Josip JuratovicSPD - Staatsangehörigkeitsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Gesetzentwurf beenden wir eine entwürdigende Situation.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie beenden gar nichts!)
Bisher waren hier geborene Kinder ausländischer Eltern Deutsche unter Vorbehalt; das hatten wir der Kampagne von Roland Koch aus dem Jahre 1999 zu verdanken. Dieser Vorbehalt ist nun weg.
(Beifall bei der SPD)
Ein hier geborenes Kind, das hier aufwächst, ist nun ein Deutscher.
Kolleginnen und Kollegen, ich will nicht verhehlen, dass wir als SPD mehr anstreben. Da denke ich vor allem an die erste Generation der Einwanderer nichtdeutscher Herkunft. Diese Generation, die sogenannten Gastarbeiter, bleiben in der aktuellen Debatte leider unbeachtet.
Warum wollen wir für sie die generelle Akzeptanz von Mehrstaatlichkeit? Weil es einfach zur Redlichkeit gehört. Diese Menschen haben ihre Lebensleistung zum größten Teil hierzulande erbracht. Diese Menschen haben unser Land unter schweren Bedingungen mit aufgebaut.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung des Kollegen Beck?
Herr Beck, Sie haben schon viel geredet.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich möchte Ihnen wirklich eine Frage stellen!)
Moment! – Erlauben Sie das?
Ja, bitte.
Gut. – Kollege Beck.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der Kollege Beck redet ja schon die ganze Zeit!)
Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, weil mich die Rede des Kollegen Brandt verwirrt hat, was wir denn jetzt beschließen.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Dass Sie verwirrt sind, glaube ich Ihnen sofort!)
Herr Brandt hat gerade erklärt, Abschlüsse an deutschen Auslandsschulen führten zur Optionspflicht. Das Bundesinnenministerium hat auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion geantwortet, dies könne ein Fall für die Härtefallregelung sein. Damit das Hohe Haus weiß, was es tut, wenn es diesen Gesetzentwurf jetzt verabschiedet – in ihm steht ja nicht, was in diesem Fall gilt –, würde ich gerne von Ihnen, sozusagen koalitionsamtlich, eine Auslegungsentscheidung hören.
Herr Beck, ich gehe davon aus, dass Sie den Gesetzentwurf und die Beschlussempfehlung gelesen haben. Ich möchte jetzt keine langen Erklärungen vortragen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen es also auch nicht? Ein sehr gutes Gesetz ist das!)
– Ich weiß es sehr wohl.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Fall für die Härtefallklausel!)
Ich wiederhole: Warum wollen wir die generelle Akzeptanz von Mehrstaatlichkeit? Weil es einfach zur Redlichkeit gehört. Diese Menschen haben ihre Lebensleistung zum größten Teil hierzulande erbracht. Diese Menschen haben unser Land unter schweren Bedingungen mit aufgebaut und es zu dem gemacht, was es heute ist: eine starke Wirtschaftsmacht. Diese Menschen haben sich auch im Vereinsleben in unseren Städten und Gemeinden engagiert und damit zu einer Gesellschaft beigetragen, um die wir weltweit beneidet und für die wir respektiert werden. Wie loyal, Herr Minister, muss ein Mensch noch sein? Ich meine, es wäre nur redlich, dass wir den emotional berechtigten Anspruch dieser Menschen auf Respekt und Anerkennung würdigen, indem wir zu ihnen sagen: Du gehörst dazu, ohne dass du deine Herkunft verleugnen musst.
(Beifall bei der SPD)
Kolleginnen und Kollegen, als Integrationsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion betrachte ich Integration als einen Prozess auf dem Weg zur Identifikation mit der Vielfalt in unserem Land – sowohl aufseiten der Einwanderer als auch aufseiten der aufnehmenden Gesellschaft. Vielfalt ist dabei nicht Beliebigkeit, sondern muss in unseren grundgesetzlichen Werten eingerahmt sein. Deshalb ist es für mich nicht wichtig, wie viele Pässe jemand in der Hosentasche hat. Es ist für mich vielmehr entscheidend, was er im Herzen trägt. Für mich reicht auch gegenseitige Toleranz nicht aus. Deutschland muss auf gegenseitiger Empathie, Achtung und Respekt aufgebaut sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der vor uns liegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiss, für den ich mich bei unserem Koalitionspartner trotz einiger Bedenkenträger bedanken möchte. Den Bedenkenträgern möchte ich sagen: Wir sollten die Fenster in diesem Haus einmal öffnen und nach draußen schauen. Sie werden sehen, dass uns die Realität in Deutschland längst überholt hat. Seit Roland Koch ist viel passiert.
Deutschland ist seit 2005 offiziell ein Einwanderungsland. 50 Prozent der Zuwanderer haben bereits mehrere Pässe. Die internationale Vielfalt ist aus unserer Wirtschaft, Kunst und Kultur nicht mehr wegzudenken.
(Unruhe)
Ich bitte Sie, dem Kollegen zuzuhören. Er versteht fast sein eigenes Wort nicht mehr. Wir können die Debatte auch unterbrechen, wenn Sie wichtigere Dinge zu besprechen haben. Ansonsten hören Sie dem Kollegen jetzt bitte die letzten 30 Sekunden zu.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Danke, Frau Präsidentin. – Wir feiern und identifizieren uns mit unserer Nationalmannschaft, in der längst nicht mehr die Herkunft zählt, sondern die Qualitäten und Fähigkeiten.
Diese Realität müssen wir in Gesetzen abbilden, die helfen, dass sich alle Menschen in unserem Land als Bürgerinnen und Bürger mit einem Deutschland der Vielfalt identifizieren. Die wachsende Vielfalt Deutschlands wird mit diesem Gesetzentwurf einmal mehr als Wert anerkannt. Es ist ein weiterer Schritt zu mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt in unserem Land.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3595439 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 46 |
Tagesordnungspunkt | Staatsangehörigkeitsgesetz |