Klaus-Dieter GröhlerCDU/CSU - Justiz und Verbraucherschutz
Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Als letztem Redner zu dem Einzelplan gestatten Sie mir vielleicht eine allgemeine Einleitung. Der Kollege Lindner wartet schon darauf; das ist sehr gut.
Ich will Sie noch einmal ein Momentchen zurückführen. Heute vor einem Jahr standen wir alle auf der Straße und haben fleißig Wahlkampf gemacht. Damals passierte es mir, dass ich in meinem Wahlkreis in Berlin am Rüdesheimer Platz ein älteres Ehepaar traf. Auf meine Frage: „Darf ich Ihnen das Regierungsprogramm der CDU/CSU mitgeben?“, antworteten sie mir: Wir haben nicht viel Zeit. – Ich dachte: Typisch Pensionäre. Aber dann sagte der Mann zu mir: Nennen Sie mir drei Gründe, warum wir Sie wählen sollen! – Ich erwiderte: Erster Punkt. Damit Angela Merkel Kanzlerin bleibt!
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das reicht schon!)
Zweiter Punkt. Damit es keine Steuererhöhungen gibt!
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, wieder „Angela Merkel“!)
Dritter Punkt. Damit es in Zukunft keine neuen Schulden mehr gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Daraufhin sagte der Mann zu mir: Okay, über die Merkel kann man nicht meckern. – Originalton Berlin. Das ist, glaube ich, mit das höchste Lob, das ein Berliner verteilen kann.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das höchste Lob, ja!)
– Ich sehe vom Kollegen Luczak Zustimmung an der Stelle. – Der Mann fuhr fort: „Junger Mann,“ – ich weiß nicht, ob das seine Distanz zur Politik darstellen sollte oder für mich ein Lob sein sollte – „das mit den Schulden glauben Sie doch selbst nicht. Die Politik ist doch viel zu verliebt in immer neue Projekte, und Sie werden aus dieser Spirale nie rauskommen. Gucken Sie sich einmal die Geschichte der Republik an! Sie haben immer neue Schulden gemacht.“
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob dieser Bürger sich an das Gespräch erinnert, wenn er jetzt in der Zeitung von der schwarzen Null liest – vielleicht guckt er ja auch Parlamentsfernsehen; bei dem schönen Wetter aber eher nicht –,
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bestimmt! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Vielleicht ruft er an und sagt: Er war es!)
aber ich will ihm Pars pro Toto zurufen: Wir haben dieser Versuchung widerstanden. Dieser Haushalt ist ausgeglichen.
Warum erzähle ich diese kleine Geschichte, meine Damen und Herren?
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das würde ich auch gerne wissen!)
Weil sie auch bei den Haushaltsberatungen für einen so kleinen Etat wie den von Minister Maas leitend sein muss, weil wir auch bei einem so kleinen Etat in Zukunft der Versuchung widerstehen müssen, immer noch was obendrauf zu packen. Wir als Haushaltsgesetzgeber haben in zwei Dritteln der Zeit der Existenz des Bundestages – fast auf den Tag genau vor 65 Jahren war die erste Sitzung des Bundestags – einfach nur etwas obendrauf gepackt und in den Haushaltsberatungen gesagt: Wenn hier noch etwas fehlt und da noch etwas fehlt, weiten wir einfach den Etat aus.
Damit ist jetzt Schluss. Das ist für uns eine größere Herausforderung, auch für die Arbeit der jeweiligen Berichterstatter. Wenn wir in Zukunft an der einen oder anderen Stelle feststellen: „Da fehlt etwas“, dann werden wir einen Deckungsvorschlag machen müssen. Das ist für die Politik vielleicht eine zusätzliche Hürde, aber das macht es auch ein Stück weit spannender.
An drei Punkten des Haushalts, glaube ich, lohnt es sich, noch einmal vertieft hinzuschauen:
Erstens. Die Rechtsweggarantie aus Artikel 19 unseres Grundgesetzes – das klang bei meinen Vorrednern eben schon so ein bisschen an – muss natürlich mit Leben gefüllt sein. Ich hatte vor einigen Tagen eine Gruppe chinesischer Schülerinnen und Schüler zu Besuch. Sie fragten mich: Wie funktioniert in Deutschland ein Strafprozess? – Dann habe ich versucht, ihnen das in wenigen Minuten darzustellen. Sie bekamen ganz leuchtende Augen. Was ich ihnen natürlich nicht gesagt habe, ist, dass der eine oder andere Bürger, der einen Zivilprozess führt, was die Länge der Verfahren angeht, am Rechtsstaat schon ein ganz klein wenig zweifelt. Wenn man sich die Situation bei den Verwaltungsgerichten als Eingangsinstanz anschaut, dann weiß man, dass zwischen dem Moment, wo man zum Gericht geht, und dem Moment, wo man tatsächlich Recht bekommt, viele Jahre liegen können.
Das Abziehen einer Stelle aus dem Bundesverwaltungsgericht zugunsten des Ministeriums – Frau Winkelmeier-Becker hat hier darauf hingewiesen – ist an der Stelle aus meiner Sicht das falsche Signal, auch das falsche Signal an die Länder. Darüber werden wir reden müssen. Wenn im Koalitionsvertrag steht, wir wollen das Rechtsprechungsmonopol des Staates stärken, illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden, dann werden wir an dieser Stelle entsprechend handeln müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mein Kollege Rohde hat seine Ausführungen zu Recht weitestgehend auf das Patentamt beschränkt. Lassen Sie mich sagen: Auch das ist eine Frage effektiven gewerblichen Rechtsschutzes. Der Laden muss vernünftig laufen, wenn ich das zusammengefasst sagen darf. Dass es lange dauert, bis man sein Patent bekommt, hängt nicht nur mit der Personalsituation, sondern auch mit der erfreulichen Situation zusammen, dass die Zahl der Anträge inzwischen von 59 000 Patentanträgen im Jahr auf inzwischen 63 000 gestiegen ist. Es gibt heute 13 Prozent mehr Patentanträge als noch vor vier Jahren. Es gibt in den Patentämtern eine Menge offener Stellen. Insofern ist es nicht die richtige Argumentation, vom Ministerium zusätzliche Stellen für die Patentämter zu fordern. Wir werden uns in den nächsten Tagen vertieft anschauen müssen, ob die Mitarbeitergewinnung im Amt vernünftig läuft, ob die Anforderungen an Neueinstellungen vielleicht zu hoch sind. Eines kann ich unterstreichen, lieber Kollege Rohde, die Koalition wird keinen Blindflug ohne Navigationsgerät machen. Wir sind nicht die Opposition. Wir sind die Koalition. Das unterscheidet uns nicht nur an dieser Stelle ganz besonders.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie das noch einmal erwähnen, ich hätte es sonst vergessen!)
Stichwort „Verbraucherschutz“. Hierfür geben wir nur aus dem Etat von Minister Maas 29 Millionen Euro aus; 4,5 Millionen Euro mehr. Durch die Einführung der sogenannten Marktwächter – zu dieser Begrifflichkeit sage ich gleich noch etwas – dürfen die bisherigen Aufgaben des Verbraucherschutzes nicht vernachlässigt werden. Es darf kein Ungleichgewicht geben. Darauf hat die Verbraucherzentrale Bundesverband hingewiesen. Mich stört aber der Begriff „Marktwächter“. Auf diesen sollten wir es auf Dauer nicht verkürzen.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht in Ihrem Koalitionsvertrag!)
– Ja, das ist durchaus richtig. Aber wenn wir darüber intensiver sprechen, auch fachlich, lieber Herr Kollege, dann müssen wir berücksichtigen, dass es um die verbraucherorientierte Beobachtung des Finanzmarktes geht. Wir sollten bei den Leuten auf Dauer nicht den Eindruck erwecken, dass der Wächter der ist, der auch Strafen kann, sondern er beobachtet erst einmal. Dementsprechend sollten wir ihn auch ausstatten. Die eigentliche Bearbeitung der Vorgänge ist nachher eine hoheitliche Aufgabe, die sicherlich nicht der Bundesverband oder die einzelnen Landesverbraucherzentralen wahrnehmen können. Insofern sollten wir an dieser Stelle vorsichtig mit der Begrifflichkeit sein.
Ein letztes Wort. Erfreulich ist das Präventionsprojekt Dunkelfeld, meine Damen und Herren, also der Schutz vor pädophilen Männern. Die Mittel für dieses Projekt werden von früher 250 000 auf nun 560 000 Euro im Jahr erhöht. Ich finde das sehr erfreulich.
(Abg. Roland Claus [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Ich sehe, der Kollege Claus möchte meine Redezeit verlängern. Gerne.
Der Kollege Claus möchte gerne eine Zwischenfrage stellen. Ich gehe davon aus, dass Sie zustimmen. – Bitte schön, Herr Kollege Claus.
Vielen Dank. – Da unsere Vorschläge nun zum zweiten Mal mit dem Begriff „Blindflug“ geadelt wurden, bleibt mir nichts weiter übrig, als Sie zu fragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir diese Vorschläge unter den Berichterstattern für den Einzelplan 07 in der vorigen und in der vorvorigen Beratung in diversen BE-Gesprächen bei mehreren Besuchen beim Patentamt erarbeitet haben. Der Kollege Rohde hätte bestimmt nichts dagegen, wenn Sie den Kollegen Binding in unserem Parlament als Kronzeuge für die solide Erarbeitung dieser Vorschläge zurate ziehen könnten. Ich frage: Können Sie zur Kenntnis nehmen, dass es sich bei den Vorschlägen nicht um Blindflüge handelt, sondern um solide durchdachte Überlegungen?
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Kollege Claus, wenn ich in einem Patentamt fast 10 Prozent aller vorhandenen und im Haushaltsplan ausgewiesenen Stellen immer wieder unbesetzt habe, dann stellt sich aus meiner Sicht erst einmal die Frage: Wie bekomme ich die Stellen besetzt? Es stellt sich für mich dann nicht die Frage, ob man zusätzliche Stellen in den Haushaltsplan einstellen muss. Insofern haben wir offensichtlich eine unterschiedliche Auffassung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich verstehe, dass man aus Oppositionssicht sagt, dass der Haushaltsansatz falsch sei. Aber vielleicht stimmen Oppositionssicht und tatsächliche Situation nicht überein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Roland Claus [DIE LINKE]: Dann gehen Sie doch einmal zum Kollegen Binding!)
Ich bin aber sehr zuversichtlich, wenn ich dies abschließend sagen darf – die letzten Berichterstattergespräche waren über Fraktionsgrenzen hinweg konstruktiv –, dass wir auch in dieser Frage miteinander zu einem guten Ergebnis kommen werden. Die Opposition wird sehen, dass sie nicht Milde walten lassen muss, weil ein anständiger Bundeshaushalt vorgelegt wurde, sowohl mit Blick auf Einzelplan 07 als auch darüber hinaus. Ich bin sicher, dass wir den Haushalt im Spätherbst beschließen können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht mehr vor.
Wir kommen damit zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, Einzelplan 15.
Das Wort hat Bundesminister Hermann Gröhe.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3847936 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 49 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz |