10.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 50 / Einzelplan 09

Roland ClausDIE LINKE - Wirtschaft und Energie

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da der Bundeswirtschaftsminister gleich zu Beginn seiner Rede die Infrastrukturkompetenz der Linkspartei hervorgehoben hat, muss ich den Ball natürlich aufnehmen. Es geht um die Frage der privaten Beteiligung an öffentlichen Infrastrukturinvestitionen. Da will ich von einem Vorgang erzählen, an dem ich intensiv beteiligt war.

Vor fast zwei Jahren hat ein Chemieunternehmen in Wittenberg dem Bund 35 Millionen Euro für den Ausbau einer Umgehungsstraße angeboten – ohne Bedingungen –, weil sich dort Bürgerinitiativen und mehrere Unternehmen einig waren. Der Bund war bis heute nicht in der Lage, mit dieser Schenkung auch nur umzugehen. Deshalb zweifle ich an den Infrastrukturkapazitäten dieser Bundesregierung, Herr Minister, und das müssen Sie sich dann auch gefallen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich denke, Wirtschaftspolitik steht in diesen bewegten Tagen in der besonderen Verantwortung, einen Beitrag zu Frieden, einer gerechten globalen Entwicklung und Abrüstung zu leisten. Ich glaube, wenn ich diesen Satz vor einem Jahr gesagt hätte, hätte ich noch den Zwischenruf geerntet: Wovon träumen Sie nachts?

(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Sie träumen auch heute noch!)

Aber ich will mit der Verflechtung von Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik beginnen. Bekanntlich hat die EU weitere Sanktionen gegen Russland beschlossen, hat sie zunächst angedroht. Jetzt will ich nur einen einzigen Fakt benennen, um die Absurdität dieses Vorgangs zu kennzeichnen.

Sie haben vor einer Woche mit großer Mehrheit Waffenlieferungen in den Irak beschlossen. Im Moment ist die Fluggesellschaft Wolga-Dnjepr damit befasst, diese Waffen in den Irak zu fliegen. Der Dnjepr ist bekanntlich der größte Strom in der Ukraine, und die Wolga ist der größte Strom im Westen Russlands. Nun muss man wissen, dass Wolga-Dnjepr ein russisches Flug-, Logistik- und Handelsunternehmen ist – mit ukrainischer Beteiligung. Dann muss man noch wissen, dass Wolga-Dnjepr vor kurzem 49 Prozent der Air Cargo Germany, also einer deutschen Luftfrachtgesellschaft, erworben hat. Diese Verflechtung von Wirtschaftsstrukturen macht kenntlich, wie absurd die Vorstellung ist, man könnte Sicherheits-, Friedens- und Außenpolitik mit Wirtschaftssanktionen beeinflussen.

Deshalb ist Sanktionspolitik in aller Regel kontraproduktiv. Sie ist aber auch eine Irreführung der Öffentlichkeit. Ich hätte gar nichts gegen die Idee einer Sanktionspolitik, wenn Sie mal darauf kämen, wenn es um Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien und Katar geht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch einen Fall internationaler Wirtschaftspolitik ansprechen: die Verhandlungen über die transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA, Kanada und anderen, die im Moment im Wesentlichen als Geheimverhandlungen stattfinden. Der Bundesfinanzminister hat gestern bei der Einbringung seines Etats einen sehr bemerkenswerten Satz zu den Abkommen gesagt: Wir wollen sie zu einem guten Ergebnis verhandeln, aber auf Augenhöhe. – So etwa Schäuble.

Neben mir saß zu dem Zeitpunkt eine junge Kollegin aus München, und die fragte mich: Du kennst doch den Finanzminister schon länger. Glaubt der das wirklich? Glaubt der das angesichts einer Situation, in der Abhör- und Ausspähaktionen durch die NSA unvermindert fortgesetzt werden? – Ich bin ihr die Antwort noch schuldig geblieben und hoffe auf Unterstützung durch den Bundesfinanzminister. Ich bin übrigens froh, dass gestern aus den Reihen der SPD eine ganze Reihe kritischer Äußerungen zu den Freihandelsabkommen gemacht wurden.

Zu einigen Elementen Ihres Etats für das nächste Jahr:

Herr Wirtschaftsminister, wir wissen: Fast die Hälfte dieses Etats wird für Subventionen bei Steinkohle sowie Luft- und Raumfahrt aufgebraucht. Gewiss, bei der Kohle stehen wir im Wort; aber bei Luft- und Raumfahrt handelt es sich um die Subventionierung staatsnaher Monopolisten. Nur ein Drittel dessen, was in die Luft- und Raumfahrt geht, verwenden wir für Innovationsforschung und Innovationsförderung bei kleinen und mittelständischen Unternehmen – und das alles vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir uns alle mit schöner Regelmäßigkeit vor dem deutschen Mittelstand verneigen. Natürlich ist das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand gut und unterstützenswert. Es findet auch unsere Unterstützung. Aber angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist es viel zu gering. Ich will darauf verweisen, dass uns in diesem Jahr nur drei Monate für die Umsetzung dieses Programms zur Verfügung stehen, weil bekanntlich der Etat 2014 erst spät verabschiedet wurde und der Dezember ja der Kassenmonat ist.

(Thomas Jurk [SPD]: Wir haben doch VEs!)

Das Bundeswirtschaftsministerium hat uns, die wir nachgefragt haben, bislang immer gesagt: Du musst keineSorge haben, das wird in Ordnung kommen. – Trotzdem schlagen wir für den Fall, dass es doch klemmen sollte, vor – in diesem Fall und auch bei großen Verkehrsinfrastrukturvorhaben –, im Haushalt Vorsorge zu treffen und Überjährigkeit zu beschließen. Wenn wir sie nicht brauchen, umso besser.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will zum Schluss noch auf die Wirtschaft im Osten zu sprechen kommen, wohl wissend, dass es inzwischen schick geworden ist, nicht mehr über den Osten zu reden. Selbstverständlich weiß ich auch, welche Probleme im Ruhrgebiet und in Bremen zu finden sind. Selbstverständlich weiß ich, dass es inzwischen manche Leuchttürme im Osten gibt, über die wir reden. Das ist im Detail alles richtig, aber insgesamt falsch. Sie können das beispielsweise ablesen am Industrieatlas der DAX-Unternehmen, den die Beauftragte für die neuen Bundesländer vor kurzem veröffentlicht hat. Oder Sie können sich die Veröffentlichung über die Zahl der Millionäre, also die Einkommensverteilung, im Osten anschauen. Deshalb werden wir weiter vorschlagen, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zu fördern, wohl wissend, wie kompliziert es bei der Kofinanzierung ist. Wir werden Einsparungen beim Luft- und Raumfahrtzentrum zugunsten des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand vorschlagen.

Aber jetzt nichts mehr vorschlagen, weil Sie über die Redezeit sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Wir haben zu viele Vorschläge!)

Ich bedanke mich, Frau Präsidentin, für den Hinweis und habe das auch als Mahnung verstanden. – Wir brauchen eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik. Dies geht mit diesem Etat nicht. Wir wollen eine sozialökologische Gerechtigkeitswende. Davon sind wir noch weit entfernt, aber da wollen wir hin.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Michael Fuchs für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3851827
Wahlperiode 18
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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