10.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 50 / Einzelplan 04

Harald PetzoldDIE LINKE - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Liebe Besucherinnen und Besucher der heutigen Sitzung! Als ich das letzte Mal an dieser Stelle über den Entwurf des Einzelplans der Staatsministerin für Kultur und Medien gesprochen habe, konnte ich meine Rede mit einem Lob einleiten. Damals waren 90 Millionen Euro zusätzlich für den Etat „Kultur und Medien“ zu feiern gewesen. Diese zusätzlichen Millionen waren fraktionsübergreifend erstritten worden. Heute kann ich leider nicht mit einem solchen Lob beginnen.

Ich muss feststellen, dass der Entwurf des Einzelplans „Kultur und Medien“ ideologischem Ballast folgt, dass er zweitens nicht auf der Höhe der Zeit ist und dass er drittens verteilungstechnisch unausgewogen ist. Ich möchte Ihnen das begründen.

Zum Ersten. Frau Staatsministerin, mit insgesamt 12 Millionen Euro wollen Sie den Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam unterstützen. 12 Millionen Euro für ein Vorhaben, das selbst von der großen Mehrheit der Potsdamerinnen und Potsdamer strikt abgelehnt wird. Stellen Sie sich vor, was wir allein in Potsdam mit diesem Geld für Soziokultur, für Theaterprojekte, für Ausstellungen, für Kulturvereine, für Künstlerinnen und Künstler anstellen könnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wollen Geld für die Wiedererrichtung eines Gebäudes ausgeben, das in der Geschichte Deutschlands zu einem Symbol für den preußischen Militarismus und die nationalsozialistische Machtergreifung wurde. Sie fördern ein Bauwerk, dessen Wiedererrichtung selbst für Christinnen und Christen eine Zumutung darstellt. Eine wiedererbaute Garnisonkirche in Potsdam wäre nachträglich eine Demütigung des evangelischen Widerstandes gegen die Barbarei, wie er in der Bekennenden Kirche zum Ausdruck gekommen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich möchte Sie bitten: Lassen Sie uns gemeinsam verhindern, dass ein Tempel der Täter wieder errichtet wird, auch im Respekt vor unseren gemeinsamen Opfern, die unsere beiden Parteien bzw. Vorgängerparteien in der Zeit der Nazidiktatur hinnehmen mussten.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Kauder, Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn Sie fragen, was wir aus der Geschichte lernen, und fordern, dass Aufklärung und Information in den Schulen stattfinden müssen. Ich möchte Sie zum zweiten Mal darauf aufmerksam machen, dass im Haushaltsentwurf der Staatsministerin für Kultur und Medien das Sonderinvestitionsprogramm für Gedenkstätten auf null gesetzt worden ist. Ich frage Sie, ob es unser Ernst ist, dass wir hier um 9 Uhr eine Gedenkstunde aus Anlass des 75. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges begehen und anderthalb Stunden später ein Haushalt vorgelegt wird, der für Gedenkstätten für die Opfer dieser faschistischen Barbarei keine Sonderinvestitionen mehr vorsieht. Ich sage das auch als Vertreter eines Wahlkreises, in dem sich mit den Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück zwei ganz besonders wichtige Gedenkstätten befinden. Ich möchte Sie bitten, diesen unhaltbaren Zustand nicht aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist absurd, auf der einen Seite ein fragwürdiges, rückwärtsgewandtes Bauprojekt zu unterstützen und auf der anderen Seite mit dem Zukunftsprojekt „Digitale Agenda“ einen Text vorzulegen, der alles andere ist als eine Agenda.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Dieses Papier ist bestenfalls eine Sammlung aus Absichten und Unverbindlichkeiten. Allein sein medien- und kulturpolitisches Kapitel leidet unter inhaltlicher Schwindsucht.

Sie erklären, dass die Deutsche Digitale Bibliothek ausgebaut werden soll, sagen aber nicht, wie. Die einzelnen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen sind mit den an sie gerichteten Anforderungen der Digitalisierung in technischer, organisatorischer und personeller Hinsicht sehr oft einfach überfordert. Deswegen sagt die Linke – und das seit vielen Jahren –: Es braucht keine weiteren Ankündigungen, die zu nichts verpflichten, es braucht eine nationale Digitalisierungsstrategie, untersetzt mit einem Sonderprogramm in Höhe von rund 30 Millionen Euro zur Digitalisierung des kulturellen Erbes.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Zahlen habe ich mir nicht selber ausgedacht, sondern sie stammen vom Fraunhofer-Institut. Ich sage: Je länger wir mit einer solchen Strategie warten, umso teurer wird es am Ende.

Der dritte Bereich, den ich ansprechen möchte, ist die Medienordnung. Ich gönne den Menschen in Thüringen eine bessere Regierung, und ich gönne ihnen mit Bodo Ramelow einen linken Ministerpräsidenten. Ich als Medienpolitiker habe natürlich verständlicherweise ein Eigeninteresse an einem politischen und personellen Wechsel in der Erfurter Staatskanzlei; denn in den Staatskanzleien wird die Medienpolitik gemacht, unter anderem auch die Medienordnung.

Wenn die Kanzlerin sagt: „Wir müssen die Start-up- Unternehmen stärker unterstützen“, dann sage ich: Natürlich! Das hat etwas mit der Medienordnung zu tun. Denn die Medienordnung stimmt seit langem nicht mehr mit dem überein, was tatsächlich Medienrealität ist. Deswegen brauchen wir an dieser Stelle unbedingt eine Änderung und einen neuen Impuls.

(Martin Dörmann [SPD]: Die Bund-Länder-Kommission ist ja schon längst verabredet!)

Daher sage ich: Am Sonntag wählen gehen in Thüringen und Brandenburg und die Linke wählen! Das ist ein guter Schritt, damit an dieser Stelle endlich eine Veränderung einsetzt und wir auch in der Medienordnung vorankommen.

Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat die Staatsministerin und Beauftragte für die Angelegenheiten der Kultur und Medien, Professor Dr. Monika Grütters.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3851670
Wahlperiode 18
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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