Michael FuchsCDU/CSU - Wirtschaft und Energie
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fühle mich zurzeit in Deutschland ausgesprochen wohl.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie immer! Das kann ich mir vorstellen! Bei den Nebeneinkünften!)
Uns geht es in Deutschland auch ausgesprochen gut. Der Bundeswirtschaftsminister hat eben völlig zu Recht gesagt: Wir haben in Deutschland 42 Millionen Beschäftigte. Wir haben über 30 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das ist eine Zahl, die es ewig nicht gegeben hat. Dadurch haben wir alle Sozialversicherungssysteme wieder in einen Zustand versetzt, der es erlaubt, dass wir nicht mit irgendwelchen Zuschüssen rechnen müssen. Das hat uns – darüber kann man glücklich sein oder nicht glücklich sein – auch in die Lage versetzt, die Rente mit 63 und die Mütterrente umzusetzen. Das wäre überhaupt nicht gegangen, wenn sich die Sozialversicherungssysteme nicht in diesem exzellenten Zustand befänden.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben Sie sie geplündert! Super! Ganz toll!)
Das bedeutet, dass wir in den letzten neun Jahren den richtigen Weg gegangen sind; in neun Jahren Angela Merkel haben wir es richtig gemacht. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit Jahren nicht. Übrigens: Das Allerbeste ist – ich denke, das müsste jeder in diesem Hohen Hause genauso sehen –: Die Jugendarbeitslosigkeit ist extrem niedrig. Wenn man sie mit der in irgendeinem europäischen Land vergleicht, kann man nur sagen: Es geht uns ziemlich gut.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])
Meine Damen und Herren, parallel dazu sind wir Vizeexportweltmeister. Es ist eine Erfolgsstory für ein relativ kleines Land, so hohe Exportleistungen an den Tag legen zu können. Das liegt daran, dass wir über Jahre einen Konsolidierungskurs gefahren haben, der sich gelohnt hat; denn jetzt sind wir so weit, dass wir erstmalig eine schwarze Null fahren, einen Haushalt hinbekommen, in dem es keine Neuverschuldung mehr gibt. Das schaffen wir ohne Steuererhöhungen. Ich weiß, wie schwierig die Diskussionen in den Koalitionsverhandlungen gewesen sind. Aber mittlerweile, Herr Minister, haben wir uns gemeinsam daran gewöhnt, dass es eben keine Steuererhöhungen geben wird. Und das ist auch gut so.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir sollten das auch unseren europäischen Freunden immer wieder mitteilen. Denn das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ohne Neuverschuldung lebt es sich wesentlich besser. Es hat auch in keinem einzigen Land bis jetzt irgendetwas gebracht, wenn mit hoher Verschuldung irgendwelche Konjunkturprogramme finanziert worden sind. Das waren in aller Regel Seifenblasen, die dann auch dementsprechend schnell kaputt waren.
Ist also alles in Butter, wie es so schön heißt? Man muss nicht unbedingt ein Hellseher sein, um zu sehen, dass am Horizont doch ein paar dunkle Wolken aufziehen. Es gibt eine durchaus nachlassende Dynamik auf den für uns wichtigsten Auslandsmärkten, Stichwort China. Da sieht es nicht mehr so gut aus: von wegen zweistelliges Wachstum – das war einmal. Es gibt Streiks und permanente Streikandrohungen in einem Bereich Deutschlands, in dem man fast von Daseinsvorsorge sprechen kann, nämlich bei der Luftfahrt und der Bahn.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die wollen Sie gern verbieten, wie?)
Das wird unsere Zuverlässigkeit nicht unbedingt fördern und macht mir Sorgen.
Ich wünsche mir, dass die Bundesarbeitsministerin möglichst schnell mit einem vernünftigen Vorschlag kommt, der natürlich die Rechte der kleinen Gewerkschaften berücksichtigt, der aber auch sicherstellt, dass ganz kleine Gruppierungen – ich sage jetzt mal: und wenn es die Feuerwehr bei BASF ist – nicht ein riesiges Unternehmen lahmlegen. Das darf uns nicht passieren. Wir müssen dafür Lösungen finden. Ich weiß, dass das kompliziert ist. Ich weiß auch, dass das verfassungsrechtlich – Stichwort Artikel 9 – nicht einfach ist.
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Gott sei Dank!)
Hinnehmen können wir es so aber nicht, dass sich eine Gruppe von 5 000 Leuten herausnimmt, nicht nur den Flugverkehr für Personen, sondern auch den Cargo- Verkehr lahmzulegen. Das bereitet uns als Exportnation erhebliche Schwierigkeiten. Das wird eine wichtige Aufgabe sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben durch die Auseinandersetzung mit Russland natürlich Probleme. Ich finde es völlig richtig, was der polnische Präsident heute Morgen hier in diesem Hohen Hause gesagt hat. Es war eine bemerkenswerte Rede. Aber dass die Sanktionen der deutschen Wirtschaft wehtun, wollen wir nicht verschweigen. Ich darf in diesem Zusammenhang einmal ausdrücklich den BDI- Präsidenten loben, der gesagt hat: Klar ist, dass der Frieden in Europa und die Geltung des Völkerrechts Vorrang vor unseren wirtschaftlichen Interessen haben. – Ich finde, das ist eine sehr bemerkenswerte Aussage. Denn er hat die Interessen der Wirtschaft deutlich hinter das Völkerrecht gestellt. Dafür sollten wir ihm auch in diesem Hohen Hause dankbar sein. Das ist sehr verantwortlich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
All das führt nicht unbedingt dazu, dass wir uns in einer wirtschaftlich besseren Situation als in den Jahren zuvor befinden. Das heißt: Wir müssen jetzt darauf achten, dass es keine zusätzlichen Belastungen gibt. Ich bin dem Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder sehr dankbar für die klaren Worte heute Morgen in seiner Rede, in der er sehr deutlich gemacht hat, dass jetzt Schluss mit weiteren Belastungen ist.
Erhebliche Sorgen bereitet mir der Investitionshaushalt. Über den Investitionshaushalt der öffentlichen Hand will ich gar nicht reden; das haben Sie getan. Dass das besonders toll ist, was da investiert wird, kann man nicht unbedingt sagen. Obwohl wir beispielsweise die Kommunen zusätzlich mit annähernd 10 Milliarden Euro ausgestattet haben, wird wenig investiert. In vielen Ländern – Stichwort NRW – wird fast überhaupt nichts investiert.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wenn, dann in das Falsche!)
Die haben schon seit Jahren keinen verfassungsgemäßen Haushalt mehr hinbekommen.
Obwohl wir deutliche Fortschritte in dieser Koalition gemacht haben, sind auch die Investitionen in unserem Haushalt nicht so, dass man sagen kann: Wir werden all die Probleme lösen können, die vor uns liegen. – Vor allen Dingen im Verkehrs- und Infrastrukturbereich ist ein ganz dicker Betrag erforderlich, der sich eher in der Größenordnung dessen bewegt, was wir heute für das EEG ausgeben. Wir werden uns in der nächsten Zeit darüber Gedanken machen müssen, wie wir diese Investitionen, unter Umständen über öffentlich-private Partnerprogramme, pushen und wie wir zu mehr Investitionen kommen können. Denn das macht mir Sorge.
Sorge macht mir aber auch – da sollten wir genau hinschauen –, dass in der Industrie ein ähnlicher Attentismus feststellbar ist. Zumindest in der energieintensiven Industrie finden kaum noch vernünftige Investitionen statt. Der VDMA hat eine Statistik herausgegeben, die besagt, dass energieintensive Unternehmen zurzeit nur noch 80 Prozent ihrer Abschreibungen reinvestieren. Was heißt das denn? Das heißt im Prinzip nichts anderes, als dass in fünf Jahren die Investitionen aufhören. Der Unterschied zwischen einem Unternehmen und einem Bürger ist, dass sich der Bürger beim Amt abmelden muss, wenn er umzieht. Die Industrie macht das nicht. Irgendwo investieren sie, jedenfalls nicht in Deutschland. Da sind wir gefordert, und zwar alle gemeinsam, darüber nachzudenken, was wir denn machen können, um diesen Attentismus zurückzuführen, und was die Gründe dafür sind, dass es einen solchen Investitionsattentismus gibt. Da ist an allererster Stelle natürlich das Energieproblem: Die energieintensive Industrie kann sich Deutschland nicht leisten.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kommt doch gerade wieder zurück!)
Das wird uns immer schwerer treffen; es wird in der nächsten Zeit immer mehr darüber diskutiert werden. Es ist ja nicht so, als könnten wir auch nur annähernd erwarten, dass es da einen Schritt zurück geben wird, dass es billiger wird – nein, es wird teurer. In anderen Ländern läuft es genau umgekehrt: Die Strom- und Gaspreise in den USA sind göttlich niedrig. Das liegt natürlich am Fracking und all den Folgen, die das hat.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben wir auch noch Fracking!)
Dann gibt es in diesem Hohen Hause natürlich immer wieder Versuche, weitere Belastungen für die Wirtschaft zu schaffen, leider auch – Herr Gabriel, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das schon zurückgewiesen haben – das eine oder andere Mal aus Ihrer Fraktion, Stichwort Antistressgesetz. Lieber Thomas Oppermann, wenn das Gesetz käme, dann dürftest du nach 18 Uhr deine Kollegen nur noch dann anrufen, wenn Andrea Nahles es dir erlaubt.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das wollen wir nicht haben; wir wollen eine solche Regelung nicht. Stellen Sie sich bitte einmal vor, da ist ein Handwerksbetrieb, bei dem ein Kunde anruft und sagt: „Bei mir ist eine Wasserleitung geplatzt“, und der Handwerksmeister darf seinen Gesellen nicht mehr anrufen, weil es nach 18 Uhr ist und er sonst Stress hätte. So etwas kann es nicht geben. Es ist, wenn überhaupt, die Aufgabe der Tarifpartner, so etwas zu regeln. Das machen sie, dazu haben sie die Kompetenz; dafür brauchen sie uns nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen sollten wir solche Gesetze nicht machen.
Wir werden uns sehr intensiv mit dem Thema Fracking zu beschäftigen haben. Es wird Sie nicht wundern, dass ich es noch kurz erwähnen muss. Aber es macht mir einfach Sorge, dass Deutschland heute zu 40 Prozent von russischem Gas abhängig ist.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Energieeffizienz!)
Wenn ich höre, was Putin am letzten Wochenende wieder gesagt hat, nämlich dass wir uns nur ja nicht trauen sollen, auch nur 1 Kubikmeter Gas an die Ukraine zurückzuliefern, weil er uns in diesem Moment sofort das Gas abstellen würde, dann beruhigt mich das nicht wirklich.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wie wäre es denn mal, etwas für Energieeffizienz zu machen? Schon mal was davon gehört? – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Da könnte man erneuerbare Energien einsetzen!)
Also ist es unsere Aufgabe, darüber nachzudenken, welche technischen Möglichkeiten, welche anderen Möglichkeiten wir überhaupt haben.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst mal Wärmedämmung vernünftig umsetzen!)
Man muss sich ein Stück weit wundern, wenn selbst Panorama, eine Fernsehsendung, die man nicht gerade als katholisch und CDU-nah bezeichnen kann,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
uns mittlerweile mitteilt, dass das mit dem Fracking ja wohl ein Irrtum von Panorama und auch aus dem Hause UBA gewesen sei und dass Frau Krautzberger anscheinend das Gutachten, das für das UBA erstellt wurde, nicht verstanden hat. Das mag an mangelnder Intellektualität oder woran auch immer liegen – jedenfalls hat sie es völlig falsch ausgelegt und dann auch noch die Bundesumweltministerin falsch beeinflusst.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wahnsinnig! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich empfehle jedem, sich einmal diese Sendung anzusehen, aus der deutlich hervorgeht, dass Fracking keine Gefahr für Deutschland darstellt
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und wir Fracking unproblematisch betreiben können. Das halte ich für notwendig.
Lieber Michael Fuchs, ich muss jetzt Stress machen. Sie sind über die vorgesehene Redezeit hinaus.
Ich glaube, dass wir das tun müssen.
(Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks verlässt die Regierungsbank und begibt sich in die Reihen der SPD-Fraktion – Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum Schluss möchte ich – das kann ich ziemlich unbeschwert tun – Bodo Hombach zitieren, der gesagt hat: Es muss jetzt Schluss sein mit dem „Fräckingsausen“. – Recht hat er.
Würden Sie eine Zwischenfrage oder Anmerkung von Frau Hendricks erlauben?
Immer, ja.
Lieber Kollege Fuchs, ich bin von der Präsidentin des UBA, Frau Krautzberger, deren intellektuelle Kapazität ich keinesfalls in Zweifel ziehen möchte,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
nicht falsch beeinflusst worden. Ich darf Sie aber vielleicht darauf hinweisen, dass dem UBA zwei Gutachten vorliegen und Panorama fälschlicherweise und wider besseres Wissen nur aus dem einen Gutachten zitiert hat und die UBA-Pressestelle rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass dies eine einseitige Sichtweise, bezogen auf ein einziges und nicht auf die Summe zweier Gutachten, war.
Im Übrigen bitte ich Sie einfach, die Diskussion mit Ihrem Kollegen Mattfeldt zu führen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Verehrte Frau Hendricks, selbstverständlich werde ich das tun; davon können Sie schon ausgehen.
Zweitens darf ich Ihnen aber mitteilen, dass Professor Dannwolf, der das Gutachten für das Umweltbundesamt erstellt hat, klar und deutlich gesagt hat und es auch Ihnen und Frau Krautzberger mitgeteilt hat, dass diese Techniken heute risikolos und sicherlich beherrschbar seien.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dieses Gutachten ist vom Umweltbundesamt in Auftrag gegeben worden. Es wundert mich, dass es unter der Decke gehalten wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Fuchs. – Darüber werden wir sicher noch heftige Debatten führen. – Nächste Rednerin in der Debatte: Kerstin Andreae für Bündnis 90/ Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3851984 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |