04.07.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 47 / Tagesordnungspunkt 27

Jens KoeppenCDU/CSU - Verstromung von Kohle

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer wenn wir über den Kohleausstieg reden – alle Monate wieder –,dann geht es sehr emotional zu. Aus meiner Sicht ist das verständlich. Sie von den Grünen sind mit Ihren Anträgen immer sehr beharrlich und sehr konsequent.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das nötigt mir natürlich Respekt ab. Allerdings sind Sie immer auch sehr dogmatisch. Deswegen müssen Sie damit rechnen, dass wir Ihre Anträge beharrlich und konsequent zurückweisen, weil Ihre Anträge keiner wirklich sachlichen Betrachtung standhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie lehnen doch sowieso jeden Antrag von uns ab!)

Wir wollen ruhig und sachlich,

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind wir!)

aber auch ein bisschen emotional antworten. Eigentlich ist es schade, dass wir jetzt, am letzten Sitzungstag vor der Sommerpause, noch einmal anderthalb Stunden lang darüber reden müssen. Wir haben in Plenarsitzungen, in Ausschusssitzungen und in AG-Sitzungen darüber gesprochen, und immer wieder wurde dasselbe thematisiert und wurden dieselben Anträge gestellt.

Die Geschichte ist eigentlich sehr schnell erzählt: Der überstürzte Ausstieg aus der Kohleverstromung – das haben letztendlich alle Redner gesagt – ist derzeit nicht machbar, jedenfalls nicht ohne größere volkswirtschaftliche Risiken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Zur Historie gehört auch – auch das haben alle gesagt –, dass es einen politischen Beschluss gibt, aus der Kernenergieerzeugung auszusteigen. Wir haben noch nicht beschlossen, aus der Kernenergienutzung auszusteigen, aber wir haben beschlossen, aus der Kernenergieerzeugung auszusteigen. Im Jahr 2003 betrug der Anteil des Stroms aus Kernenergie noch 27 Prozent, im Jahr 2013 15 Prozent. Auch diese 15 Prozent weiter zurückzufahren und damit weiter auszusteigen, ist kein Thema. Gleichzeitig überstürzt aus der Kohleverstromung auszusteigen – das haben alle Redner gesagt –, wäre aber energiepolitischer und volkswirtschaftlicher Harakiri. Nahezu jede zweite Kilowattstunde, Frau Baerbock, wird durch Kohleverstromung erzeugt. 2003 waren es noch 50 Prozent, 2013 waren es 45 Prozent, und jetzt sind es noch etwas über 40 Prozent.

Wir sollten uns eigentlich das Thema der erneuerbaren Energien vornehmen, anstatt an den anderen Themen herumzudaddeln; denn der Ausbau der erneuerbaren Energien ist eine Erfolgsgeschichte. 2003 betrug der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien 7,5 Prozent, und jetzt sind es 25 Prozent. Das ist ein Erfolg. Lassen Sie uns doch darüber reden. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir auf diesem Gebiet weiterkommen können, um dann synchron aussteigen zu können.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bremsen Sie gerade ab! Also, Herr Koeppen!)

Zu glauben, den 45-prozentigen Anteil der Kohle heutzutage durch Gas ersetzen zu können, und das schnell, ist aus meiner Sicht schlicht und ergreifend naiv.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen ein Fahrplan! Schrittweise!)

Ich jedenfalls möchte nicht, dass wir in Abhängigkeit von unsicheren Gaslieferanten geraten, von Staaten wie – das kann man ruhig sagen – Russland. Ich möchte keine nationale Klima- und Umweltpolitik. Sie wollen keine Kohleverstromung in Deutschland. Sie wollen natürlich auch kein Fracking in Deutschland. Sie wollen keine CCS-Technologie in Deutschland. Aber ist es denn sinnvoll, fossile Energien im Ausland zu fördern und in Deutschland zu verbrennen? Das ist doch auch kein Weg.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie denn Fracking?)

Eine rein nationale Orientierung – das ist klar – ist nicht sinnvoll. Das ist nicht mein Verständnis von einem sinnvollen Umgang mit fossilen Energieträgern.

Der eilige und national einseitige Kernenergieausstieg führte bereits zu einigen Absurditäten; das kann uns natürlich auch bei der Kohle passieren. Bei den erneuerbaren Energien haben wir an Tagen mit geringer Abnahme natürlich einen negativen Strompreis; das kennen wir alle. An Tagen mit großem Bedarf hingegen kaufen wir Strom aus Kernenergie in Frankreich oder Temelin in Tschechien; auch das ist nicht der richtige Weg. Deswegen kommt es zur nächsten Absurdität – das stand neulich auch in der Zeitung –: dass Russland bzw. Putin uns Strom aus noch nicht einmal gebauten Kernkraftwerken in Kaliningrad anbietet. Das ist völlig absurd. Wollen Sie diesen Weg etwa gehen und sich in diese Abhängigkeit begeben? Ich denke, das ist nicht der Sinn der Energiewende.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur weil er es anbietet, müssen wir es doch nicht annehmen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Partei wollte mal die Stromleitung dafür bauen!)

Die Kohle wird eine Brücke sein – da haben Sie alle recht; Barbara Lanzinger hat darauf hingewiesen, Herr Jurk auch –, logischerweise aber eine Brücke hin zu erneuerbaren Energien. Sie kann keine Brücke zu einem anderen fossilen Energieträger sein, aus meiner Sicht jedenfalls nicht. Anders als bei der Kernenergie müssen wir den Ausstieg synchron betreiben:

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das schlagen wir vor!)

synchron mit den neuen Technologien, synchron mit den erneuerbaren Energien, synchron mit den Speichern, die wir teilweise noch nicht haben, synchron mit den Netzen, bestenfalls natürlich mit den vorhandenen Netzen, und synchron mit der Grundlast bzw. mit nutzbarer Energie. Es nützt uns nichts, wenn wir erneuerbare Energien nur installieren, sie aber dann, wenn sie gebraucht werden, nicht zur Verfügung stehen. Unser Ziel muss sein, wegzukommen von der Renditeversorgung und wieder hinzukommen zur Energieversorgung.

Sie sprechen in Ihrem Antrag von steigenden Emissionen. Aber Sie haben dabei nicht bedacht, dass die Braunkohleverstromung sehr viel effizienter geworden ist. Das mag Sie nicht zufriedenstellen, aber es ist zumindest so. 2013 wurde mehr Strom aus Kohle produziert; das ist richtig. Dafür wurde aber weniger Kohle verbrannt. Das ist ein Szenario, das dargestellt wurde. Es geht um die NO x - und die SO 2 -Werte. Bei NO x sind wir so weit, dass wir den Wert von 1990 halbiert haben. Bei SO 2 beträgt der Wert, von der Basis 1990 ausgehend, 7 Prozent. Lediglich 6 Prozent aller Feinstaubemissionen kommen von Kraftwerken; alles andere ist auf den Straßenverkehr und auf andere Bereiche zurückzuführen.

Zum Quecksilber – Sie haben es angesprochen – kann man sagen: Beim Quecksilber ist die Situation kritisch; gar keine Frage. Aber europäische Kraftwerke machen weniger als 2 Prozent der weltweiten Quecksilberemissionen aus. Auch das kann uns nicht zufriedenstellen, aber das sind erst einmal die Fakten. Die Produktion einer Leuchtstofflampe oder einer Energiesparlampe irgendwo auf der Welt trägt jedoch mehr zum Quecksilberausstoß bei als die Kraftwerke.

Zu Ihren Forderungen zum Emissionshandel sei gesagt: ETS ist ein marktwirtschaftliches Instrument. Es ist kein Instrument, um den Energiemix staatlich festzulegen. Es ist auch kein Instrument, um die Staatskasse zu füllen; das sage ich, weil Sie immer wieder den Klimafonds ansprechen. Ein Mindestpreis führt dazu, dass das ganze System ad absurdum geführt wird. Ein Eingriff der EU-Ebene wäre ein Eingriff in den Energiemix der Nationalstaaten.

Meine Damen und Herren, die Energiewende ist auf einem guten Weg. Im ersten Halbjahr 2014 waren die erneuerbaren Energien die wichtigste Stromquelle in Deutschland. Sie haben die Braunkohle abgelöst; das wurde heute schon gesagt. Das ist der richtige Weg, und da müssen wir hin. Die Braunkohle durch eine andere fossile Energiequelle zu ersetzen, ist aus meiner Sicht energiepolitischer Unfug.

Ich widme die letzten drei Minuten meiner Redezeit, die ich noch habe, dem heutigen Fußballspiel und höre ein bisschen früher auf.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3596980
Wahlperiode 18
Sitzung 47
Tagesordnungspunkt Verstromung von Kohle
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta