09.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 49 / Einzelplan 07

Katja KeulDIE GRÜNEN - Justiz und Verbraucherschutz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Minister Maas, bevor ich zum rechtspolitischen Tagesgeschäft komme, will ich an dieser Stelle ein paar Worte zum Thema der Sondersitzung in der letzten Woche sagen. Waren Sie als Justizminister eigentlich in irgendeiner Weise in die Entscheidung eingebunden, Kriegswaffen an die kurdischen Peschmerga zu liefern? Nicht, dass ich eine Verfechterin des Bundessicherheitsrates bin – im Gegenteil: ich halte die gängige Praxis sogar für verfassungswidrig, weil Artikel 26 des Grundgesetzes für Waffenexporte die Entscheidung des gesamten Kabinetts vorsieht –;

(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

aber selbst der Erfinder des Bundessicherheitsrates, Franz Josef Strauß, hat das Justizressort dabei berücksichtigt. Ist es wirklich so, dass die Kanzlerin den Kreis der Einbezogenen jetzt weiter beliebig verkleinert hat? Ich finde, das sollten Sie nicht einfach so hinnehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Eine Waffenlieferung an nichtstaatliche Kampftruppen ohne eindeutige Anfrage der Zentralregierung halte ich schlicht für völkerrechtswidrig. Daran ändert auch eine Zwischenlandung in Bagdad nichts. Ein Kollege wollte mir sogar erklären, die Peschmerga seien quasi ein Teil der irakischen Armee. Das ist nun wirklich völlig absurd, da Bagdad selber gerade keine Waffen an die Peschmerga liefert. Besonders bedenklich finde ich es, wenn einige das Völkerrecht als kleinkarierte Förmelei abtun; denn die Einhaltung des Rechts ist national wie international die Grundlage für Frieden und Freiheit. Daran zu erinnern, sollte unter anderem die Rolle des Justizministers sein. Eine Verteidigungsministerin, die stolz darauf ist, ein Tabu zu brechen, kann Sie in dieser Rolle jedenfalls nicht ersetzen.

Echte Friedensförderung ist das, was die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit seit Jahren leistet: die Beratung von Ländern, die einen demokratischen Rechtsstaat aufbauen wollen.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Kinkel- Stiftung!)

Leider fehlen diesen Programmen oft die Richter und Staatsanwälte. Hier sollte dringend das Dienstrecht angepasst werden, damit diejenigen, die sich in Auslandsmissionen engagieren, nicht um ihre Inlandskarrieren gebracht werden.

Zu Recht fördern Sie rechtsstaatliche Entwicklungen in anderen Ländern wie beim Rechtsstaatsdialog mit China und der Kampagne „Law – Made in Germany“. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, wir könnten im Inland auch bald so eine Kampagne gebrauchen.

Zu viele halten unseren funktionierenden Rechtsstaat für so selbstverständlich, dass sie vergessen, dass man dieses System auch hegen und pflegen muss, um es zu erhalten. Wenn Richterinnen und Richter darunter leiden, dass es nur noch um Schnelligkeit und Erledigungszahlen geht und die Qualität der Urteile immer weniger wertgeschätzt wird, dann haben wir insgesamt ein Problem und dann braucht es auch den Bundesminister der Justiz, um gegenüber dem Finanzressort, aber auch gegenüber den Ländern deutlich zu machen, welche Bedeutung das Vertrauen in die Rechtsprechung für das Funktionieren unserer Gesellschaft hat.

Sie sind deswegen auch gefordert, die unsäglichen Schiedsgerichte in TTIP und CETA zu verhindern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vor der Sommerpause hatten Sie laut und deutlich gesagt, dass es so etwas mit Ihnen nicht geben wird. Jetzt lese ich auf www.tagesschau.de, dass bei CETA genau diese Klagerechte bereits im Vertragstext stehen. Was unternehmen Sie denn jetzt dagegen?

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nichts!)

Vertrauen kann auch dadurch aufs Spiel gesetzt werden, dass wir als Gesetzgeber immer schneller immer neue Reformgesetze verabschieden. Das ist nicht nur für die Rechtsanwender eine Zumutung. Nehmen wir als Beispiel das Insolvenzrecht. Statt jetzt eine mittelmäßig gelungene Neuregelung zum Konzerninsolvenzverwalter auf den Weg zu bringen und im nächsten Jahr das Anfechtungsrecht zu reformieren, sollten Sie den Gesetzentwurf vielleicht noch einmal zurücknehmen und dann ein Gesetz auf den Weg bringen, das die drängenden Probleme miterfasst.

(Beifall der Abg. Elisabeth Winkelmeier- Becker [CDU/CSU])

– Vielen Dank.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch der Gesetzentwurf zur Kinderpornografie sollte noch einmal überdacht werden, besonders hinsichtlich des missglückten Vorschlags zur Strafbarkeit bloßstellender Bilder.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Die überfälligen Anpassungen an die EU-Richtlinie sind sicherlich angebracht. Es gibt aber Überlegungen, wie das Sexualstrafrecht grundsätzlich neu geordnet und entschlackt werden könnte. Ich denke hier an den Vorschlag des Deutschen Juristinnenbundes zu einer systematischen Neuordnung der §§ 174 bis 177 Strafgesetzbuch, der es wert ist, bedacht zu werden.

Es gibt aber auch Fälle, bei denen die Belastung der Menschen gerade durch eine Verzögerung des Gesetzesverfahrens gravierend ist. Sie haben zum Beispiel angekündigt, den steigenden Mieten durch die Mietpreisbremse einen Riegel vorzuschieben. Das ist ja gut gemeint; aber wenn diese Mietpreisbremse noch Monate auf sich warten lässt, dann war das ein Bumerang, da Sie allen die Gelegenheit geben, vorher schnell noch einmal herauszuholen, was herauszuholen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auch bei der Frauenquote, die angeblich bis Ende des Jahres verabschiedet sein soll, erleben wir, dass die zeitliche Verzögerung leider nicht der Verbesserung des Entwurfes dient, sondern den Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartnern. Sie wissen ja, dass Ihr Vorschlag uns Grünen längst nicht weit genug geht. Wenn Ihr Koalitionspartner jetzt noch weitere Aufweichungen verlangt, kann ich nur sagen: Standhaft bleiben, sonst bleibt von der Quote gar nichts mehr übrig.

Dann gibt es da noch sinnvolle Projekte, die schon so lange in der Diskussion sind, dass ich nicht verstehe, warum sich da gar nichts mehr tut. Ein Stichwort hier ist der Whistleblower-Schutz bzw. – auf Deutsch – der Schutz der Hinweisgeber. Wir Grünen haben bereits in der letzten Legislatur nach umfangreichen Fachgesprächen einen Entwurf vorgelegt, den die Mehrheitsfraktionen abgelehnt haben. Von Ihnen haben wir dazu immer noch nichts gesehen. Wir können den Entwurf gerne noch einmal vorlegen. Sie können aber auch, wenn Sie nächste Woche auf dem Deutschen Juristentag in Hannover sind, Herr Minister, den Parlamentarischen Abend der Grünen-Bundestagsfraktion besuchen. Dort werden wir den Entwurf noch einmal zur Diskussion stellen. Wenn Sie dann überzeugt sind, können Sie den Gesetzentwurf selber einbringen und ihm so die erforderliche Mehrheit verschaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Bis dahin erst einmal vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Falls Sie sich wundern, dass es hier bei uns etwas unruhig ist: Das liegt daran, dass wir heute – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – Probleme mit dem Sound haben.

(Heiterkeit)

Manche klugen Reden – das gilt fraktionsübergreifend – sind sehr schlecht zu verstehen. In der laufenden Debatte können wir das nicht mehr ändern; aber wir werden versuchen, den Ton heute Abend neu einpegeln zu lassen. Es wäre ja schade, wenn diese großartigen Beiträge nicht für alle zu hören wären. Das ist heute wirklich extrem schwierig. Wenn ich blöd gucke, dann hat das nichts mit Ihrer Rede zu tun, sondern mit meinem eingeschränkten Hörvermögen.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sind wir ja beruhigt!)

Nächste Rednerin ist Elvira Drobinski-Weiß für die SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3847845
Wahlperiode 18
Sitzung 49
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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