Inge HögerDIE LINKE - Verteidigung
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Letzte Woche traf sich die NATO in Wales zu ihrem Kriegsrat. Ich habe mit Aktivistinnen und Aktivisten der britischen und der internationalen Friedensbewegung an den Protesten gegen diese Konferenz teilgenommen.
(Beifall bei der LINKEN)
Leider gab es sehr viele Gründe für Protest. Denn neben dem verbalen Säbelrasseln – das kennen wir ja schon – gab es konkrete Verabredungen für eine weitere Aufrüstung des Bündnisses.
(Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Allein die Vorgabe, dass die Mitgliedstaaten 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fürs Militär ausgeben sollen, ist völlig inakzeptabel.
(Beifall bei der LINKEN)
Das würde für Deutschland eine Aufstockung der Ausgaben von zurzeit etwa 32 Milliarden Euro auf 56 Milliarden Euro bedeuten. Das wäre eine haushaltspolitische Katastrophe. Aber ein lautes und deutliches Nein der Bundesregierung oder auch von Frau von der Leyen gegen diese Zumutung habe ich bisher nicht gehört.
Ebenfalls nicht gehört habe ich ein Nein zur Atomaufrüstung. Die geplante Modernisierung der Atomwaffen wird auch von Deutschland mitbezahlt. Die in Büchel stationierten US-Atombomben müssen abgezogen und entsorgt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Einen Ersatz durch neue, moderne Massenvernichtungswaffen darf es nicht geben.
Der renommierte US-Politikwissenschaftler John Mearsheimer machte vor kurzem klar, dass die Darstellung, Russland sei der maßgebliche Verursacher der Ukraine-Krise, schlicht falsch ist.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Er wies auf die NATO-Osterweiterung als Wurzel des Konfliktes hin. Diese verfehlte Ostpolitik setzt die NATO mit ihren Beschlüssen von Wales fort. Sicherheit lässt sich nicht gegen, sondern nur mit Russland herstellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Säbelrasseln und Aufmärsche helfen dabei nicht weiter.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wer macht denn Aufmärsche?)
Denken Sie nun nicht, ich sei blind gegenüber der russischen Politik. Als Abrüstungspolitikerin halte ich die Sezession der Krim für mehr als bedenklich.
(Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU]: Immerhin! – Dr. Fritz Felgentreu [SPD]: Annexion!)
Aber man muss immer beide Seiten sehen, um das beurteilen zu können. Und die Politik der NATO eröffnet keine gemeinsame Friedensperspektive. Sie verstärkt eine neue Blockkonfrontation. Ein Zurück zu einem Entspannungsprozess geht nicht mit dem Ausbau von neuen Militärbasen im Osten.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber das wurde nun von der NATO beschlossen. Das ist ein völlig falsches Signal.
Lassen Sie es mich deutlich sagen: In Wales wurde der Bruch der NATO-Russland-Akte vorbereitet oder zumindest perspektivisch ermöglicht. Die neuen Militärbasen sollen zwar dauerhaft nur mit einer überschaubaren Anzahl von einigen Hundert Militärangehörigen besetzt werden, aber sie sollen die Infrastruktur und die Ausrüstung für wesentlich größere Einheiten bereithalten. Damit schafft sich die NATO die Möglichkeit, größere Einheiten nach Osten zu verlegen. Anstatt neue Militärbasen auszubauen, sollte sie besser die bereits existierenden schließen.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das wird ja immer schlimmer!)
Auch die geplante neue und angeblich superschnelle Eingreiftruppe ist garantiert kein Schritt zur Deeskalation. 4 000 bis 5 000 Soldatinnen und Soldaten sollen in dieser neuen Speerspitze für Interventionen zusammengefasst werden, und sie sollen innerhalb weniger Tage einsatzbereit sein. Wie das mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz übereinstimmen kann, frage ich mich. Die Linke spricht sich gegen jede Kriegsvorbereitung und gegen die Einschränkung der Rechte des Parlaments aus.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU]: Sie dient der Verteidigung, nicht dem Angriff!)
Lassen Sie mich zum Abschluss noch zum Thema Drohnen kommen. Frau Ministerin, Sie haben zu Beginn des Sommers gegenüber den Medien erklärt, dass Sie der Überzeugung seien – Zitat –,
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)
Es wundert Sie sicherlich nicht, dass ich diese Überzeugung nicht teile. Weltweit sind schon 80 Staaten im Besitz von Drohnen. Viele davon erwägen die Entwicklung von Kampfdrohnen oder haben bereits damit begonnen. Die New York Times warnte vor kurzem vor einem Rüstungswettlauf in diesem Bereich. Glaubt hier wirklich jemand, dass die Existenz von noch mehr Kampfdrohnen dazu führt, dass das Völkerrecht besser geachtet wird oder dass diese Tötungsmaschinen dann seltener und verantwortungsvoller eingesetzt werden? – Sie wissen, dass damit nicht zu rechnen ist. Im Gegenteil, die Schwellen in einen Krieg werden so immer weiter gesenkt. Wer wirklich die Zivilisation gegen die Barbarei verteidigen will, der muss sich für einen sofortigen Ausstieg aus dieser Technologie einsetzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen eine globale und völkerrechtlich bindende Ächtung von Kampfdrohnen. Ich möchte alle diejenigen, die sich gegen Drohnen und für Frieden einsetzen wollen, auffordern, sich am 4. Oktober am Globalen Aktionstag gegen Kampf- und Überwachungsdrohnen zu beteiligen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die zentrale Lehre aus dem Grauen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges ist und bleibt die Forderung: Nie wieder Krieg!
(Beifall bei der LINKEN)
Als nächste Rednerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat die Kollegin Karin Evers-Meyer von der SPD das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3852391 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |