Gabriele FograscherSPD - Erkenntnisse des NSU-Untersuchungsausschusses
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im November 2011 sind die schrecklichen Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds bekannt geworden. Wir alle waren schockiert. Keiner von uns hätte es für möglich gehalten, dass eine rechtsextreme terroristische Vereinigung über Jahre hinweg in Deutschland morden kann, Sprengstoffanschläge verüben kann, Straftaten begehen kann. Wir haben uns alle die Frage gestellt, wie das möglich war. Warum hat die Polizei bis heute die Taten nicht vollständig aufklären können? Warum hatte der Verfassungsschutz keine Erkenntnisse? Warum wurde ein rechtsextremistischer Hintergrund nicht in Erwägung gezogen?
Der Untersuchungsausschuss, den ja alle Fraktionen gemeinsam eingesetzt haben, hat eklatante Fehler der Sicherheitsbehörden offenbart. Die gewonnenen Erkenntnisse haben im Abschlussbericht zu gemeinsamen Empfehlungen geführt – 47 an der Zahl; wir haben es schon gehört –, sich unter anderem mit der künftigen Struktur der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden, ihren Befugnissen und ihrer Qualifizierung, der effektiven Bekämpfung des Rechtsextremismus und der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, der kontinuierlichen Demokratieförderung, der Erweiterung der Bundesförderung und der Verstetigung der Bundesprogramme zu befassen.
Trotz des Bundestagswahlkampfes 2013 ist es uns gelungen, uns auf diese gemeinsamen Empfehlungen und Maßnahmen zu verständigen. Dies war und ist ein Signal an die Opfer, die Angehörigen, die Öffentlichkeit, die Behörden und die Institutionen. Wir waren uns auch alle einig, dass sich dieses Thema nicht zur parteipolitischen Profilierung oder zu parteipolitischen Alleingängen eignet.
Es ist das gute Recht und die Aufgabe der Opposition, die Regierung zu kontrollieren, zu treiben oder auf Versäumnisse hinzuweisen. Aber – den Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen – mit dem Antrag, den Sie uns heute hier vorlegen, kündigen Sie auch ein Stück weit diesen gemeinsamen Konsens auf. Mit Ihrem Antrag unterstellen Sie uns Untätigkeit. Das weise ich entschieden zurück. Sie behaupten in Ihrem Antrag, es hätte kein Wort der Entschuldigung oder des Bedauerns an die Opfer und die Angehörigen gegeben. Auch das ist nicht richtig. Es gäbe viele Beispiele dafür. Ich verweise auf den Besuch des Bundespräsidenten vor wenigen Wochen in der Kölner Keupstraße. Er hat dabei den Opfern und Angehörigen versichert, dass wir alle zusammengehören. Er sagte:
Auch wir hier im Deutschen Bundestag sind nicht untätig gewesen. Wir haben diesen Beschluss aus der letzten Legislaturperiode im Februar 2014 nochmals bekräftigt. Wir werden die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums verändern. Wir geben uns nicht mehr mit dem zufrieden, was die Dienste uns erzählen wollen. Wir haben uns ein Arbeitsprogramm gegeben, für das auch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Wir werden uns in nächster Zeit unter anderem mit folgenden Fragen befassen: Wie ist der Stand bei der Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses? Wie verhält es sich mit dem Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene? Welche Maßnahmen ergreift der Militärische Abschirmdienst, um extremistische Einstellungen und Bestrebungen von Bundeswehrangehörigen aufzudecken? Wir wollen die Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit den ausländischen Nachrichtendiensten näher untersuchen.
Auch was die Stärkung der Zivilgesellschaft angeht, haben wir gehandelt. Als nahezu erste Amtshandlung haben Bundesfamilienministerin Schwesig und Bundesinnenminister de Maizière die sogenannte Extremismusklausel abgeschafft, ein wichtiges Signal für Initiativen und an die Zivilgesellschaft. Für das neue, ab dem 1. Januar 2015 geltende Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ stehen 30,5 Millionen Euro zur Verfügung. Dabei möchte ich betonen – das war uns immer ganz wichtig –, dass Strukturprojekte ab dem nächsten Jahr mit einer Laufzeit von fünf Jahren planen können. Die mobilen Beratungsteams und die Opferberatung werden gestärkt.
Aber das ist nicht das einzige Programm, das wir haben: Vom Bundesinnenministerium gibt es das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“; es ist mit 6 Millionen Euro ausgestattet. Die Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung haben wir in der vergangenen Woche für das Haushaltsjahr 2014 erheblich aufgestockt. Das Bundesprogramm Xenos des Bundesarbeitsministeriums hilft jungen Menschen beim Ausstieg aus der rechten Szene. Auch wenn wir die Marke von 50 Millionen Euro, die wir von der SPD angepeilt haben, noch nicht erreicht haben, stehen dennoch mehr Mittel zur Verfügung als bei der Vorgängerregierung.
Wir werden den Verfassungsschutz reformieren. Da sind wir unterschiedlicher Meinung; denn unsere Auffassung ist: Wir brauchen den Verfassungsschutz. Wir werden mit den Verfassungsschutzämtern der Länder Gespräche über eine bessere und effektivere Zusammenarbeit führen.
Mir und uns allen ist klar, dass es noch viel zu tun gibt; aber Untätigkeit kann man uns auch nicht vorwerfen. Was allerdings Zeit und Ideen braucht, ist das notwendige Umdenken in den Köpfen; damit beziehe ich mich sowohl auf die Sicherheitsbehörden als auch auf die Gesellschaft. Hier müssen wir Aufklärungsarbeit leisten und Sensibilität schaffen; dabei sind wir alle gefordert. Lassen Sie uns auf diesem gemeinsamen Weg weitergehen. Parteipolitische Alleingänge sind dabei der falsche Ansatz.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Danke, Frau Kollegin Fograscher. – Zum Abschluss spricht als letzter Redner in der Debatte Dr. Volker Ullrich, Augsburg.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3595932 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 46 |
Tagesordnungspunkt | Erkenntnisse des NSU-Untersuchungsausschusses |