Elvira Drobinski-WeißSPD - Justiz und Verbraucherschutz
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle reden von TTIP, wir auch. Aber im Moment finde ich CETA viel wichtiger. Seit 2009 verhandeln die EU und Kanada über ein umfassendes Handelsabkommen. Das Abkommen soll, ähnlich wie TTIP mit den USA, Handelshemmnisse senken und Kooperationen bei der Standardsetzung entwickeln. Sowohl die EU als auch Kanada versprechen sich davon ein gesteigertes Wirtschaftswachstum und einen Zuwachs an Arbeitsplätzen. So weit, vielleicht so gut. Aber schauen wir einmal genauer hin.
Ich möchte es deutlich sagen: Es gibt mehrere Passagen – das ist eben schon kurz angeklungen –, die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr kritisch sehen. Aber raus muss auf jeden Fall das Kapitel über die außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahren, auch bekannt als Investorenschutzabkommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es kann doch nicht sein, dass zwischen zwei Staaten mit entwickelten Rechtssystemen Investoren die Möglichkeit haben, die EU oder ihre Mitgliedstaaten direkt auf Entschädigung für entgangene Gewinne oder sogenannte indirekte Enteignung zu verklagen.
Lange hieß es: Am 25. September soll der formelle Abschluss der Verhandlungen durch Paraphierung des Vertragstextes erfolgen. Letzte Woche folgte dann die Botschaft: Die EU-Behörde will die Verhandlungen zu CETA für abgeschlossen erklären, ohne den Text vorher paraphiert zu haben. Die Paraphierung ist vielleicht „nur“ eine Formalie, aber eine mit Symbolcharakter. Hier wird doch der Versuch unternommen, die Kritik des Parlamentes zu umgehen. Das müssen wir verhindern. Die Regelung zum Investorenschutz muss raus, sowohl aus CETA als auch aus TTIP.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was bewegt die Menschen derzeit, verbraucherpolitisch betrachtet, in Deutschland? Einige Punkte hat der Herr Bundesjustizminister, der auch für den Verbraucherschutz zuständig ist, genannt. Ein kurzer Blick durch die Schlagzeilen der letzten Tage: „EZB senkt Leitzins auf 0,05 Prozent“. Die Frage der Verbraucherinnen und Verbraucher: Geht die Enteignung weiter? Wälzen die Banken den EZB-Strafzins auf mein Konto ab? – Oder: „Tricksen leicht gemacht! Sind Hotelbewertungen im Internet verlässlich?“ Oder: „Millionen Deutsche werden online abgezockt“. Die Frage der Verbraucherinnen und Verbraucher: Tappe ich nach der Button-Lösung, die eine Verbesserung gebracht hat, in eine neue Falle? Ich nenne hier als Stichworte die Hausaufgabenhilfe gerade für unsere jüngeren Zuhörerinnen und Zuhörer und den Rezeptzugang.
Oder: „Umstrittener Fahrdienst Uber: Legal, illegal – sch(…)egal“. Die Frage der Verbraucherinnen und Verbraucher: Ist das Unternehmen Uber mit den offensichtlich akzeptierten Mitfahrgelegenheiten vergleichbar?
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dies ist natürlich eine kleine, zugegeben auch provokante Auswahl. Wir wissen: Das Themenspektrum ist viel größer, und die Reaktionen der einzelnen Konsumenten auf solche Schlagzeilen sind sicherlich sehr verschieden. Klar ist: Folgt man den Ergebnissen der Verbraucherforschung und erkennt an, dass es sowohl den verletzlichen wie den vertrauenden als auch den verantwortungsvollen Verbraucher gibt, bedarf es verschiedener Arten der Ansprache und Unterstützung dieser Gruppen seitens der Politik. Herr Kollege Lindner, nochmals als Hinweis für Sie: Den mündigen Verbraucher, die mündige Verbraucherin gibt es nicht.
Antworten auf bzw. Lösungen für die sehr vielfältigen Fragen und Probleme am Finanzmarkt oder in der digitalen Welt zu finden, steht in dieser Legislaturperiode klar im Vordergrund unserer Verbraucherpolitik. Das spiegelt sich auch im Haushalt des Bundesministeriums wider. Wir werden zukünftig verschiedene Verbraucherzentralen in den Bereichen Finanzmarkt und digitale Welt mit einer Marktwächterfunktion ausstatten, um die Konsumenten in die Lage zu versetzen, sich am Markt sicherer zu bewegen. Zudem wollen wir weitere im Koalitionsvertrag festgeschriebene Projekte voranbringen wie zum Beispiel die Einsetzung des Sachverständigenrats; der Herr Bundesminister hat bereits darauf hingewiesen.
Nicht neu im Koalitionsvertrag und bereits über mehrere Jahre bezuschusst ist etwa die Stiftung Warentest. Als unbestechliches Portal für Produktbewertung, aber auch als Informationsplattform verdient sie weiterhin unsere größte Anerkennung und finanzielle Unterstützung.
Wir sehen aber auch die europäische Dimension des Verbraucherschutzes. Das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren – hier vor allem das Europäische Verbraucherzentrum in Kehl – leistet seit Jahren hervorragende, grenzüberschreitende Dienste. Diese Funktionsfähigkeit muss unbedingt weiter sichergestellt werden.
Mit Blick auf die eben zitierten Schlagzeilen müssen wir uns aber auch die Fragen gefallen lassen: Haben wir schon alle Problembereiche im Blick? Investieren wir genug unserer Mittel in die Forschung der Verbraucherpolitik? Wie können wir die aktuell zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel optimal verteilen?
Der Herr Minister hat die Stichpunkte Mietpreisbremse und Bestellerprinzip im Maklerrecht bereits angesprochen. Weitere Stichpunkte sind ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht; gesetzliche Regelungen über die Höhe der Dispozinsen und das wichtige „Konto für jedermann“ wurden genannt.
Diese Arbeitsvielfalt im Bereich Verbraucherpolitik erfordert jedoch auch in unserem Ministerium die entsprechende Man- und Womanpower. Ich unterstütze den Ausbau der personellen Ausstattung und fordere, die räumliche Trennung von Justiz- und Verbraucherpolitik im BMJV im Sinne einer effektiven Arbeitsatmosphäre schnellstmöglich zu beenden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Danke, Frau Kollegin. – Der nächste Redner ist Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion, aus Augsburg.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3847874 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 49 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz |