Stephan MayerCDU/CSU - Staatsangehörigkeitsgesetz
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir setzen mit dem Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts den Koalitionsvertrag um. Auch wenn dieses Gesetz – ich möchte das gar nicht negieren – nicht der innigste Wunsch der Unionsfraktion war und ist, auch wenn es uns kein Herzensanliegen war und ist, möchte ich schon betonen: Wir verabschieden heute ein gutes, ein zukunftsweisendes Gesetz.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Murks ist das!)
Ich möchte ganz klar festhalten: Es bleibt beim Grundsatz der Optionspflicht. Es bleibt auch beim richtigen Grundsatz der Vermeidung der doppelten Staatsangehörigkeit. Es wird allen Unkenrufen zum Trotz auch in Zukunft in Deutschland keinen generellen Doppelpass geben.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts mit Abschaffung!)
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte klar herausstreichen: Die Staatsbürgerschaft ist keine Vereinsmitgliedschaft, die man schnell annimmt und auch schnell wieder aufgibt.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Rüdiger Veit [SPD]: Das hat niemand gesagt!)
Mit der Staatsangehörigkeit wird ein intensives Band zwischen dem Staat und dem Bürger vermittelt. Ich verstehe das, um es klar festzuhalten, nicht als ein Unter- und Oberordnungsverhältnis. Ich sehe dies gleichrangig. Natürlich impliziert die Staatsangehörigkeit klare Rechte, aber auch klare Pflichten. Deshalb ist sie ein hohes Gut, vielleicht mit das höchste Gut, das ein Staat ausreichen kann.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte auch betonen: Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht hat sich bewährt. Wir haben in den letzten Legislaturperioden häufig über das Thema Staatsangehörigkeit debattiert. Ich und viele andere Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU haben deutlich gemacht, dass wir das Ausreichen der deutschen Staatsangehörigkeit ganz eindeutig an klare Integrationsvoraussetzungen knüpfen. Es kann nicht sein, dass jemand, ohne dass er nachweist, in Deutschland integriert zu sein, die deutsche Staatsangehörigkeit bekommt.
Ich bin der festen Überzeugung: Die mit diesem Gesetz vorgelegten Änderungen, in denen die Bedingungen dafür genannt werden, wie man von der Optionspflicht ausgenommen werden kann, sind aus meiner Sicht mehr als ein Indiz dafür, dass die betreffenden Personen in Deutschland integriert sind. Wenn jemand mindestens acht Jahre in Deutschland lebt, wenn jemand mindestens sechs Jahre in Deutschland die Schule besucht hat, wenn jemand in Deutschland erfolgreich die Schule oder eine Berufsausbildung absolviert hat, dann sind das ganz klare Hinweise darauf, dass diese Person in Deutschland angekommen ist, dass sie in Deutschland beheimatet ist und dass sie in Deutschland integriert ist.
Mit diesem Gesetz machen wir guten Gewissens deutlich, dass wir den Koalitionsvertrag in seinem eigentlichen Sinn umsetzen: Wir werden die Optionspflicht für die Personen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, abschaffen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich bin der Überzeugung, dass dieses Gesetz integrationspolitisch eine sinnvolle Maßnahme ist. Ich knüpfe die Hoffnung daran, dass es auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland stärkt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion oder auch von den Grünen, es handelt sich beileibe nicht um ein Bürokratiemonster. Ich verstehe die Aufregung nicht.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 40 000 Verfahren für 400 Fälle! Das ist doch absurd!)
Es ist doch ganz einfach: Wenn jemand in Deutschland erfolgreich die Schule abgeschlossen hat, dann braucht er nur das Schulabschlusszeugnis an die Ausländerbehörde zu schicken. Damit wird er von der Optionspflicht befreit und hört nie mehr etwas vom Staat.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das Gesetz nicht gelesen! Erst einmal prüft das Ausländeramt, ob die Meldebescheinigung vorliegt! Ein Teil der Meldedaten ist gar nicht vorhanden, wenn die Leute hierher gezogen sind!)
Wenn jemand erfolgreich seine Berufsausbildung abgeschlossen hat, muss er nur sein Abschlusszeugnis an die Ausländerbehörde schicken, und er hört von den Ausländerbehörden nie mehr etwas.
(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie einmal Ihr Gesetz!)
Was hat denn das mit Bürokratie zu tun?
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie Ihren Gesetzentwurf! Wo waren Sie eigentlich während der Anhörung?)
Mit diesem Gesetz wird vermieden, dass jemand, der zum Beispiel im dritten oder vierten Lebensjahr mit seinen Eltern Deutschland verlässt und in die Türkei zieht, auch von der Integrationspflicht ausgenommen wird.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder zum Beispiel nach Frankreich oder nach Österreich!)
– Herr Kollege Beck, vielleicht zu Ihrem Beispiel vom Willi aus Köln-Ehrenfeld und vom José.
(Lachen des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Veli heißt der! Der Willi, das ist der Ostermann! Der hat damals die Karnevalslieder gemacht! Der Veli ist aus der Türkei!)
Was ich nicht verstehe, Herr Kollege Beck: Sie haben mit Ihrer Aussage sogar impliziert, dass Sie dem José gerne die deutsche Staatsangehörigkeit nehmen würden.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, aber ich will den Veli nicht schlechter behandeln! Das ist ethnische Diskriminierung, was Sie hier machen!)
Wir wollen dies aber nicht: Ihr Freund aus Köln-Ehrenfeld wird auch mit diesem Gesetz beide Staatsangehörigkeiten behalten können.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht, wenn er in Frankreich ist!)
Ich sage Ihnen zu. Wir haben eine Härtefallklausel in das Gesetz eingebaut. Ich gehe davon aus, dass die Länder sehr vernünftig und auch sehr weitsichtig mit dieser Härtefallklausel umgehen werden.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn der Gesetzgeber alles, was er regeln müsste, in die Härtefallklausel schreibt!)
Ich bin mir sehr sicher, Herr Kollege Beck, dass der von Ihnen geschilderte Fall unter die Härtefallregelung fällt,
(Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
was im konkreten Fall dazu führt, dass Ihr Freund beide Staatsangehörigkeiten behalten kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir beenden mit dieser heutigen Debatte eine langjährige Diskussion über unser Staatsangehörigkeitsrecht. Es ist schon erwähnt worden: Es fällt dem einen oder anderen Kollegen seitens der CDU/CSU mit Sicherheit nicht leicht, diesem Gesetz zuzustimmen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind genügend Leute da, dann können sie rausgehen!)
Herr Minister de Maizière hat schon darauf hingewiesen: Mit diesem Gesetz sind Wahlkämpfe geführt worden. Es sind Landesregierungen gewählt oder abgewählt worden. Ich bin der Überzeugung: Von diesem Gesetz wird eine Befriedungswirkung für unser Land ausgehen. Ich glaube auch, dass dieses Gesetz den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland Rechnung trägt. Deswegen können wir diesem Gesetz guten Gewissens zustimmen. Es ist ein zukunftsweisendes, modernes Staatsangehörigkeitsgesetz, und ich bitte herzlich um Ihre Zustimmung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Mayer. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Frau Staatsministerin Aydan Özoguz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche einmal, das zusammenzufassen: Deutschlands Kinder, die mit ihrer Geburt zwei Pässe haben, behalten diese zukünftig in den allermeisten Fällen, müssen ihre Herkunft auch nicht mehr verleugnen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die behalten sie nicht, die haben sie schon!)
Das heißt, genau zehn Jahre nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes bekennt sich Deutschland zu den Kindern seiner Einwanderer mit ihren Herkünften. Das ist ein sehr schöner Befund.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann können Sie es ja vorbehaltlos abschaffen!)
Ich kann Kritik sehr gut verstehen. Ich höre auch sehr genau zu. Man zählt die Nachteile, die durch die Optionspflicht entstehen, die einmal gemeinsam beschlossen wurde, auf – das sind eventuell die Ausnahmen, die noch bestehen bleiben – und übersieht vollkommen, dass Hunderttausende Kinder und Jugendliche – die Zahlen sind gerade genannt worden –, die schon geboren sind, von diesem neuen Gesetz profitieren werden,
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe doch vom Abschmelzen gesprochen! – Rüdiger Veit [SPD]: Jedenfalls über 300 000!)
von dieser belastenden Entscheidung befreit werden und sich im wahrsten Sinne des Wortes in einem Deutschland befinden, das sagt: „Ja, du gehörst hierher,
(Beifall bei der SPD)
du bist deutsch, und du bist noch etwas anderes.“ Das kann man doch nicht kritisieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Natürlich kann man das kritisieren! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir kritisieren, dass Sie es nicht ganz abschaffen! Das war noch gnädig im Vergleich zu Frau Dagdelen!)
Ich finde auch, dass wir den Streit um das Wort „Aufwachsen“ gut gelöst haben. Denn tatsächlich, wir hätten mehr gewollt – das kann man nicht oft genug wiederholen –, und die Unionsfraktionen hätten etwas anderes gewollt. Auch das ist kein Geheimnis.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind die Bundesregierung, Sie haben gar nichts zu wollen!)
Wir haben uns darauf geeinigt, zu sagen: Wenn jemand acht Jahre hier ist – Entschuldigung, es sind doch fast alle acht Jahre hier; es gibt wenige Ausnahmen –, wenn jemand seinen Schulabschluss oder seinen Berufsausbildungsabschluss hier gemacht hat, dann gilt diese Regelung, die wir heute gemeinsam treffen, ab jetzt. Das ist doch ein gutes Signal, welches wir an die deutsche Jugend mit zwei Pässen und alle anderen senden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie auf, das schönzureden! Es ist Murks und bleibt Murks!)
Die Härtefallregelung gibt es auch noch. Sie ist ja gerade für solche Fälle gedacht, die wir uns heute nicht alle überlegen können. Diese Jugendlichen können dann zeigen: Ich habe einen Bezug zu Deutschland, ich bin hier genauso verwurzelt. Ich finde, das Staatsangehörigkeitsrecht wird ein Stück gerechter. Es hat mit Identität zu tun, mit Verwurzelung, nicht mit dem Herkunftsland, aus dem jemand kommt. Danach haben wir ja bisher unterschieden. Wir werden allen jungen Menschen, die jetzt so gebannt darauf warten, dass wir das endlich umsetzen, dass sie endlich eben nicht mehr diese Angst haben müssen, diese Angst nehmen, das Gesetz jetzt umsetzen und nicht sagen: Lieber gar nichts, wenn man nicht 100 Prozent und alles bekommt.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Richtig wäre, den Murks ganz abzuschaffen!)
Danke, Frau Kollegin. – Bevor ich dem Kollegen Helmut Brandt das Wort gebe, bitte ich die anderen Kolleginnen und Kollegen, den letzten zwei Rednern in dieser Debatte noch zuzuhören. Sie haben es definitiv verdient. – Helmut Brandt für die CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt der Integrationsexperte!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3595400 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 46 |
Tagesordnungspunkt | Staatsangehörigkeitsgesetz |