09.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 49 / Einzelplan 07

Patrick SensburgCDU/CSU - Justiz und Verbraucherschutz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Minister Maas, Sie haben ja eine nüchterne und trockene Haushaltsrede gehalten.

(Burkhard Lischka [SPD]: Eine gute! Vor allen Dingen eine gute!)

Aber sie hat es in sich gehabt.

(Burkhard Lischka [SPD]: Ja, genau!)

In der Sache hat sie es in sich gehabt. Ich glaube, diese Rede hat gezeigt, dass das Justizressort zwar den kleinsten Einzeletat hat, dass die Justizpolitik in der Sache aber sehr stark aufgestellt ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Von daher begrüße ich die Justizpolitik, wie sie sich bei uns im Parlament im Rechtsausschuss widerspiegelt – Frau Künast, schön, dass Sie hier sind –

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

und wie sie von Minister Maas heute vorgetragen worden ist.

Sie haben ein großes Vorhaben gar nicht besonders pointiert betont, nämlich die Reform der Strafprozessordnung. Sie ist für mich einer der wesentlichen Punkte dieser Legislaturperiode. Es geht um eine umfassende Überarbeitung der StPO, wesentlicher Paragrafen des Strafgesetzbuches, und um eine Reform vom Ermittlungsverfahren über das Zwischenverfahren bis hin zum Hauptverfahren.

In den einzelnen Kommissionen, die Sie gebildet haben, werden das Rechtsmittelverfahren und das Vollstreckungsverfahren überarbeitet werden. Sie werden grundlegend darüber diskutieren, wie der Beschuldigtenstatus definiert werden muss. Sie werden darüber diskutieren, wie es mit dem Richtervorbehalt, zum Beispiel im Hinblick auf § 81 a der StPO, etwa bei der Blutentnahme, aussieht. Es wird auch um die Regelungen zu Befangenheitsanträgen gehen, wenn sie verspätet kommen. Von ihnen ahnt oder weiß man frühzeitig; sie werden dann aber doch nicht gestellt, um das Verfahren zu verzögern.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Na, na, na!)

Wir werden darüber diskutieren, ob solche Befangenheitsanträge nicht als verspätet gestellt anzusehen sind und dann zurückgewiesen werden müssen. Wir werden auch darüber diskutieren, ob es nach den §§ 407 ff. der StPO beim Strafbefehl nicht einen höheren Strafrahmen geben muss. Ich muss sagen: Wir haben hier ein Projekt, das mit viel Sorgfalt angegangen werden muss. Sie haben eine Kommission eingesetzt, die Sachverstand hat. Ich würde mir wünschen, dass das Parlament frühzeitig beteiligt wird und wir nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern intensiv und von Anfang an mitdiskutieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In einem zweiten Punkt, sehr geehrter Herr Minister, muss ich Sie auf eine Situation hinweisen, die nicht neu ist, die aber durch das, was wir jetzt als „Scharia-Polizei“ erleben, medial gegenwärtig wird. Aber das ist ein Thema, das, wie gesagt, alt ist. Wir haben bereits in unseren Reden zum Haushalt 2011/2012 eine eigene Stelle im Bundesjustizministerium gefordert, um das Phänomen des Scharia-Rechts näher zu beleuchten. Sie haben in Ihrem Ministerium eine Stelle, die sich ausschließlich damit beschäftigt, Licht in das Dunkel des Scharia-Rechts und dieser Paralleljustiz zu bringen, eine Stelle, für die wir im Haushalt A 13 bis B 3 vorgesehen haben, also eine wirklich solide Stelle. Sie soll dieses Phänomen erst einmal beleuchten, damit wir aufgrund solider Kenntnisse Schlussfolgerungen ziehen können und nicht Spekulationen oder Vermutungen anstellen müssen. Seit zwei Jahren ist diese Stelle besetzt. Ich bitte Sie, in Ihrem eigenen Ministerium zu überprüfen, wie der Sachstand ist und was da herausgekommen ist. Wir sollten keine wilden Diskussionen über einen Sachverhalt führen, über den wir zu wenig wissen. Sie müssen hier für Aufklärung sorgen. Ich glaube, wir haben frühzeitig darüber diskutiert, und Sie haben die notwendigen Voraussetzungen in Ihrem Ministerium. Auch da erwarten wir Aufklärung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein weiterer Punkt – die Kollegin Winkelmeier- Becker hat ihn angesprochen – ist das Thema Insolvenzordnung, hier die Änderung der §§ 133 und 142. Es gibt in vielen Gewerben und vielen Handwerksbereichen, insbesondere im Baustoffhandel, immer wieder Fälle von ganz normalen Stundungen. Die aktuelle Rechtsprechung führt dazu, dass man sich bis zu zehn Jahre nach einer Stundung nicht sicher sein kann, ob möglicherweise der gestundete und dann gezahlte Betrag in die Insolvenzmasse fällt. Das führt zu großer Rechtsunsicherheit bei den Unternehmen.

