01.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 48 / Tagesordnungspunkt 1

Ulla JelpkeDIE LINKE - Regierungserklärung Humanitäre Hilfe im Irak

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Seit 25 Jahren kenne ich die Region Kurdistan, Türkei, Syrien, Irak sehr gut. Ich bin unmittelbar vor Ort gewesen, als die jesidischen Flüchtlinge von der YPG – das sind die Volkseinheiten in Syrien –, den Kurden und der PKK befreit wurden.

Ich habe immer noch die schrecklichen Bilder vor Augen. Ich habe gesehen, wie Zehntausende jesidische Flüchtlinge vor den Mörderbanden des IS, des selbsternannten „Islamischen Staats“, geflohen sind. Frauen haben berichtet, wie ihre Ehemänner massakriert wurden, dass Gliedmaßen abgeschnitten und ihre Söhne hingerichtet wurden. Es gab Hunderte und Tausende von Kindern, die ihre ganze Familie verloren haben. Es gab Massaker ohne Ende, Vergewaltigungen und Verschleppungen von Tausenden von Frauen in die Sklaverei. Man kann in wenigen Worten gar nicht wiedergeben, was wir dort erlebt haben. Deswegen möchte ich Herrn Oppermann und Herrn Kauder ganz deutlich sagen: Wir, die Linke, sind die Allerletzten, die das Recht der Kurden bestreiten würden, sich gegen diese Mörderbanden zu verteidigen und zur Wehr zu setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Dennoch möchte ich hier ganz deutlich sagen, dass Waffenlieferungen in diese Region nicht der richtige Weg sind. Es gibt dort reichlich Waffen. Ich will dafür Beispiele bringen. Schon die Waffen, die von den USA an die irakische Armee geliefert wurden, sind in die Hände des IS, des Kalifats, gefallen, und der IS kämpft nicht erst seit Monaten, wie hier suggeriert wird, sondern seit Jahren. Man muss einfach sehr deutlich sagen, dass diese Gotteskrieger auch in Deutschland und ganz Europa immer als die Opposition bezeichnet wurden, als die Rebellen. Damit hat sich auch Deutschland mitverantwortlich gemacht: Man hat über Jahre zugeschaut, wie der IS stark wurde.

Ein zweites Beispiel: Die USA rüsten den Irak seit langer Zeit auf. Erst im Juni sind die Waffen der irakischen Armee in Mosul dem IS praktisch kampflos in die Hände gefallen. Anfang August – das haben wir gerade erlebt – haben die Peschmerga die Region Shingal verlassen. Sie haben die Jesiden dort schutzlos dem IS überlassen. Es haben mir viele Flüchtlinge bestätigt, dass es vor allem YPG und PKK gewesen sind, die den Korridor für sie freigekämpft haben.

Wer heute Raketen an kurdische Truppen liefert, riskiert sehenden Auges, dass diese Waffen bei den Dschihadisten oder möglicherweise bei dem IS landen. Deswegen frage ich Sie: Können Sie überhaupt diese Verantwortung übernehmen, können Sie überhaupt die Waffenströme kontrollieren? Ich glaube nicht. Einen entscheidenden Anteil am Kampf gegen den IS – das habe ich schon gesagt – haben die Volksarmeeeinheiten aus Syrien und die PKK und nicht die US-Luftwaffe, wie hier suggeriert worden ist. Sie hat nicht Zehntausenden Jesiden das Leben gerettet. Das hat vielmehr der Fluchtkorridor getan, der errichtet worden ist.

Ich will Herrn Oppermann und auch Herrn Kauder ganz deutlich sagen: Natürlich dürfen wir nicht nur über den Irak reden, sondern wir müssen auch über Syrien reden. Wer sich das Gebiet auf der Karte anschaut, kann sehen: Ein Drittel des Irak und ein Drittel Syriens sind in den Händen des IS. Diese Kämpfe finden schon, wie gesagt, seit langer Zeit statt. Seit zwei Jahren verteidigen die Kurden die Region Rojava gegen den IS. Diese Kurden sind einem Hungerembargo ausgesetzt, das ganz restriktiv von der Türkei, aber leider auch von der Barsani-Regierung durchgesetzt wird. Das heißt, wir haben es hier nicht mit einer einheitlichen Armee der Kurden zu tun, sondern nur mit einer Gruppierung.

Deswegen haben mir viele Kurden gesagt, dass sie sich wünschen, dass mehr Druck auf Ankara ausgeübt wird; denn Ankara unterstützt die Dschihadisten und den IS. Zum Beispiel werden dort lastwagenweise Waffen über die Grenze geschafft. Es gibt eigene Grenzübergänge, die von dem IS und den Dschihadisten kontrolliert werden. Immer wieder werden Verwundete des IS in türkischen Krankenhäusern versorgt. Ich kann die gerne nennen, aber meine Zeit reicht dafür nicht aus. Ich will hier einfach deutlich machen: Wenn man etwas gegen den IS erreichen will, dann muss man als Erstes dafür sorgen, dass die Zufuhr von Waffen an diese Leute gestoppt wird. Die muss man kontrollieren.

Dazu gehört auch, den NATO-Partner Türkei unter Druck zu setzen, mit dieser Unterstützung endlich Schluss zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbst die Tagesthemen haben vor einigen Tagen berichtet, wie offen die türkische Grenze für den IS ist. Die türkischen Grenzen müssen für diese Mörderbanden dichtgemacht werden. Ich habe es eben schon gesagt: Wer den IS angesichts der Paktiererei des NATO-Mitglieds Türkei mit den Terrorbanden wirklich glaubhaft bekämpfen will, muss erst einmal diese Nachschubwege dichtmachen. Das bedeutet eben, keine Waffen mehr an Staaten wie Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei zu schicken. Sie sind wirklich die Hauptunterstützer des IS.

Es ist doch wirklich unglaublich, meine Damen und Herren, dass ausgerechnet hier in Deutschland der IS nicht verboten ist, geschweige denn, dass er auf der EU- Terrorliste steht, stattdessen aber die PKK, die ganz offensichtlich Tausenden Menschen das Leben gerettet hat. Es zeigt sich für mich hier eine enorme Heuchelei dieser Politik, wenn jetzt plötzlich die Kurden entdeckt werden und man ihnen Waffen geben will. Man muss fragen: Warum sollen Waffen ausgerechnet nach Arbil, an die Peschmerga-Kurden und an Barsani geliefert werden?

Frau Kollegin.

Man muss deutlich sagen: Es geht hier ums Öl, um die Ölgeschäfte mit der Türkei. Schon jetzt liefert Barsani gegen den Willen der Regierung in Bagdad Öl an die Türkei. Ich denke, hier geht es wieder einmal mehr um Öl und weniger um die Menschenrechte und um die Menschen, wie es von Ihnen hier vorgegeben wird.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Zum Abschluss möchte ich noch einmal deutlich machen: Natürlich unterstützen wir jede humanitäre Hilfe; überhaupt keine Frage. Wir fordern sogar sehr viel mehr für den Irak und für Syrien, als hier beschlossen worden ist. Wir wollen vor allen Dingen, dass das Embargo gegen die Kurden in Syrien aufgehoben wird. Das ist wirklich ein Hungerembargo. Dadurch kommt dort nichts hinein: keine Medikamente, kaum Hilfsgüter. Deswegen wollen wir, dass dieses Embargo aufgehoben wird.

Frau Kollegin.

Ich bitte Sie auch, ein Flüchtlingsaufnahmeprogramm – es ist hier schon angesprochen worden, auch von Herrn Kauder – aufzulegen. Ich halte es für dringend nötig, dass Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3816798
Wahlperiode 18
Sitzung 48
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung Humanitäre Hilfe im Irak
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