Hiltrud LotzeSPD - 100 Jahre Erster Weltkrieg
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste auf der Besuchertribüne! Wir haben heute bei der Gedenkstunde aus Anlass des 100. Jahrestages des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs Alfred Grosser gehört. Er hat den Ersten Weltkrieg und seine Folgen sehr differenziert beleuchtet, und das war dem Anlass angemessen.
Der Antrag der Linken wird dem Anlass nicht gerecht.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Also keine Tafel! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Welchem Anlass?)
– Dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg. – Er missbraucht das Gedenken an den Ersten Weltkrieg für parteipolitische Motive, indem er uns, den Bundestag, auffordert, alleine Karl Liebknecht mit einer Gedenktafel zu ehren.
Die Kolleginnen und Kollegen der Linken nehmen in ihrem Antrag eine Wahrheitsgewissheit für sich in Anspruch, die nicht zur Realität passt.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihr so leicht dahingeworfenes Urteil über die Schuld der wirtschaftlichen Eliten des deutschen Kaiserreiches und seiner politischen und militärischen Führung, wie es im Antrag heißt, blendet die Wirklichkeit des Jahres 1914 aus.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ach so! Da sind wir aber gespannt!)
Sie ignorieren die Ergebnisse neuerer historischer Forschungen zu Ursache und Verlauf des Krieges, und Sie ignorieren vor allen Dingen auch die öffentliche Debatte, die gerade in diesem Jahr sehr differenziert geführt wird. Sie ignorieren letztendlich auch die vielen Begegnungen auf verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Ebenen zwischen Menschen, die sich vergeben wollen und die der Opfer des Krieges gedenken.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Also so was!)
Wir wissen heute, dass die Katastrophe Erster Weltkrieg nicht nach einem einfachen Muster erklärt werden kann.
(Lachen des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
Tiefes Misstrauen unter den europäischen Großmächten und verhängnisvolle politische Fehleinschätzungen, das Versagen der Eliten und das Versagen der Demokratie führten letztendlich zum Krieg.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Welche Demokratie denn? – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die kaiserliche Demokratie?)
Fakt ist: Es gibt unter den Historikern im Jahr 2014 keinen Konsens über die Schuldfrage. Ich will diese Debatte hier auch gar nicht führen; der sogenannte Historikerstreit zeigt, wie komplex diese Frage ist.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Waren Sie im Plenum heute Morgen?)
Aber trotz der neueren Forschungen: Die Verantwortung, die Deutschland für diese Katastrophe trägt, ist auch für die SPD unbestritten. Es ist für uns eine historische Verantwortung und auch ein politisches Vermächtnis. Das macht letztendlich die Idee eines Friedensraumes Europa so faszinierend und so wichtig für uns.
Wenn es so ist, dass wir uns alle der deutschen Verantwortung für den Ersten Weltkrieg, dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, bewusst sind, und wenn wir uns vor allen Dingen der Lehren bewusst sind, die wir aus dieser Katastrophe ziehen müssen, kann der Beitrag des Bundestages dann darin bestehen, eine Gedenkplakette für eine Person an die Wand zu nageln?
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: „An die Wand zu nageln“?)
Ich meine das nicht despektierlich, Gedenktafeln sind absolut notwendig für unsere Erinnerung.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja, die werden auch nicht an die Wand genagelt!)
Ich meine nur, dass wir damit der Komplexität und der Bedeutung dieses Themas nicht gerecht werden. Das weiß auch die Linke, und dennoch hat sie diesen Showantrag hier eingebracht, dessen Absicht doch sehr durchsichtig ist.
(Zuruf von der LINKEN: Das ist ernst gemeint! Todernst!)
Jeder hier weiß doch, dass Sie mit Ihrem Antrag – Sie haben es auch in Ihrer Einführung gesagt –, den damaligen SPD-Politiker und späteren Gründer der KPD, Karl Liebknecht, zu ehren, gleichzeitig auf die schwierige Rolle der SPD in den Jahren 1914 ff. verweisen wollen, weil die SPD 1914 im sogenannten Burgfrieden den Kriegskrediten zugestimmt hat.
Ich sage: Ihr Antrag ist ein vergifteter Antrag.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Unser Antrag ist richtig!)
Es ist unwürdig, an so einem Tag – wir haben heute Morgen in einer sehr ehrenvollen Gedenkstunde an den Ersten Weltkrieg erinnert und seiner Opfern gedacht – solch eine Nummer abzuziehen, wie Sie das mit Ihrem Antrag tun.
(Zuruf von der LINKEN: Sie sollten sich einmal Ihre Wortwahl überlegen!)
Nein, wir sind überzeugt davon, dass Europa im Mittelpunkt des Gedenkens stehen muss; denn Europa ist die Antwort auf die Frage nach Frieden. Deutschland kann sich keine autistische Erinnerung und auch keine autistische Weltsicht leisten, und schon gar nicht eine rein parteipolitisch ausgerichtete, wie die Linke es mit ihrem Antrag macht.
Ich bin sehr froh, dass wir mit Frank-Walter Steinmeier einen Außenminister haben, der sich mit diplomatischen Mitteln unermüdlich für eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts einsetzt.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Der Außenminister hat Ihre Rede nicht verdient!)
Er leistet damit einen wesentlichen Beitrag dazu, dass es in Europa nie wieder Krieg gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Karl Liebknecht war ohne Zweifel ein Politiker, der eine einmalige Weitsicht auf die Ereignisse seiner Zeit hatte. Er war mutig, und er war unbeirrbar, und er musste für seine Überzeugungen mit seinem Leben zahlen. Das ist zu würdigen. Nicht ohne Grund haben Sie Ihre Parteizentrale nach ihm benannt. Dort ist dann auch der richtige Ort für eine Gedenktafel, die an diese mutigen Leistungen von Karl Liebknecht erinnert.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als Nächste spricht die Kollegin Julia Bartz, CDU/ CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3595837 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 46 |
Tagesordnungspunkt | 100 Jahre Erster Weltkrieg |