Es geht hier für die Wirtschaft um einen zwei-, teilweise wird sogar gesagt, dreistelligen Millionenbetrag. Hier müssen wir etwas tun. Hier fällt auseinander, was der Gesetzgeber mit der Insolvenzanfechtung meinte und was die Rechtsprechung inzwischen immer öfter in Einzelfallentscheidungen darunter versteht. Wir sind es der Wirtschaft schuldig, dass wir hier zügig handeln. Ich freue mich, dass die Union sich gemeinsam mit der SPD jetzt dieses Themas annimmt. Ich glaube, das könnte etwas sein, wo die Opposition mit einsteigt; denn dieses Thema ist wichtig für unsere Wirtschaft insgesamt. Ich würde mich freuen, wenn wir Rechtspolitiker uns dessen gemeinsam annehmen könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein weiteres Thema, auch angesprochen von Frau Winkelmeier-Becker, ist das Thema Syndikusanwälte. Syndikusanwälte gibt es in Deutschland seit dem Mittelalter; das ist nichts Neues. In der Bundesrechtsanwaltsordnung stehen sie seit 1959. Jetzt kam im April 2014 eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes, die die Verhältnisse auf den Kopf stellt, weil Syndikusanwälte ihr zufolge nicht mehr im Versorgungswerk rentenversichert sein können. Das geht nicht, meine Damen und Herren. Hier müssen wir Klarheit schaffen! Rund ein Viertel der deutschen Anwälte sind Syndikusanwälte, 30 000 bis 40 000. In der gegenwärtigen Situation haben diese Anwälte keine Klarheit mehr bezüglich der Rentenversicherung bei den Versorgungswerken. Das müssen wir angehen. Diese Entscheidung des Bundessozialgerichtes ist eine Einzelentscheidung, die schwerst nachvollziehbar ist. Wenn Unklarheit herrscht, ist die Politik in der Pflicht, Klarheit zu schaffen, und das werden wir in der Koalition angehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte nur noch auf zwei Punkte eingehen. Einer liegt mir am Herzen als Berichterstatter für Mediation. Wir haben in der letzten Legislaturperiode mit allen Fraktionen einstimmig ein Mediationsgesetz verabschiedet. Nach langem Ringen, auch mit dem Bundesrat, im Vermittlungsausschuss, ist es uns gelungen, zu einem guten Ergebnis zu kommen. Dieses Mediationsgesetz wird in der Fachwelt positiv angenommen. Jetzt geht es um die Umsetzung, um die Rechtsverordnung, die das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 31. Januar dieses Jahres zur Diskussion gestellt hat. Ich bin mir sicher, dass diese Rechtsverordnung in den nächsten Wochen und Monaten auch verabschiedet wird; das Bundesjustizministerium arbeitet mit Hochdruck daran. Ich glaube, dass wir den Bereich der Mediation stärken können, wenn wir nun auch durch diese Rechtsverordnung Klarheit bezüglich der Ausbildung haben. Das Gesetz ist in Kraft; aber die Rechtsverordnung muss noch kommen. Bald zwei Jahre nach Veröffentlichung des Gesetzes ist die Zeit reif, durch die Rechtsverordnung eine Abrundung der Mediation zu schaffen, insbesondere weil uns neue Bereiche, ODR und ADR, eine Verordnung und eine Richtlinie aus Europa, beschäftigen. Die Richtlinie müssen wir umsetzen. Konsistenz im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung muss Ziel unserer Rechtspolitik sein. Dafür müssen wir jetzt gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium die richtigen Weichen stellen.

Letzter Punkt. Kollege Lindner, ich war begeistert von Ihrer Rede; ich kannte Sie so gar nicht als Unterstützer und Freund der sozialen Marktwirtschaft. Das freut mich, muss ich ganz ehrlich sagen.

(Zuruf des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie müssen jetzt nur mal überlegen, ob Sie in Ihrer Partei richtig sind; denn um Sie herum sind nicht gerade die Unterstützer der sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Soll das jetzt ein Abwerbungsversuch sein, oder wie? – Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Die Grünen können ja noch lernen!)

Was Sie gesagt haben, war gut; aber man muss sich hin und wieder schon fragen, ob man sich in der eigenen Fraktion mit den Thesen, die man aufstellt, noch wiederfindet. Herr Kollege, Sie haben das Leitbild des mündigen Bürgers betont. Der mündige Bürger muss natürlich auch da im Vordergrund stehen, wo es um Datenschutz, Datensicherheit geht. Wir haben nicht nur die Magnus- Hirschfeld-Stiftung – Herr Petzold hat diese Stiftung angesprochen –, wir haben auch die Bundesstiftung Datenschutz.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wickeln Sie ab, die Bundesstiftung Datenschutz!)

Ich würde mir sehr wünschen, dass wir den Fokus auch einmal auf die anderen Bereiche, die im Bereich des Etats des Bundesministeriums der Justiz liegen, richten. Ich glaube, dass es keine glückliche Überlegung ist, die Bundesstiftung Datenschutz in die Stiftung Warentest zu überführen und sie damit aufzulösen. Wenn man überlegt, was allein im Bereich „NSA, Ausspähen von Daten, Datenkriminalität durch Organisierte Kriminalität“ in Deutschland passiert, dann steht es uns gut an, eine Stiftung Datenschutz zu haben, sie zu stärken und sie nicht völlig ohne Mittel dastehen zu lassen. Die Magnus-Hirschfeld-Stiftung hat damals den höchsten Einzelposten im Einzelplan 07 – Bundesjustizministerium – gehabt. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode vereinbart, dass es keine weiteren Einzelzahlungen mehr gibt. Jetzt haben wir wieder 1,75 Millionen Euro bereitgestellt. Für die Bundesstiftung Datenschutz haben wir das nicht gemacht. Wir müssen uns schon Gedanken machen, wie wir auch diesen Bereich stärken und der Bundesstiftung Datenschutz alle Möglichkeiten geben können, für uns Bürger da zu sein.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!)

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und für die Toleranz der Präsidentin, –

Sie kennen sie nicht.

– mich eine knappe Minute länger reden zu lassen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist die Milde heute im Raum.

(Roland Claus [DIE LINKE]: Ist das so, wenn man die Grünen lobt?)

Nächste Rednerin: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3847765
Wahlperiode 18
Sitzung 49
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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