10.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 50 / Einzelplan 09

Julia VerlindenDIE GRÜNEN - Wirtschaft und Energie

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Ich gebe mir Mühe. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die letzten Monate waren geprägt von erschreckenden Nachrichten aus den Krisenregionen unserer Welt: Ukraine, Irak, Syrien, Libyen, Nigeria – die Liste ließe sich lange fortsetzen. Weltweit sind Menschen auf der Flucht und brauchen Hilfe – von uns, sofort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so-wie des Abg. Wolfgang Tiefensee [SPD])

Darüber hinaus müssen wir kritisch reflektieren, was diese Konflikte für unsere Wirtschafts- und Energiepolitik eigentlich bedeuten; denn neben all den schrecklichen Nachrichten über die humanitären Konsequenzen dieser Auseinandersetzungen wird auch unsere Abhängigkeit von Energieimporten deutlich. Etwa die Hälfte unserer Energierohstoffe importieren wir aus Krisenregionen. Diese Abhängigkeit kann außenpolitisch extrem problematisch sein. Und es gibt Menschen, die sich Sorgen machen, dass die verabredeten Energielieferungen womöglich nicht zuverlässig kommen. Manche sagen: Dann müssen wir uns die Energie halt woanders herholen. – In diesem Zusammenhang wird der Begriff der sogenannten heimischen Energiequellen gerne verwendet. Jedoch: Den Menschen einzureden, wir seien langfristig auf fossile Energieträger angewiesen, das ist einfach falsch. Sie von der Koalition wollen eine Steinzeitenergiepolitik mit dreckiger Kohle und mit Fracking durchsetzen.

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE] – Max Straubinger [CDU/CSU]: Da sind wir aber aufgeregt!)

Es soll bei Ihnen einige geben, die meinen, es sei eine gute Idee, Chemikalien unter hohem Druck in die Erde zu pressen, um auch noch das letzte bisschen Erdgas aus dem Boden zu fracken. Aber ich sage Ihnen: Ein viel besserer und dauerhafterer Weg aus der Abhängigkeit von Energieimporten ist es, weniger Energie zu benötigen. Die Energieeffizienz, das Einsparen von Energie, das ist die eigentliche heimische Energiequelle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Verlinden, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mattfeldt?

Gerne.

Ich habe ein bisschen den Eindruck, Sie sind nicht ganz so gut informiert, was die Erdgasförderung insgesamt und insbesondere in Niedersachsen anbelangt.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da täuschen Sie sich!)

Ich würde wirklich gerne einmal wissen, wie Sie dazu stehen, dass der grüne Umweltminister Herr Wenzel es toleriert, dass giftige Frackingfluide, dass Lagerstättenwasser sogar in Trinkwasserschutzgebieten verpresst werden dürfen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Was?)

Wenn man im Glashaus sitzt, sollte man nicht mit Steinen werfen. Vielleicht können Sie mir einmal erläutern, warum das von einem grünen Umweltminister nicht zurückgenommen wird. Diese Kritik müssen Sie sich gefallen lassen.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr sagt, es ist giftig!)

Herr Mattfeldt, ich bin darüber informiert, dass Sie ein Skeptiker der Frackingtechnologie sind. Da sind wir einer Meinung.

(Philipp Graf Lerchenfeld [CDU/CSU]: Das war nicht die Frage! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Es geht um das Handeln!)

– Ja, genau. Es geht um das Handeln. – Deswegen warte ich seit einiger Zeit darauf, dass die Bundesregierung endlich einen Vorschlag für eine Änderung des Bundesbergrechts vorlegt;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

denn nur so können wir rechtssicher die Frackingtechnologie verhindern.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Was sagen Sie zum Handeln des Ministers?)

Wir brauchen mehr als nur eine Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes.

(Karl Holmeier [CDU/CSU]: Thema verfehlt!)

Wir brauchen mehr als nur eine Änderung der Umweltverträglichkeitsprüfung für Bergbau. Wir brauchen klare Anweisungen aus Richtung der Bundesregierung. Wir als Bundesländer können die Missstände, die auf Bundesebene existieren, nicht ausmerzen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an Bundesminister Sigmar Gabriel gewandt: Vorsicht, die Niedersachsen!)

Wir können das Thema aber gerne einmal bei einem Kaffee vertiefen, Herr Mattfeldt.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Sie alle reden immer von Energieeffizienz, aber ich glaube, Sie haben es noch nicht verstanden

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Ah!)

als echte Strategie der Energie-, Wirtschafts- und Außenpolitik. Sie alle sprechen immer in Ihren Reden davon, aber es passiert nichts. Energieeffizienz nützt nicht nur dem Klima, sondern schont auch unsere Kassen. Derzeit geben wir 100 Milliarden Euro für den Import von Erdöl, Erdgas und Kohle aus, und zwar jedes Jahr. Diese Ausgaben zu senken, sollte doch auch in Ihrem Interesse sein.

Mehr als 35 Prozent unseres Erdgases kommt aus Russland. Dieses Gas benötigen wir in erster Linie zum Heizen des Fraunhofer-Instituts IWES. Eine Studie hat jüngst gezeigt, dass wir durch eine schnellere energetische Sanierung unserer Häuser und durch einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien diese Erdgasimporte bis 2030 komplett überflüssig machen können. Dafür müssen wir aber jetzt mit dem Energiesparen anfangen. Das heißt, wir brauchen eine spürbare Erhöhung der KfW-Mittel für energetische Sanierung. Dies ist im augenblicklichen Entwurf des Haushalts leider nicht vorgesehen. Aber nicht nur das: Wir brauchen auch einen Energiesparfonds, mit dem wir Effizienzpolitik und Energieeinsparungen umfassend, sozial gerecht und wirkungsvoll finanzieren. Das wäre der richtige Weg, um hier endlich voranzukommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit der Bundestagswahl ist nun fast ein Jahr vergangen. In den Wahlprogrammen aller im Bundestag vertretenen Parteien finden sich, wie gesagt, diese rhetorisch starken Bekenntnisse zur Energieeffizienz. Aber es geht ums Handeln. Das haben Sie ja eben sehr richtig angemerkt. Selbst im Wahlprogramm der FDP stand etwas zum Thema Energieeffizienz. Aber was ist in diesem Bereich seit einem Jahr passiert? So gut wie gar nichts.

(Thomas Jurk [SPD]: Die Mittel gehen hoch!)

Diesmal können Sie nicht der FDP die Schuld dafür geben.

(Thomas Jurk [SPD]: Die Mittel gehen nach oben!)

– Nein, gehen sie nicht.

(Thomas Jurk [SPD]: Doch! Haushalt lesen!)

Der vorliegende Haushaltsentwurf steht nicht für große Sprünge bei der Energieeffizienz im nächsten Jahr, schlimmer noch, es geht schrittchenweise zurück mit der Energiewende. Es geht zurück, Herr Jurk. So wollen Sie zum Beispiel die Mittel für das eben angesprochene erfolgreiche Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien im Wärmebereich um 12 Millionen Euro kürzen. Wie passt das bitte schön mit der Energiewende zusammen?

(Thomas Jurk [SPD]: Energieeffizienz!)

Zur Erinnerung, Herr Gabriel: Auch diese Legislaturperiode dauert nur vier Jahre. Das erste Jahr ist um. Es wird langsam Zeit, dass Sie in die Hufe kommen. Wir brauchen eine Energieeinsparpolitik, die sich auch im Bundeshaushalt ganz klar niederschlägt, und zwar jetzt, sofort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Mark Hauptmann.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3852242
Wahlperiode 18
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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