Karin Evers-MeyerSPD - Verteidigung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns in der Koalition einig: Wir wollen 2015 keine neuen Schulden machen. Wir wollen, dass Deutschland in schwierigen Zeiten ein Stabilitätsanker in Europa bleibt. Und wir wollen keine neuen Schulden zulasten unserer Kinder und Enkel. Wir wollen natürlich auch deswegen keine neuen Schulden machen, weil wir uns für die Zukunft Handlungsspielräume erhalten wollen, die wir sicherlich auch im Verteidigungsetat noch brauchen. Wir haben uns also in der Koalition auf einen Keine-neue-Schulden-Pakt verständigt. Selbstverständlich wird auch der Verteidigungsetat dazu seinen Beitrag leisten. Das nur einmal vorweg, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das bedeutet aber nicht, dass wir vor den bestehenden und künftigen finanziellen Notwendigkeiten im Verteidigungsetat die Augen verschließen. Ganz im Gegenteil, der vorliegende Haushaltsentwurf bietet auch heute schon Spielraum dafür, Dinge besser zu machen: für die Bundeswehr genauso wie für die Soldatinnen und Soldaten und die Zivilbeschäftigten, die ihren Dienst dort versehen. Dass viele Dinge besser werden müssen, darüber sind wir uns mit den Kollegen aus dem Fachressort weitgehend einig.
Es muss investiert werden in die Bundeswehr: in die Beschäftigten – Stichwort: Attraktivität – und natürlich auch dringend ins Material. Das geht los bei Zulagen, Beförderungsmöglichkeiten und Ruhestandsbezügen, es geht weiter bei der persönlichen Ausrüstung, zieht sich hin über den zum Teil wirklich erbärmlichen Zustand von Kasernen und anderen Liegenschaften und landet schließlich bei großen Beschaffungsprojekten. Wir sind uns über den Bedarf in diesen Bereichen, jedenfalls im Grundsatz, einig, auch über die Regierungskoalition hinaus.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die meisten von uns sind lange genug im Verteidigungsressort unterwegs, um zu wissen, dass wir da nicht nur und auch nicht in erster Linie über Probleme sprechen, die man mit mehr Geld allein lösen kann. Aus diesem Grund erwarte ich zumindest von denjenigen, die sich intensiver mit Verteidigungspolitik beschäftigen, dass sie das auch so klar und differenziert in der Öffentlichkeit sagen. Mehr Geld allein wird die zum Teil gravierenden Probleme im Verteidigungsbereich nicht lösen. Wer heute nach dem Motto „Wir nutzen jetzt einmal die Gunst der Stunde, um eine Schippe draufzulegen“ argumentiert, der macht es sich nicht nur viel zu einfach, sondern verplempert schlicht und ergreifend das Geld der Steuerzahler, verehrte Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wenn Soldatinnen und Soldaten heute völlig zu Recht ihr Leid klagen, weil irgendein Ausrüstungsgegenstand nicht zur rechten Zeit am rechten Ort verfügbar ist, dann ist das Problem nicht immer nur darin zu suchen, dass kein Geld da ist. Das Problem ist oft genug, dass entweder der Beschaffungsprozess wilde Blüten treibt oder das benötigte Teil gerade genau da ist, wo es gerade nicht gebraucht wird. Die heruntergekommenen Liegenschaften, in denen hochmoderne U-Boote für 500 Millionen Euro das Stück liegen, sind ein Trauerspiel, aber eben keines, das sich nur ums Geld dreht. Die Frage ist vielmehr, warum vorhandenes Geld nicht abgerufen wird und die notwendigen Aufträge nicht endlich rausgehen.
Damit komme ich quasi nahtlos zum größten Brocken, nämlich zu den großen Beschaffungsprojekten unserer Zeit. Da muss ich einmal aus einem Rahmenerlass zur Neuordnung des Rüstungsbereiches zitieren, den Verteidigungsminister Helmut Schmidt Anfang der 70er- Jahre in Kraft gesetzt hat – ich finde das wirklich sehr spannend –:
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann eigentlich nur sagen: Willkommen zurück in der Gegenwart! Aus dem Haushalt 2013 war über 1 Milliarde Euro nicht abgeflossen, aus dem Haushalt 2014 wird voraussichtlich knapp 1 Milliarde Euro nicht abfließen, und man braucht kein Prophet zu sein, um für 2015 fast das Gleiche zu prognostizieren. Der Grund dafür ist: Bestellte Rüstungsgüter werden nicht oder nicht pünktlich oder nicht so, wie bestellt, ausgeliefert.
