Sigmar GabrielSPD - Wirtschaft und Energie
Frau Kollegin Hajduk, da ich Sie in der Debatte als eine sehr sachbezogene Kollegin kennengelernt habe, liegt mir daran, klarzustellen, worum es bei den Freihandelsabkommen auf gar keinen Fall gehen darf, nämlich um ein Investitionsschutzabkommen – das gilt auch für jede andere Regelung –, das die Möglichkeit bietet, Gesetze oder die Willensbildung in einem demokratisch gewählten Parlament – egal ob auf nationaler oder europäischer Ebene – auszuhebeln. Darum geht es bei dem infrage stehenden Investitionsschutzabkommen nicht. Vielmehr geht es um die Frage, ob die Inanspruchnahme von Schadenersatz- bzw. Entschädigungsregelungen durch solche Investitionsschutzabkommen gegenüber dem nationalen Recht erleichtert wird und ob dadurch möglicherweise der Gesetzgeber indirekt beeinflusst wird.
(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Ich führe darüber eine sachliche Debatte. Das kann man nicht von jedem Teilnehmer erwarten; das verstehe ich.
Es geht also um die Frage, ob durch solche Abkommen indirekt Druck auf den Gesetzgeber ausgeübt wird. Das zu untersuchen, ist in der Tat unsere Aufgabe bei CETA genauso wie bei dem amerikanisch-europäischen Freihandelsabkommen. Einem Freihandelsabkommen, das Investitionsschutz vorsieht und bei dem diese oder eine weitergehende Gefahr durch andere Regelungen besteht, kann man nach meiner Meinung nicht viel abgewinnen.
Wir müssen nur aufpassen, nicht den Eindruck zu erwecken – das würde das Vertrauen der Öffentlichkeit in gewählte Parlamente und Regierungen beschädigen –, dass ein Freihandelsabkommen – egal welches – einen Gesetzgeber an etwas hindern oder auch nur ein Gesetz oder einen Standard in Europa außer Kraft setzen könnte. Das ist nicht Gegenstand der Freihandelsabkommen.
Deutschland hat nämlich bereits 130 solcher Investitionsschutzabkommen abgeschlossen. Im Unterschied zu dem infrage stehenden Freihandelsabkommen sind diese Abkommen zumeist mit Staaten abgeschlossen worden, die Defizite im Rechtsschutz haben. Deswegen ist meine Grundsatzposition: Eigentlich bedarf es solcher Investitionsschutzabkommen mit Staaten mit ausgeprägten Rechtsschutz überhaupt nicht. Aber selbst wenn sie wie bei CETA durch EU und Kanada vereinbart wurden, geht es nie um die Frage, ob eine Parlamentsentscheidung oder eine Regierungsentscheidung dadurch außer Kraft gesetzt werden könnte. Es geht vielmehr um die Frage, ob dabei ein erhöhter Entschädigungsanspruch entsteht.
Mir liegen derzeit zwei Gutachten vor. Nachdem ich selber mit den Gutachtern gesprochen habe, werde ich diese Gutachten Ihnen allen hier im Parlament zur Verfügung stellen. Das eine Gutachten geht davon aus, dass es sich bei CETA selbstverständlich um ein gemischtes Abkommen handelt, sodass der Deutsche Bundestag – genauso wie alle anderen Parlamente – darüber entscheiden muss. Das zweite Gutachten geht davon aus, dass die Investitionsbestimmungen, die zwischen Kanada und der Europäischen Union verabredet wurden, keinen höheren Schutzstandard bieten als das nationale, deutsche Recht, im Gegenteil. Es wird allerdings auch davon ausgegangen, dass sich die Vereinigten Staaten mit einem solch schwachen Investitionsschutzabkommen nicht zufrieden geben werden. Wie gesagt, sobald ich die Chance hatte, mit den Gutachtern zu reden, werde ich Ihnen das alles mitteilen.
Mir liegt nur daran, dass wir in der öffentlichen Debatte niemals den Eindruck erwecken, ein Freihandelsabkommen könne einem souveränen Parlament zum Beispiel in Deutschland, Frankreich oder Italien oder dem Europäischen Parlament Vorschriften machen oder Gesetze, Verordnungen und Standards ändern. Genau das kann ein Freihandelsabkommen nicht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Frau Kollegin Hajduk, ich vermute, dass Sie darauf antworten wollen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3852098 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |