Roland ClausDIE LINKE - Justiz und Verbraucherschutz
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Traditionsgemäß lässt die Opposition bei der Beratung über den Justizhaushalt immer eine gewisse Milde walten. Das hat zum einen den Grund darin, dass es eine ganze Reihe von Vorhaben, die Sie soeben angekündigt haben, gibt, die durchaus unsere Unterstützung finden, das hat zum anderen aber auch damit zu tun, dass die Opposition natürlich ihrerseits an einer leistungsfähigen Justiz interessiert ist, sind es doch häufig erst die Gerichte, die parlamentarischen Mehrheiten oder auch Verwaltungen Einhalt gebieten, wenn diese zuweilen geltendes Recht brechen oder in Einzelfällen dagegen verstoßen. Dass das vorkommt, haben Sie jüngst bei den Kommentierungen von Beobachtungen von Bundestagsabgeordneten meiner Fraktion wahrgenommen. Daraus folgt: Die Opposition wird dem Justizminister zuweilen helfen, und deshalb sollte umgekehrt gelten: Der Justizminister sollte es sich mit der Opposition nicht verscherzen. Ich denke, da können wir Einigkeit erzielen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gibt eine Reihe von Gründen, die diesen Haushalt umso vieles wichtiger machen, als er es bisher schon war. Zwei davon heißen NSU, Nationalsozialistischer Untergrund, und NSA, die amerikanische Sicherheitsbehörde, und die Enthüllungen Edward Snowdens. Ich denke, da geht es nicht mehr mit einem Weiter-so, da sind neue Ansätze gefragt. Wir müssen uns doch nur einmal eines vor Augen halten: Während wir in diesen Minuten diesen Etat beraten, werden erneut Daten von Handys und von PCs auch aus der Mitte des Parlaments auf US-amerikanischen Servern gesammelt. Jetzt ist doch die Frage: „Wollen wir uns daran gewöhnen, oder wollen wir uns dagegen zur Wehr setzen?“, wobei wir für Letzteres wären.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Gefahr besteht doch darin, dass mit einer schleichenden Unterwanderung des Rechtsstaates bisherige Standards der Vergangenheit angehören. Deshalb, denke ich, müssen wir die Idee des Rechtsstaates neu denken, um die Idee vom Rechtsstaat zu bewahren.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich würde in dem Zusammenhang gern die Bundeskanzlerin zitieren, die am 23. Februar 2012 auf der Gedenkveranstaltung für die Opfer des NSU zu den Hinterbliebenen gesagt hat:
Es sind seitdem zweieinhalb Jahre vergangen. Die Untersuchungsausschüsse im Bundestag, im Thüringer Landtag und in anderen Landtagen brachten zutage, dass dieses Versprechen der Kanzlerin schon deshalb nicht erfüllt werden kann, weil nach dem Tod der beiden NSU- Terroristen Böhnhardt und Mundlos ungezählte Akten vernichtet wurden. Ich frage mich, ob aus dem Versprechen der Bundeskanzlerin einerseits und den massiven Vorwürfen der Untersuchungsausschüsse an Verfassungsschutz, Polizei und auch die Justiz andererseits nicht der Schluss zu ziehen wäre, auch im Haushalt des Ministeriums die Vorsorge zu treffen, um hier zu anderen Ansätzen zu kommen.
Wo bleibt beispielsweise ein Titel „Aufarbeitung von Justizversagen beim NSU“, wo bleiben die Ansätze zur besseren Fort- und Weiterbildung von Juristinnen und Juristen auf diesem Gebiet? Wir haben festgestellt: Nichts ist wirklich aufgeklärt. Es waren Prozesse, die mit den Begriffen Schreddern, Vertuschen, Korpsgeistverhalten und Kompetenzwirrwarr zu beschreiben sind. Nur eine Frage: Konnte V-Leuten bei den Nazis Geld und Straffreiheit wirklich ohne staatsanwaltschaftliche Beteiligung zugesichert werden? Ich denke, wer Zivilcourage will, muss hier auch Justizcourage zeigen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich meine natürlich eine Justizcourage, die den Leuten Mut und nicht Angst macht.
Bekanntlich irrt Justitia manchmal. Den Bundestag und damit uns alle erreichen viele Vorschläge, so etwas wie einen Justizopferfonds einzuführen.
(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Ich denke einmal, Sie werden das ganz sicher anders nennen. Aber so etwas auf den Weg zu bringen, wäre schon ein wichtiger Schritt; denn es gibt viele Betroffene, und für sie wäre schon die nächste Instanz eine Instanz zu viel.
Herr Minister, ich will noch ein paar Worte zum Bereich des Verbraucherschutzes sagen. Da haben wir es mit einer Einzigartigkeit, ja mit einem Kuriosum zu tun. Wir haben ein Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, und wir haben ein Bundesamt für Verbraucherschutz. Wenn man das so hört, geht man wie selbstverständlich davon aus, dass dieses Bundesamt im Geschäftsbereich dieses Ministeriums angesiedelt ist. Ist es aber nicht! Angesiedelt ist dieses Bundesamt im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Ich glaube, da haben Sie sich ganz schön über den Tisch ziehen lassen, Herr Bundesminister. Wir wollen, dass dort, wo Verbraucherschutz draufsteht, auch Verbraucherschutz drin ist. Dass das klar ist!
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dass die Linke in Regierungsverantwortung gute Dinge auf den Weg bringen kann, können Sie auch daran sehen, dass die Regierung in Brandenburg mit der Verbraucherschutzministerin Anita Tack den von Ihnen schon genannten Bundesratsbeschluss zur Begrenzung von Dispozinsen initiiert und dann auf den Weg gebracht hat. Wenn die Bundesregierung diesem Vorschlag jetzt zustimmen will, haben wir einiges erreicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir werden Ihnen in den Beratungen erneut einige Vorschläge unterbreiten, wie wir mit dem Deutschen Patent- und Markenamt in München noch besser umgehen können. Sie wissen, da sind wir immer für Vorschläge gut. Erfreulich ist, dass die Bundesregierung den Vorschlägen aus der Opposition diesmal schon im Ansatz ein Stück weit gefolgt ist – ein viel zu kleines, wie wir meinen; aber wir bleiben dran. Insofern stehen wir vor spannenden Beratungen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Claus. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3847669 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 49 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz |