Rüdiger KruseCDU/CSU - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden schon gelesen oder gehört haben: Die Einbringung eines Haushaltes, der eine schwarze Null hat, ist ein historisches Ereignis. Okay. Warum ist das ein historisches Ereignis? Was macht etwas zu einem geschichtlichen Ereignis? Nicht nur die Tatsache, dass es irgendwann vergangen sein muss, sondern auch, dass daran erinnert wird, das heißt, dass darüber gesprochen wird. Geschichten müssen erzählt werden. Eine Tat allein führt nicht dazu, dass etwas historisch wird. Vergangenheit garantiert nicht die Ewigkeit der Geschichtsschreibung.
Die Frage ist ja auch angesichts der vielen Mühe, die man darauf verwendet, diese schwarze Null zu erreichen: Warum tut das der Bundesfinanzminister? Was ist da sein Antrieb? Hat er jetzt eine besondere Schwäche für Nullen? Wenn ich mir seinen Mitarbeiterstab ansehe, kann ich das nicht unterschreiben. Daran wird es nicht liegen. Eine schwarze Null steht eben für Stabilität. Stabilität ist ein hoher Wert. Das kennen wir von Gebäuden. Wir erwarten, dass sie stabil sind. Aber warum erwarten wir das? Wir erwarten das, weil wir ihre Funktion nutzen wollen. Das heißt, das Gebäude muss einen Sinn machen. Dann macht die Stabilität einen Sinn. Es muss also einen Sinn für all diese Arbeit geben.
Nun ist ja das Ziel der Arbeit, auch wenn man das Wolfgang Schäuble nicht ansieht, die Muße. Und die Muße ist eine Schwester der Freiheit.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn Sie sich all die Bemühungen ansehen, die er und die Bundeskanzlerin auch auf europäischer Ebene unternehmen, glauben Sie denn, dass sie das nur tun, weil Europa wirtschaftspolitisch gut für Deutschland ist? Das ist ja schon eine Geschichte, die wir keinem unserer Wähler dauerhaft so richtig erzählen können, weil es auch viele Beispiele dafür gibt, dass zumindest kurzfristig gewisse Hilfsprogramme nicht das bringen, was vielleicht etwas anderes in Deutschland selbst bringen würde. Da muss also noch etwas anderes zu erzählen sein, es muss sie etwas anderes antreiben.
Wäre Europa ein rein finanzpolitisch zu bewertendes Konstrukt, wäre es quasi eine große Holding, die Beteiligungen in den Ländern hält, dann würden wir alle drei Monate darüber nachdenken, ob wir uns über die Gewinne freuen, ob wir reinvestieren oder ob wir eines dieser Länder abstoßen – das ist nicht die Geschichte, die wir über Europa erzählen. Die Belohnung, diese wenigen Mußestunden all dieser Akteure, die sich um Europa und um Deutschlands Stabilität bemühen, das ist die Vielfalt von freiheitlichen Nationen in Europa; darum geht es.
Da die Muße die Schwester der Freiheit ist und die Freiheit eine große Familie hat, zu der auch die Sicherheit und eine Tochter, die Kunst, gehören,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
sind wir dann doch endlich bei dem kleinen und schönen Etat von Monika Grütters.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat aber gedauert!)
– Bei acht Minuten Redezeit kann man sich so eine Vorrede erlauben.
Die Frage ist jetzt: Was machen wir mit diesem Etat? Vorhin ist die Deutsche Welle angesprochen worden. Es ist uns gesagt worden, wir hätten da nicht genug getan, nichts getan. Das ist nicht so ganz der Fall. Wir hatten dieses Jahr das Vergnügen, zwei Haushalte aufstellen zu dürfen. Im 2014er-Haushalt haben wir der Deutschen Welle sowohl für Investitionen 3 Millionen Euro bereitgestellt, aber auch, was ich für viel wichtiger halte, für das Programm für die Ukraine 3,5 Millionen Euro. Das heißt, das Parlament hat schnell reagiert und gesagt: Das ist uns wichtig, weil wir einen wesentlichen Beitrag leisten können, indem wir andere Informationen, nämlich die Informationen, die man in einer freien Welt bekommen kann, zur Verfügung stellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Das wird natürlich auch eine Frage sein, wenn wir über die Kooperation mit den baltischen Ländern sprechen; auch da ist nicht nur die Frage, wie wir die NATO-Versprechen einlösen, sondern vorrangig auch, wie wir jetzt schon unterstützen können. Da ist es natürlich auch wichtig, dass bei all den russischsprachigen Informationen, die durch den Äther gehen, nicht bloß die Putin-treuen Informationen durch den Äther gehen. Es war schon immer wichtig, dass Demokratie mit dem Wort für sich kämpft; und das werden wir fördern müssen.
(Martin Dörmann [SPD]: Genau!)
Wenn man sich das Regierungsprogramm bzw. den Koalitionsvertrag anschaut, sieht man: Da stehen viele Maßnahmen drin, die nicht genau beziffert sind – das istauch in Ordnung –; im Kulturbereich sind das an die 35. Wenn man jetzt ein bisschen schaut, dann muss man sagen: Wir alle wissen nicht, wie lang das Leben ist; aber wir haben eine Vorstellung davon, wie lang eine Legislaturperiode ist. Das heißt, wir haben natürlich die Erwartungshaltung, dass diese Projekte – darunter sind viele ehrgeizige Projekte, und einige, die nicht ganz billig sind – binnen der nächsten Jahre Stück für Stück abgearbeitet werden.
Die Frage ist, ob das unsere einzige kulturpolitische Agenda ist. Die Zusammenarbeit mit den Ländern ist angesprochen worden. Zum Glück sind seit einigen Jahren die Zeiten überwunden, in denen wirklich wie in einem Kulturkampf die Haltung vorherrschte: Kultur ist Ländersache, Bund, halte dich da raus! – Stattdessen ist es zu einem Miteinander gekommen.
Wir haben auch Herausforderungen zu bewältigen, die nur gemeinschaftlich zu bewältigen sind: Wir haben eine kulturelle Infrastruktur geerbt, die im Wesentlichen noch aus der Zeit kommt, als man sich in Deutschland zu Fuß oder mit der Pferdekutsche bewegte. Da das heute nicht mehr so ganz der Fall ist, müssen wir uns überlegen: Welche kulturelle Infrastruktur brauchen wir? Wie reagieren wir auf demografische Entwicklungen? Das kann sich nicht darin erschöpfen, bloß irgendwo Pflaster zu kleben oder Bedauernsschreiben aufzusetzen. Wir müssen vorausschauend sehen, wie wir unsere föderale kulturelle Vielfalt in den kommenden 20, 30 Jahren in dieser Form bewahren und in jener Form ausbauen können; das gilt es in Augenschein zu nehmen.
Dazu gehört auch, dass wir mit den Ländern in einen Dialog eintreten. Es nützt nichts, wenn der Bund seine Mittel erhöht, die Länder ihre Mittel für Kultur jedoch kürzen. Das sollten keine kommunizierenden Röhren sein. Das wäre auch eine schlechte Idee: Wenn die Länder ihre Mittel halbierten, müsste der Bund seinen Beitrag vervierfachen. Ich bin ja gerne im Wettstreit mit anderen um einen höheren Kulturetat; aber ich glaube, dass spätestens dann das Ganze unrealistisch wird – und in der Summe würde das noch nicht einmal etwas bringen.
Wenn wir uns gegenüber den Ländern auf die Schulter klopfen, dass wir den Kulturetat seit zehn Jahren nicht abgesenkt haben, muss man zugleich sehen, dass aus 100 Prozent – einmal unterstellt, dass die Dinge jedes Jahr um 2 Prozent teurer werden – 80 Prozent geworden sind. Das heißt, Sie dünnen das Ganze aus, und dann müssen Sie irgendwann die Entscheidung treffen: entweder in die gleiche Struktur mehr Geld zu geben oder die Struktur zusammenzustreichen. Sie kommen um diese Entscheidung nicht herum; sonst stirbt flächendeckend irgendwann alles. Das darf man nicht wollen. Politik ist auch immer Mut zu Entscheidungen.
Ein weiterer Punkt ist, dass man gemeinsam mit den Ländern darüber reden muss, wie wir die tarifvertraglichen Bedingungen so umsetzen, dass wir uns nicht jedes Jahr aufs Neue damit beschäftigen, wie prekär es den Schauspielern geht, dann aber doch wieder zum normalen Leben umschalten.
Dazu muss es Entscheidungen geben. Das bedeutet: Wenn der Bund die Kommunen mal wieder entlastet, dann müssen wir darauf achten, dass diese Entlastung auch in den Bereichen ankommt, die uns allen nützen. Das ist im Bildungsbereich so und, ich denke, auch im Bereich der Kultur.
Gleichzeitig sollten wir uns auch überlegen, ob es allein Aufgabe der Städte und Kommunen ist, eine kulturelle Infrastruktur aufrechtzuerhalten, die nicht nur für die eigentliche Stadt und für das Umfeld, sondern auch für die gesamte Nation von Bedeutung ist. Bei der Hauptstadt haben wir das selbstverständlich so angenommen. Wir fördern hier und da – fast überall – die Projekte und begründen das selbstverständlich nicht mit unserer Vorliebe für Berlin, sondern damit, dass das unsere deutsche Hauptstadt ist. In Frankreich wäre das ja auch ganz okay. Dort gibt es Paris und la-bas en province. Das sind nicht wir. Wir sind ein föderalistisches Land und haben diese Vielfalt, weil es ganz viele Subzentren gibt. Es lohnt sich, hier zu überlegen und mit den Ländern in einen konstruktiven Dialog darüber einzusteigen, ob wir analog zu dem vorgehen sollten, was wir bei den Universitäten tun, nämlich die Exzellenz zu fördern und unterstützend tätig zu werden, wenn Länder etwas erbringen, was national und international von Bedeutung ist.
Wir müssen das, was im Koalitionsvertrag steht, abarbeiten und die Dinge in Angriff nehmen, die wir für die nächste Zukunft wirklich lösen müssen. Ich glaube, wenn wir diese Mischung erreicht haben, dann stehen wir am Beginn einer für uns sehr guten Zeit, und das ist dann auch ein Signal dafür, dass es der vielen Mühe wert ist, für Stabilität in diesem Land zu sorgen und die kulturelle Freiheit in einem geordneten Rechtsstaat zu erhalten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Ulle Schauws für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3851724 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt |