Thomas de MaizièreCDU/CSU - Einstufung sicherer Herkunftsstaaten
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung einen Gesetzentwurf, der zwei wichtige Bestandteile hat, die Einstufung von drei Ländern als sichere Herkunftsstaaten und eine erleichterte Arbeitsaufnahmemöglichkeit für Asylbewerber.
Seit Aufhebung der Visumspflicht für Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien haben wir in Deutschland einen sprunghaften Anstieg der Zahl der Asylanträge aus diesen Ländern beobachtet. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum haben sich die Zahlen mehr als verdoppelt. Für das zweite Halbjahr 2014 ist nochmals eine deutliche Steigerung zu erwarten. Die Zahl der anerkannten Schutzbedürftigen bei den Angehörigen dieser Staaten liegt jedoch bei unter 1 Prozent. Die Aufhebung der Visumspflicht für diese Staaten war gedacht, damit Reiseverkehr entsteht, Handel entsteht, Wandel entsteht, Kontakte entstehen, aber die Aufhebung der Visumspflicht war nicht dazu gedacht, damit man ohne Visum hier Asyl beantragen kann.
Durch den vorliegenden Gesetzentwurf sollen aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten schneller bearbeitet und ihr Aufenthalt in Deutschland schneller beendet werden können. Bund, Länder und Kommunen können dadurch von erheblichen Kosten entlastet werden. Hinzu kommt, dass die hohe Zahl der letztlich erfolglosen Asylanträge aus den Westbalkanstaaten im Ergebnis zulasten der tatsächlich schutzbedürftigen Asylsuchenden geht. Wir können mehr Verfolgte aus Syrien aufnehmen, wenn weniger Nichtverfolgte zum Beispiel aus Serbien zu uns kommen. So einfach ist die Lage.
Die Anhörung im Deutschen Bundestag hat unsere Einschätzung bestätigt, dass diese drei Staaten als sichere Herkunftsstaaten angesehen werden können. Dort drohen weder Verfolgung noch Folter noch unmenschliche Behandlung. Das gilt auch in Bezug auf die Volksgruppe der Sinti und Roma. Die Anhörung hat ferner gezeigt – Herr Oppermann hat das in der Generaldebatte sehr überzeugend vorgetragen –: Das Asylrecht ist nicht der richtige Ort, der zweifellos schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Lage in bestimmten Herkunftsländern zu begegnen und die damit verbundenen Fragen zu lösen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die Sachverständigen haben auch deutlich gemacht, dass es sich bei diesem Gesetzentwurf um eine Regelung handelt, die die materielle Rechtsposition der betroffenen Asylbewerber nicht schmälert. Jeder Asylbewerber aus den drei Westbalkanstaaten hat die Chance, darzulegen, dass er abweichend von der allgemeinen Lage in dem als sicher dargestellten Herkunftsland in seinem konkreten Fall dennoch mit Verfolgung rechnen muss. Das kann vorgetragen werden und wird geprüft.
Deutschland folgt – ein wichtiger Punkt, ich habe schon darauf hingewiesen – mit diesem Gesetzentwurf dem Beispiel anderer, auch unterschiedlich politisch regierter Staaten, die diese drei Staaten längst zu sicheren Herkunftsländern erklärt haben: Belgien, Frankreich, Österreich, das Vereinigte Königreich.
Dieses Gesetz hat auch noch einen anderen Aspekt. Das Gesetz verkürzt die Wartefrist, nach der Asylbewerbern und Ausländern, die eine Duldung besitzen, die Ausübung einer Beschäftigung grundsätzlich erlaubt werden kann, auf nur noch drei Monate. Wir wollen durch verschiedene Bemühungen erreichen, dass die Asylverfahren im Durchschnitt nach drei Monaten abgeschlossen sind, sodass nach diesen drei Monaten klar ist, wer bleibt und wer nicht bleibt. Warum sollen denn diejenigen, die bleiben dürfen, nicht arbeiten dürfen, ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten, Beiträge und Steuern nicht zahlen und sich hier nicht integrieren? Die Verkürzung der Wartezeit ist richtig, und auch dafür bitte ich um Ihre Zustimmung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Gesetz ist zustimmungspflichtig. Das heißt, der Bundesrat muss diesem Gesetz zustimmen. Dazu gibt es Gespräche. Wir werden aufnahmebereit zuhören, was von einigen Ländern in diesen Gesprächen dazu vorgetragen wird, gegebenenfalls auch in einem Gesamtzusammenhang mit dem Thema Migration. Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten als solches kann aber nicht zur Disposition stehen. Es ist europäisches Recht. Ich sehe im Rat überhaupt keine politische Mehrheit, das zu ändern. Die Staats- und Regierungschefs haben in ihren Beschlüssen zum Post-Stockholm-Prozess, also zu ihren Vorhaben in der Innen- und Rechtspolitik in den nächsten fünf Jahren gesagt: Wir haben eine gemeinsame europäische Asylpolitik. Wir wollen sie jetzt einheitlich und solidarisch angewendet sehen, aber wir wollen sie nicht grundsätzlich ändern.
Unser Bundespräsident hat zu Beginn dieser Woche eine vielbeachtete Rede zum Flüchtlingsschutz gehalten.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Er hat Sie auch kritisiert!)
– Zunächst einmal hat er auf meinen Migrationshintergrund hingewiesen. Das ist das eine. – Über manches wird sicher noch zu reden sein, auch selbstkritisch, Frau Jelpke; das ist klar. Das werden wir tun. Das Thema „Flüchtlingsschutz/Asylbewerber“ bleibt uns in der ganzen Legislaturperiode im Zusammenhang mit dem Thema „Migration und Integration“ erhalten. Das ist so. Daran gibt es gar keinen Zweifel.
Der Bundespräsident forderte aber auch – ich zitiere ihn –, „die Verfahren für die Flüchtlinge gerechter und effektiver zu gestalten“. Ferner sagte er:
Er beendete diesen Gedanken mit dem Satz:
Darum geht es.
Ich meine, dass wir mit diesem Gesetz einen maßvollen und vernünftigen Beitrag dazu leisten, dass wir in unserer gesamten Gesellschaft eine solche Solidarität leben können und die Aufnahmebereitschaft der deutschen Bevölkerung, die sehr groß ist, für die wirklich politisch Verfolgten erhalten können. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ulla Jelpke ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3595301 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 46 |
Tagesordnungspunkt | Einstufung sicherer Herkunftsstaaten |