Bei allem Verständnis für die Komplexität des Problems: Wie soll der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages denn mit so etwas umgehen? Wie sollen wir damit umgehen, dass solche Summen einfach nur so umherschwirren? – Das kann man nicht akzeptieren. Deswegen gilt: Bevor wir über Geld sprechen, und erst recht, bevor wir über mehr Geld sprechen, muss aufgeräumt werden. Es gibt Probleme im System, und da nützt es nichts, mehr Geld obendrauf zu schütten.
(Beifall bei der SPD)
Voraussetzung für Wahrheit und Klarheit im Verteidigungshaushalt ist heute vor allem Wahrheit und Klarheit innerhalb der Beschaffungsprozesse im BMVg. Das Bundesministerium der Verteidigung hat angekündigt, dass genau dafür gesorgt werden soll. Das ist sehr gut, und wir unterstützen das. Wir erwarten also in Kürze einen Bericht zur Klarlage. Dann wissen wir, was an Gerät da ist und was davon einsatzbereit ist. Wir erwarten in Kürze auch den Bericht des von der Ministerin eingesetzten Prüfkonsortiums. Dann müssen endlich Entscheidungen auf den Tisch. Es muss dann ein klarer Fahrplan auf den Tisch, in dem steht, was beschafft werden soll, was wir brauchen und wofür, wie beschafft werden soll und mit wem wir das vielleicht gemeinsam beschaffen können. Insofern gibt es tatsächlich eine Gunst der Stunde. Es ist aber nicht die Stunde des finanziellen Aufwuchses – die Ministerin hat das ja eben auch sehr deutlich gesagt –, es ist vielmehr die Stunde sauberer Grundlagenarbeit.
Sie, Frau Ministerin, haben die Chance, nach vielen vertanen Jahren, für die Sie natürlich nicht haften, vernünftige, transparente Prozesse zu etablieren, damit das Geld, das da ist, intelligent und effizient investiert werden kann. Sie haben jetzt die Chance, mit der Industrie ein offenes Wort über Kosten, über die Einhaltung von Fristen und natürlich auch über die Einhaltung von technischen Anforderungen zu sprechen; denn natürlich ist auch die Industrie ein Teil des Problems. Sie haben jetzt auch die große Chance – auch vor dem Hintergrund des NATO-Gipfels in Wales –, sich die richtigen Partner zu suchen, mit denen wir Beschaffungsprojekte vielleicht gemeinsam stemmen können.
Ich erwarte vom angekündigten Beschaffungskonzept des Ministeriums mehr als Ideen für ein Framework. Wir wollen klare europäische und internationale Optionen. Geben Sie den Startschuss für echte europäische Beschaffungsszenarien! In diesem Zusammenhang danke ich dem Wirtschaftsminister dafür, dass er gerade das Thema „Europäische Perspektiven der Rüstungsindustrie“ auch von seiner Seite aus anpackt.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Worte direkt an die Soldatinnen und Soldaten richten. Ich betreibe schon lange Verteidigungspolitik und weiß aus unzähligen Gesprächen, wo Dinge schieflaufen und wo Ihnen die Sorgen unter den Nägeln brennen. Das Gleiche gilt für meine Kolleginnen und Kollegen im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss. Seien Sie sicher: Wir gehen nach bestem Wissen und Gewissen und mit hoher Verantwortung mit Ihren Sorgen um. Wir haben die feste Absicht, auch im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für den Haushalt 2015, dafür zu sorgen, dass Sie weiterhin einen guten Job machen können und dass sich Ihre Arbeit für Sie und Ihre Familien auszahlt. Wir sind stolz auf unsere Parlamentsarmee, und wir sind stolz auf die Bundeswehr und auf die Arbeit, die Sie dort jeden Tag an vielen Orten der Welt leisten. Dafür danke ich Ihnen auch heute wieder.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächste Rednerin hat die Kollegin Agnieszka Brugger von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3852431 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |