03.07.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 46 / Tagesordnungspunkt 5

Saskia EskenSPD - Ausbau des schnellen Internets

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Wahlkreis Calw liegt im nördlichen Schwarzwald. Dieser wunderschöne, bei Touristen aus der ganzen Welt sehr beliebte Landstrich zeichnet sich aus durch dichte Wälder, durch Berge und verwinkelte Täler. Ich gebe es gerne zu: Ich genieße die Ruhe, wenn ich dorthin zurückkehre.

Doch das Arbeiten im Internet, die Recherche, die Kommunikation, die Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen und mit anderen, das ist oft sehr beschwerlich; denn schon für die ganz triviale Internetnutzung einer Bundestagsabgeordneten ist das Netz in vielen kleineren Orten in meiner Heimat nicht ausreichend.

Die Architekten, die Grafikdesigner, die kleinen Energieunternehmen oder die Krankenhäuser im ländlichen Raum können ein Lied singen von den wirtschaftlichen Auswirkungen der fehlenden oder zumindest unzureichenden Breitbandversorgung. Lange werden sie sich an solchen Standorten nicht halten können. Auch Einrichtungen, Schulen und Vereine sind auf schnelles und verlässliches Internet angewiesen. Ich stelle einmal die Frage in den Raum: Liegt die wirtschaftliche Stärke Deutschlands nicht auch in einer dezentralen Struktur, und wäre es nicht unsere Aufgabe, diese zu erhalten?

Nicht nur die Industrie und ihre besonderen Potenziale im Zuge einer sogenannten vierten industriellen Revolution verdienen unsere Aufmerksamkeit. Dies tun auch die beiden Sektoren, die in Deutschland die meisten und die zweitmeisten Arbeitsplätze hervorbringen. An erster Stelle steht hier die berühmte Wirtschaftsmacht von nebenan, also das Handwerk. An zweiter Stelle steht der Tourismus, der ohne ein schnelles, verlässliches und kostenfreies WLAN-Angebot in der Gunst der Gäste schnell ins Hintertreffen gerät.

Mit dem vorliegenden Antrag erneuern und konkretisieren wir das Ziel dieser Koalition, bis 2018 eine Versorgung aller deutschen Haushalte, aber auch Einrichtungen und Unternehmensstandorte mit 50 Megabit pro Sekunde zu erreichen. 50 Megabit pro Sekunde, das ist für eine ländliche Kommune wie die, von der ich gerade gesprochen habe und die gerade einmal über Übertragungsraten von 1 oder 2 Megabit pro Sekunde verfügt, ein recht ambitioniertes Ziel. Ich glaube, wir könnten uns eines großen Fortschritts rühmen, wenn wir diese Rate flächendeckend und verlässlich installiert haben.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich möchte nicht nur am Rande anmerken, dass dieses Ziel im internationalen Vergleich und bei der rasanten Zunahme auch der Anwendungsbereiche in digitaler Wirtschaft und Gesellschaft ganz sicher kein zu ambitioniertes Ziel ist. Für die datenintensive Wirtschaft ist eine Übertragungsleistung von 50 Megabit schon heute bei weitem nicht ausreichend.

Neben der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist der Breitbandausbau aber auch eine Grundbedingung dafür, dass alle Menschen im Land an der Wissens- und Informationsgesellschaft, am sozialen und am öffentlichen Leben und immer mehr übrigens auch an politischen Prozessen teilhaben können. Der Staat – diese Überzeugung teilen sicher alle in diesem Haus – ist dem Wohl seiner Bürger verpflichtet. Dazu gehört auch die Daseinsvorsorge. Deshalb kümmern wir uns darum, dass auf gut ausgebauten Straßen überall im Land Menschen fahren können und Güter transportiert werden können. Wir sorgen dafür, dass zu Hause und in der Fabrik das Licht brennt und dass morgens sauberes Wasser aus der Dusche kommt. Wir betreiben Bildungs- und Kultureinrichtungen überall im Land. Wenn Menschen krank sind, dann sorgen wir dafür, dass sie auch in der Fläche eine gute medizinische Versorgung vorfinden.

(Zuruf des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])

Ich bin vollkommen davon überzeugt: Aufgabe der Daseinsvorsorge ist es ebenso, allen Menschen überall im Land eine gute und zukunftsfähige Netzinfrastruktur zu bieten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die digitale Spaltung in besser versorgte und weniger oder gar nicht breitbandversorgte Wohnorte und Unternehmensstandorte muss überwunden werden. Jeder mussdieselben Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Teilhabe an Wirtschaft und Gesellschaft haben. Deshalb bin ich auch dankbar, dass dieser Antrag ein klares Bekenntnis zur Netzneutralität enthält.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Einschränkungen!)

Zur Netzneutralität werden wir noch einen Gesetzentwurf vorlegen. Entsprechende Regelungen sind selbstverständlich nicht Bestandteil dieses Antrags. Wir wollen mit diesem Antrag ja nicht die Welt retten; es geht hier um den Breitbandausbau.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, doch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der digitalen Bildung – diese Bemerkung mögen Sie mir als Bildungspolitikerin verzeihen – ist das schnelle Internet für alle eine weitere grundlegende Bedingung für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland. Weil Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen von den Chancen der Digitalisierung profitieren, sind sie auch gemeinsam für das Gelingen verantwortlich. Die Wirtschaft und die Politik im Bund, in den Ländern und in den Kommunen müssen sich also gemeinsam auf den Weg machen, um den Ausbau des schnellen Internets voranzubringen; das befördernde Element des Wettbewerbs ist schon angesprochen worden.

In einer idealen Welt würden wir dabei sicher von Anfang an jeden Haushalt, jeden Betrieb, jede Schule und jedes Rathaus mit Glasfaserkabeln ans schnelle Netz anbinden. Angesichts der finanziellen Begrenzungen können wir aber auf den Einsatz von Funklösungen zumindest im Übergang nicht verzichten, wenn wir die gesteckten Ziele bis 2018 erreichen wollen.

Ich möchte als Abgeordnete eines ländlichen Raums deutlich sagen: Gerade bei uns im ländlichen Raum – das weiß jeder, der auf der Fahrt durch den Schwarzwald schon einmal mobil telefoniert hat, selbstverständlich als Beifahrer –

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Aha! Keine Freisprecheinrichtung, Frau Kollegin?)

stoßen Funklösungen schnell an ihre natürlichen Grenzen. Wenn in einem solchen Funknetz nicht nur ich, sondern auch mein Nachbar größere Datenmengen laden und verarbeiten will, dann verkommt die versprochene hohe und stabile Übertragungsleistung schnell zur schönen Theorie. Deshalb müssen zu den Unterschieden zwischen vertraglich vereinbarter und tatsächlich zur Verfügung stehender Leistung bei Funklösungen klare, transparente Informationen auf den Tisch.

Langfristig muss in der ganzen Fläche des Landes der Ausbau des Glasfasernetzes vorangetrieben werden. Die vorbereitenden Arbeiten – das wissen wir –, insbesondere der Tiefbau, machen hier 90 Prozent der Kosten aus. Deswegen müssen die Arbeiten im Zuge einer Mitverlegungspflicht heute schon so ausgeführt werden, dass die Aufrüstung später erleichtert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Politik ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Vielerorts haben sich Kommunen – das wurde auch schon erwähnt – im Sinne der angesprochenen Daseinsvorsorge auf den Weg gemacht. Sie gründen Zweckverbände – es war die Rede von Genossenschaften und anderen Zusammenschlüssen –,um die Breitbandversorgung für ihre Bevölkerung und für die ansässige Wirtschaft zu verbessern. Insbesondere in der Fläche,

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Genau da!)

wo die Kosten pro Anschluss kaum refinanziert werden können, müssen wir die Kommunen dabei unterstützen.

Der bürokratische Aufwand für die Projektierung selbst – der Kollege hat es angesprochen –, aber auch für die Erlangung der unterschiedlichsten Fördermittel muss dabei vor allem für die Kommunen deutlich reduziert werden.

Einen erfolgreichen und schnellen Breitbandausbau werden wir nur auf den Weg bringen können, wenn auch die finanziellen Mittel dafür gewährleistet sind; der Punkt ist ebenfalls schon angesprochen worden. Basierend auf einer eher konservativen Kostenaufstellung haben wir deutlich gemacht – da waren sich alle Fachpolitiker einig –, dass für den anvisierten Breitbandausbau, den wir uns vorgenommen haben, pro Jahr mindestens 1 Milliarde Euro investiert werden müsste. Erwartet wird jetzt, dass durch die Versteigerung von freiwerdenden Funkfrequenzen einmalig rund 1 Milliarde Euro oder etwas mehr erzielt werden kann. Selbst wenn diese Einnahmen zu 100 Prozent in den Breitbandausbau gingen, wären wir von der notwendigen Bereitstellung von 1 Milliarde Euro pro Jahr weit entfernt. Ich möchte deshalb hier deutlich sagen: Wenn wir die Potenziale, die mit der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft verbunden sind, ausschöpfen wollen, wenn wir mit der internationalen Entwicklung Schritt halten wollen, dann muss der Bund bereit sein, künftige Haushaltsspielräume hierfür zu nutzen.

(Beifall bei der SPD)

Die Koalition muss hier auch ein Zeichen setzen: Investitionen in die digitale Infrastruktur sind prioritär. Zur Nutzung der sogenannten Digitalen Dividende II müssen Bund und Länder zu einer guten gemeinsamen Strategie zusammenfinden, um weitere Investitionsmittel für den Breitbandausbau freizumachen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschland ist ein modernes und ein wohlhabendes Land. Chancengleichheit, Innovation und eine starke Wirtschaft waren auf dem Weg dahin unsere Erfolgsmotoren, und das sollen sie auch bleiben. Um nicht einen Schritt zurück zu machen, sondern weiter nach vorn zu gehen, müssen wir uns für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft starkmachen, also für den Ausbau der Breitbandversorgung.

Frau Kollegin – –

Politik, Gesellschaft und Wirtschaft dürfen den vorliegenden Antrag deshalb durchaus als Auftrag verstehen, Deutschland zu einem – wie heißt es so schön? – modernen Land mit modernen Netzen zu machen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, wenn Sie noch eine Sekunde stehen bleiben würden. – Sie hatten die Zeit leicht überzogen. Das hatten Sie schon selbst gemerkt, und deswegen haben Sie einfach weitergesprochen, statt mir zuzuhören. Es gibt aber noch den Wunsch des Kollegen Behrens von der Linken, eine Frage zu stellen. Wenn Sie die noch zulassen, haben Sie Gelegenheit, präzise und kurz darauf zu antworten. Mögen Sie sie zulassen?

Ich lasse das zu. Bitte schön.

Bitte schön.

Vielen Dank, Kollegin Esken, dass Sie das noch zulassen! – Sie haben eben von Zeichen und auch von Geld gesprochen. Nun habe ich in einer Antwort des Ministeriums erfahren, wie es denn um die Finanzierung und den Einstieg in den Ausbau der Netze steht. In der Antwort wird uns mitgeteilt:

Ist das das Zeichen, von dem Sie sprechen, oder ist es schon das Geld, was zu erwarten ist?

(Martin Dörmann [SPD]: Das ist der bisherige Stand!)

Ich denke, dass es ein guter Anfang ist. Das ist der bisherige Stand. Ich habe von einer gemeinsamen Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gesprochen. Ich denke, wenn wir uns zusammentun, können wir das auch leisten.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Andreas Nick, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Guter Mann!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3594680
Wahlperiode 18
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Ausbau des schnellen Internets
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