir bräuchten keinen Mindestlohn. Der Mindestlohn ist ein Hilfsinstrument.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

In der Tat legen wir den Mindestlohn zum ersten Mal durch einen Beschluss des Bundestages auf 8,50 Euro fest. Wir haben uns aber – dafür bin ich sehr dankbar – in der Koalition darauf geeinigt, dass der Mindestlohn in Zukunft durch eine gemeinsame, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch besetzte Kommission festgelegt wird. Wir wollen, dass nicht wir im Deutschen Bundestag, sondern diejenigen, die etwas von Lohnfindung verstehen und deren tägliches Geschäft das ist, in Zukunft definieren, wie der Mindestlohn steigt. Das heißt, auch bei der Festlegung des Mindestlohns wählen wir einen Weg zur Stärkung der Sozialpartnerschaft. Die Gewerkschaften und die Arbeitgeber haben es künftig in der Hand, wie der Mindestlohn in Deutschland definiert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben der Kommission durch die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen noch zusätzliche Aufgaben übertragen, indem sie sich auch um die Evaluierung und die Auswertung der Evaluierung der Mindestlohnregelung kümmert, also sehr genau hinschaut und begründet, wie sich der Mindestlohn künftig entwickeln soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von vielen Wissenschaftlern in Deutschland wird immer die Frage gestellt, ob ein Mindestlohn zu einer sozialen Marktwirtschaft passt. Ich glaube, da liegt zum Teil ein Missverständnis vor. Soziale Marktwirtschaft ist in der Tat eine Wettbewerbsordnung, aber sie ist keine Wettbewerbsordnung für Lohndumping.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Es geht in der sozialen Marktwirtschaft nicht darum, dass der einen Vorteil hat, der den niedrigsten Lohn zahlt, sondern darum, dass sich derjenige mit seinem Produkt oder seiner Dienstleistung gut positioniert, der im Wettbewerb um gute Qualität, um gute Ideen, um gute Dienstleistungen, um mehr Kreativität antritt. Das ist Wettbewerb in der sozialen Marktwirtschaft. Es ist nicht ein Wettbewerb um Lohndumping; Lohndumping gehört nicht zur sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir einige Ausnahmen bzw. eine zweijährige Übergangsfrist vorsehen, dann bedeutet das nicht, dass wir am Prinzip einen Abstrich machen. Wir wollen vielmehr, dass auf dem Weg zu einem allgemeinen Mindestlohn in Deutschland alle Branchen und alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitgenommen werden. Es wäre schlimm, wenn die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns zum Verlust von Arbeitsplätzen und zur Zunahme von Schwarzarbeit führen würde. Deshalb finde ich die Debatte um die Ausnahmen auch reichlich daneben. Es geht uns nicht darum, dauerhaft Ausnahmen zu machen, sondern wir wollen sinnvolle Übergänge schaffen, damit in allen Bereichen in Deutschland die Menschen zu einem anständigen und angemessenen Lohn kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Bei den unter 18-Jährigen ist es auf Dauer!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, guter Lohn für gute Arbeit – das gehört für uns wesentlich zu einer sozialen Marktwirtschaft. Deshalb ist dieses Gesetz, das wir heute zur Stärkung der Tarifautonomie und zur Vermeidung von Lohndumping in Deutschland beschließen, ein Gesetz, mit dem wir die Ideen der sozialen Marktwirtschaft in unserem Land stärken. Ich freue mich, dass das deutsche Parlament diesem Gesetz, das ein Gesetz zur Stärkung der sozialen Marktwirtschaft, zur Stärkung der Sozialpartnerschaft und zur Stärkung der Tarifpartnerschaft ist, mit großer Mehrheit zustimmt. Heute ist ein guter Tag für unser Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3594514
Wahlperiode 18
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Einführung eines Mindestlohnes
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