01.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 48 / Tagesordnungspunkt 1

Niels AnnenSPD - Regierungserklärung Humanitäre Hilfe im Irak

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Navid Kermani, der uns mit seiner Rede in diesem Hause zum Grundgesetz sehr berührt hat, sagte vor wenigen Tagen über die Lage in Syrien und im Irak – ich zitiere –:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bilder der vertriebenen Jesiden oder der eingeschlossenen Turkmenen bestätigen, wie recht er hat. Ich bin deswegen froh, dass wir heute in diesem Hause diese Debatte führen. Denn dieser Krieg betrifft auch uns. Er ist längst eine Bedrohung für die Staatlichkeit in der gesamten Region geworden. Die betroffenen Länder drohen unter den Flüchtlingsströmen und unter dem militärischen Druck von ISIS zusammenzubrechen. Deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die jetzt für ISIS kämpfen, sind bei ihrer Rückkehr eine Bedrohung für unsere Sicherheit. Aber vor allem ist es eine Katastrophe für die betroffenen Menschen: Über 1 Million Menschen sind auf der Flucht. Die Gewalt hat Ausmaße angenommen, die aufgrund ihrer barbarischen Abartigkeit schwer in Worte zu fassen sind.

Ich habe in den letzten Monaten mehrfach Flüchtlingslager besucht, zweimal im Libanon, einmal in Jordanien und zuletzt im Irak. Es sind Bilder, die sich tief eingeprägt haben. Dem UNHCR sowie den vielen Helferinnen und Helfern gilt meine Hochachtung. Es ist gut, dass die Bundesregierung die Mittel für die humanitäre Hilfe auf über 50 Millionen Euro aufgestockt hat. Nur, Herr Kollege Hofreiter, die Menschen, die dort helfen, brauchen ein sicheres Umfeld, in dem sie agieren können. Um diese Frage kann man sich doch nicht herumdrücken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Von Teheran über Doha, von Ankara bis Riad, der Schock über den Vormarsch von ISIS sitzt tief. Die schlechte Nachricht über den atemberaubenden Vormarsch von ISIS eröffnet vielleicht auch die Chance, die unterschiedlichen Protagonisten, die sich bedroht fühlen, nun an einen Tisch zu bekommen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir einen politischen Prozess in Gang setzen. Zur Ehrlichkeit gehört, zuzugeben: Dass es überhaupt so weit kommen konnte, ist auch unser Versagen, das Versagen der internationalen Gemeinschaft; denn ohne den syrischen Bürgerkrieg hätte die Bewegung „Islamischer Staat“ vermutlich niemals einen solch starken Zulauf gehabt. Ihn zu stoppen, haben wir bisher nicht vermocht. Als es einen Krieg innerhalb des Bürgerkriegs gab und sich islamistische Milizen gegenseitig bekämpft haben, gab es den einen oder anderen Zyniker im Westen, der gesagt hat: Lasst sie sich doch gegenseitig abschlachten! – Das hat sich als ein gravierender Fehler herausgestellt; denn am Ende hat sich die brutalste und rücksichtsloseste Strategie, die von ISIS, durchgesetzt. Heute verfügt ISIS nicht nur über ein Territorium, sondern auch über die Ressourcen eines Staats. Es ist daher höchste Zeit, alle Protagonisten unter dem Dach der UNO an einen Tisch zu holen, ohne Vorbehalte und ohne Rücksicht auf etablierte Politiken, wie sie leider auch die EU praktiziert, etwa gegenüber der PKK.

Um die Orgie der Gewalt in Syrien und im Irak zu beenden, sollten wir bereit sein, miteinander zu reden. Die Nachrichten über erste Gespräche zwischen Saudi Arabien und Katar stellen vielleicht einen Hoffnungsschimmer dar; denn eines ist doch auch richtig: ISIS ist nicht unbesiegbar. Die geradezu widernatürliche Allianz zwischen islamistischen Terroristen auf der einen Seite und den ausgegrenzten Sunniten auf der anderen Seite hat den Vormarsch von ISIS erst ermöglicht. Deshalb setzen wir auf die neue Regierung al-Abadi und einen funktionsfähigen irakischen Staat. Doch dieser Prozess wird Zeit brauchen. Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Deswegen dürfen wir den Kurden kurzfristige Hilfe nicht verwehren. Ein Zusammenbruch der irakisch-kurdischen Region hätte unabsehbare humanitäre, aber auch politische Konsequenzen. Das können und dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD)

Navid Kermani hat uns aufgefordert – Thomas Oppermann hat ihn bereits zitiert –, den „Islamischen Staat“ zu stoppen. Allein, dafür bleibt uns nicht viel Zeit; denn seine Kämpfer haben hochmoderne amerikanische Waffen aus den Beständen der irakischen Armee erobert. Wenn wir die kurdische Region und die vielen Hunderttausend Flüchtlinge, die sie beherbergt, schützen wollen, müssen wir die kurdische Regionalregierung in die Lage versetzen, sich zu verteidigen, auch mit den dazu notwendigen Waffen. Deshalb unterstütze ich die Initiative der Bundesregierung und bitte um Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ulla Jelpke erhält nun das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3816763
Wahlperiode 18
Sitzung 48
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung Humanitäre Hilfe im Irak
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