Stephan HarbarthCDU/CSU - Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für den Mittelstand in Deutschland. Wir bringen ein wichtiges Projekt auf den Weg, das den Mittelstand in seiner tagtäglichen Arbeit unterstützt. Es ist unserer Fraktion seit jeher ein großes Anliegen gewesen, Mittelstandspolitik nicht in Sonntagsreden zu betreiben, sondern in praktische Politik umzusetzen. So handhaben wir das, seit wir ab dem Jahr 2005 wieder mitregieren dürfen. Deshalb freuen wir uns, dass wir mit dem heutigen Tag wichtige Akzente für den Mittelstand in Deutschland setzen können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir erreichen heute gewissermaßen das Ende einer mehrjährigen Wanderung. Diese Wanderung begann zu Beginn der letzten Legislaturperiode, als der Entwurf einer Richtlinie der EU über die Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr auf dem Tisch lag. Wir als Deutscher Bundestag haben damals – ich empfand das als sehr starkes und sehr gutes Signal nach Brüssel – eine in diesem Hause einstimmig verabschiedete Stellungnahme nach Artikel 23 Grundgesetz abgegeben.
Wir haben darin festgestellt, dass der Entwurf der Kommission an einer Vielzahl von Punkten aus Sicht der deutschen Rechtskultur unvertretbar und inakzeptabel war. Wir haben damals sehr klare Kritik formuliert. Das war ein deutliches Signal nach Brüssel, und wir haben uns sehr gefreut, dass dieses Signal in Brüssel gehört wurde. Der Deutsche Bundestag war mit seiner Stellungnahme erfolgreich: Die Richtlinie wurde an vielen Stellen positiv verändert.
Wie ist die Ausgangslage? Die Ausgangslage ist so, dass in Europa in vielen Fällen Rechnungen nicht zeitnah beglichen werden. Wir in Deutschland sind in einer noch vergleichsweise guten Situation. Aber auch bei uns werden Rechnungen in manchen Fällen nicht so schnell beglichen, wie man sich das wünscht. Man sieht, dass in vielen anderen europäischen Ländern die Zahlungskultur geradezu dramatisch ist. Man sieht auch, dass in vielen Ländern innerhalb Europas gerade die Zahlungskultur der öffentlichen Hand schlecht ist, dass in manchen Ländern die öffentliche Hand Rechnungen viel schleppender bezahlt, als dies private Einheiten tun.
Deshalb ist es richtig, dass die Kommission hier tätig geworden ist. Es reicht nicht aus, den Zahlungsverkehr in einem Binnenmarkt in einzelnen Ländern zu bekämpfen, sondern das muss grenzüberschreitend geschehen, weil auch der Geschäftsverkehr grenzüberschreitend ist. Wir halten auch den Ausgangspunkt der Kommission für richtig, an die öffentliche Hand, bei der die Missstände im Augenblick am größten sind, besonders strenge Maßstäbe anzulegen.
Wir wollen heute den vorliegenden Gesetzentwurf verabschieden. In diesem Gesetzentwurf sind strikte Regeln für den Versuch vorgesehen, Zahlungsfristen in die Zukunft zu verlagern. Wir sind der Auffassung: Wer eine Leistung erbringt, hat das Recht, dass er dafür zeitnah Geld sieht. Deshalb gehen wir an vielen Stellen weit über die Richtlinie hinaus. Wir machen keine Eins-zu- eins-Umsetzung, sondern im Sinne der Interessen der Gläubiger, gerade auch im Sinne des Mittelstands, der auf Liquidität in besonderer Weise angewiesen ist, gehen wir über die Richtlinie hinaus. Das ist ein gutes Signal für den Mittelstand.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Strikte Regelungen gibt es insbesondere im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wo eigentlich die Musik spielt. Es ist vorgesehen, dass alle Zahlungsfristen, die über 30 Tage hinausgehen, im Zweifel unwirksam sind. Damit soll erreicht werden, dass gerade Handwerksbetriebe, mittelständische Betriebe, Bauunternehmen und andere nicht mehr in gleicher Weise wie in der Vergangenheit Gefahr laufen, eine Zeitlang auf Fehlbeträgen sitzen zu bleiben; denn sie müssen mit diesem Geld arbeiten. Bei einem Handwerksbetrieb, der ein oder zwei große Rechnungen verschickt und dann monatelang auf das Geld wartet, kann man sich die Konsequenzen lebhaft vorstellen: Arbeitsplatzverlust oder sogar Insolvenz. Deshalb ist es sehr gut, dass wir hier tätig werden.
Herr Kollege Pitterle, dass verschiedene Sachverständige zu Bestimmungen in Gesetzen immer wieder unterschiedlicher Meinung sind, ist ein relativ normaler Vorgang. Dazu fällt mir auch im Bürgerlichen Gesetzbuch eine Reihe von Bestimmungen ein. Ich erinnere zum Beispiel daran, dass dort auf die Begrifflichkeit „Treu und Glauben“ rekurriert wird. Da gilt der alte Grundsatz: drei Juristen, drei Meinungen.
(Marcus Held [SPD]: Vier Meinungen!)
Deshalb kann der Umstand, dass zu einzelnen Passagen verschiedene Rechtsauffassungen bestehen, nicht dazu führen, dass wir sagen: Das ist kein guter und zustimmungsfähiger Entwurf. Das gilt umso mehr, als gerade bei Fragen des Zahlungsverkehrs, die sich jeden Tag stellen, die Gerichte mit Sicherheit sehr schnell Rechtssicherheit schaffen werden. Das ist komplett anders als an vielen anderen eher entlegenen Stellen der Materie.
Der Gesetzentwurf ist durch die Sachverständigenanhörung noch einmal bestätigt worden. Deshalb würde ich Sie auch bitten – Sie haben ja noch ein paar Minuten Zeit –, dass Sie sich vielleicht noch einmal in Ruhe überlegen, ob Sie einem derart guten Entwurf nicht doch zustimmen möchten. Sie haben das ja damals bei der Stellungnahme getan. Wir würden es begrüßen, wenn wir auch hier wieder ein einstimmiges Signal im Sinne des Mittelstandes hinbekämen.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung als Parlamentarier machen. Ich glaube, dass es ein Zeichen des Mutes und ein Zeichen aufrechten Ganges ist, dass die handwerklichen Fehler, die in der vergangenen Woche offenkundig im Rahmen der EEG-Reform begangen wurden, nun rasch korrigiert werden. Das haben die Menschen so verdient. Ich sage als Parlamentarier aber auch, dass ich es mir sehr wünschen würde – so herausfordernd und so komplex die Materien für die Ministerien auch sein mögen –, dass derartige Dinge, dass man bereits wenige Tage nach Verabschiedung einer Reform eine Reparatur vornehmen muss, in Zukunft unterbleiben.
Wir werden diesem Gesetz heute zustimmen, weil es, wie bereits gesagt, ein gutes Signal für den Mittelstand ist.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Katja Keul.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3597024 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr |