Klaus ErnstDIE LINKE - Wirtschaft und Energie
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens. „ Ja, wir haben in Deutschland seit zehn Jahren eine schlechte Investitionsentwicklung, und zwar zuallererst mal im öffentlichen Bereich“, haben Sie, Herr Wirtschaftsminister, heute früh im Rundfunk gesagt. Ich habe das zur Kenntnis genommen. Sie haben recht. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass dieser Zustand, den Sie da beschreiben, natürlich auch von Ihrem jetzigen Koalitionspartner mit verursacht wurde; denn die Investitionen sind ja irgendwann von Leuten unterblieben, die darüber entschieden haben. Wir waren es nicht.
(Heiterkeit bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Zum Glück waren Sie es nicht!)
Das waren Sie.
Zweitens. Der Spiegel schreibt:
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung berechnet, dass, um den Status quo zu halten, also das, was wir jetzt haben, jährlich 100 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen notwendig wären. 100 Milliarden Euro! Das kann ich in Ihrem Haushalt beim besten Willen nicht finden. Ich stelle vielmehr fest, dass wir hier die schwarze Null als Riesenerfolg feiern. Angesichts des notwendigen Investitionsbedarfs ist die schwarze Null aber doch geradezu absurd.
Herr Minister, Sie haben vorhin, bezogen auf das Schuldenmachen, gesagt, das wäre falsch. Sie haben übrigens auch in dem Interview gesagt – das hat mich geradezu erstaunt –, durch mehr Schulden bekomme man ja nicht mehr Geld für Investitionen. – Natürlich, Sie können geliehenes Geld für Investitionen ausgeben.
Mich wundert diese ganze Politik deshalb sehr, weil wir aktuell eine ganz besondere Situation haben. Gestern hat Herr Schäuble Schatzanweisungen zu Zinsen unter 0 Prozent verkauft. Mit anderen Worten: Die, die ihm das Geld geben, bekommen nachher weniger zurück, als sie ihm gegeben haben. Wenn ich in einer Situation Geld aufnehme, für das ich null Zinsen zahlen muss, gleichzeitig 100 Milliarden Investitionsbedarf habe und die schwarze Null feiere, dann versteht das doch die Welt nicht mehr. Da müssen Sie doch als Wirtschaftsminister eingreifen und sagen: Wir brauchen Investitionen, um dieses Land am Laufen zu halten.
(Beifall bei der LINKEN)
Von der schwarzen Null kann keiner leben, Herr Gabriel. Das ist das Problem.
(Zuruf von der CDU/CSU: Doch! Die Enkel!)
– Zu Ihnen komme ich gleich noch.
Gerade hat sich Herr Fuchs in seinen hervorragenden Ausführungen – er ist ja wirklich ein Fuchs in dieser Frage –
(Heiterkeit bei der LINKEN)
noch einmal für private Investitionen ausgesprochen. Dazu sagt Herr Bofinger, Wirtschaftsweiser – ich habe den Eindruck, er ist ein bisschen weiser als Herr Fuchs –:
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Er ist nicht der Berater von Herrn Fuchs! Das kann ich bestätigen! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)
– Public Private Partnership –
Sie legen hier also ein Konzept vor, das vielleicht Ihren Freunden Gewinn verschafft; aber der Steuerzahler muss es zahlen. Es ist Unfug und deshalb abzulehnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gäbe eine Lösung, wie wir tatsächlich ohne zusätzliche Schulden das finanzieren könnten, was notwendig ist. Diese Lösung hatte auch die SPD ein Stück weit in ihrem Wahlprogramm stehen; ich habe mich darüber gefreut. Ihr habt das leider zu schnell aufgegeben. Der Punkt, den ich meine, ist: Natürlich brauchen wir auch vernünftige Steuererhöhungen,
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ah!)
um das zu bezahlen, und zwar Steuererhöhungen bei denen, denen das nicht wehtun. In der Bundesrepublik Deutschland befinden sich 35 Prozent des Vermögens im Besitz des reichsten Prozents. Das sind übrigens die Vermögen, die trotz Krise weiter gewachsen sind. Wenn wir nicht dort, wo das Wachstum gelandet ist, bei den Privaten,
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ein Porsche fahrender Sozialist kann so was alles schnell fordern!)
durch Steuern etwas abschöpfen, dann wird der Staat künftig nicht mehr in der Lage sein, seine Aufgaben zu erfüllen; das ist ein großes Problem.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die vielen Häuser in Österreich besteuern wir heftiger!)
– Weil Sie, meine Herren, sich da so aufregen, möchte ich einmal erwidern, was Herr Stephan Hebel in der Frankfurter Rundschau von heute dazu schreibt – ich zitiere –:
– Es können auch Milchbubis sein.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Du liest die verkehrten Artikel! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist eine Klamaukrede!)
Meine Damen und Herren, natürlich wäre es notwendig, dass wir über einen vernünftigen Spitzensteuersatz nachdenken; er liegt nach wie vor 11 Prozentpunkte niedriger als unter Kohl. Und es wäre notwendig, dass wir über eine Abschaffung der Abgeltungsteuer nachdenken und einen vernünftigen Steuersatz entsprechend dem für das private Einkommen vorsehen. Wir müssten auch wieder über eine vernünftige Körperschaftsteuer nachdenken. – Aber Sie lehnen Steuererhöhungen ab und verhindern damit, dass der Staat das Geld bekommt, das er braucht, um seine Aufgaben zu erfüllen. Was daran vernünftig sein soll, verstehe ich nicht.
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Deshalb sind Sie auch nicht an der Macht!)
Jetzt kommen wir zu der Situation, dass – Sie haben das angesprochen – auch die Unternehmen zu wenig investieren. Wundert es Sie eigentlich nicht, dass das so ist? Was ist alles unternommen worden, um die Anreize für die Unternehmen zu erhöhen, damit sie doch bitte schön freudiger Geld investieren. Da wurden die Löhne gedrückt, da wurde der Arbeitsmarkt flexibilisiert, da wurde ein Niedriglohnsektor aufgebaut, da wurden Leiharbeit und befristete Beschäftigung ausgeweitet. Trotzdem investieren die Unternehmen nicht. Haben Sie sich eigentlich einmal die Frage gestellt, warum? Die einzige Erklärung dafür ist offensichtlich, dass die Senkung des Faktors Lohnkosten nicht ausreicht; wir brauchen Nachfrage.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Dadurch, dass Sie die Löhne und die Renten senken in diesem Land, machen Sie die Nachfrage kaputt. Das gilt auch auf europäischer Ebene: Durch das Abwürgen der Wirtschaft in Südeuropa haben Sie dazu beigetragen, dass die Probleme dort zunehmen. Wenn die Nachfrage fehlt – egal ob in Deutschland oder in Europa –, wird natürlich auch kein Wachstum möglich sein. Sie können sich kaputtsparen und bekommen trotzdem kein Wachstum zustande. Deshalb brauchen wir eine andere Politik. Wir brauchen
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Keine Linken! – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Keine roten Nullen!)
höhere Löhne, höhere Renten und vor allen Dingen ein Investitionsprogramm, und zwar möglichst rasch, für Südeuropa; das ist notwendig.
(Beifall bei der LINKEN)
In der Presse wird von der schwarzen Null geredet und der Finanzminister ist gemeint. Ich wäre also ein bisschen vorsichtig damit, von roten Nullen zu reden.
Kommen Sie langsam zum Schluss?
Meine Damen und Herren, ich habe meine Redezeit bereits ausgeschöpft und werde gleich aufhören. Nur noch eine kleine Bemerkung, die letzte, zu CETA; ich bin auch gleich fertig.
Aber wirklich!
Ich wundere mich nur, Sigmar Gabriel; denn ihr habt etwas ganz anderes gesagt. Es steht ein Investorenschutz im CETA-Abkommen. Ich weiß auch, dass fraglich ist, ob dieses Parlament überhaupt mitreden darf in dieser Frage. Bitte klären Sie das! So ist das wirklich nicht zu akzeptieren.
Danke fürs Zuhören.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Ernst. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist Dr. Joachim Pfeiffer.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3851997 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |