Erika SteinbachCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit diesen weltfremden und realitätsfernen Vorschlägen meines Vorredners will ich mich gar nicht auseinandersetzen.
(Zurufe von der LINKEN: Oh!)
Die deutsche und die europäische Außenpolitik stehen vor und in gewaltigen Herausforderungen. Wenn wir heute rund um den Globus schauen, sehen wir die Welt in zu vielen Regionen in dramatischer Situation, und zwar nicht nur in entfernten Ländern, sondern auch so erschreckend nah, dass es uns unter die Haut geht, nämlich im Osten unseres eigenen Kontinents, in Europa.
Gleichzeitig erinnern wir uns in diesem Jahr an ganz wichtige historische Daten, darunter zwei große, die mit Krieg zu tun haben. Gestern fand hier im Deutschen Bundestag die Gedenkstunde zum Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren statt. Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski hat in seiner sehr bemerkenswerten Rede nicht nur den Wert und das Wunder der Versöhnung und des Miteinanders hervorgehoben, sondern er hat uns auch sehr gemahnt, dass wir alle in Europa die gemeinsame Aufgabe haben, die aktuelle Bedrohung auf unserem Kontinent auch aus den Lehren der Vergangenheit heraus zu bewältigen.
Für die deutsche Außenpolitik waren und sind auch deshalb militärische Mittel keine Option zur Bewältigung der Ukraine-Krise. Ich danke der Bundesregierung für ihren unermüdlichen diplomatischen Einsatz rund um die Uhr in zahllosen Gesprächen und Verhandlungen, um befriedend einzuwirken. Das kostet viel Geduld, das kostet Nerven, zumal wenn das Gegenüber über einen langen Zeitraum mündliche Zusagen macht, die Taten aber die geradezu entgegengesetzte Sprache sprechen. Im Volksmund würde man schlicht von „Lüge“ reden.
Unsere Bundesregierung hat alles, aber auch alles darangesetzt, um die Gemeinsamkeiten insbesondere der Europäischen Union in dieser nicht ungefährlichen Lage zu erhalten und diese Gemeinsamkeiten sogar noch zu stärken. Eine unverzichtbare Stütze für diesen ganzen Problemkreis waren und sind natürlich die Vereinigten Staaten von Amerika und auch die NATO für uns gewesen. Heute scheint es, als trügen die diplomatischen Bemühungen und die unverzichtbaren Sanktionen – sie sind unverzichtbar, will ich zur Linken hin sagen –
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist falsch!)
gegen die russische Annexionspolitik langsam Früchte. Ich sage ganz ausdrücklich, dass es sich nicht um eine Politik gegen Russland und seine Menschen handelt, sondern es handelt sich um die unverantwortliche Machtpolitik des Kremls, gegen die wir agieren müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es gibt in Deutschland viele Sympathien für Russland und für seine Kultur. Ich liebe Tschaikowsky und seine 6. Sinfonie. Es geht mir das Herz auf, wenn ich dieses Werk höre. Die Werke von Dostojewski und Tolstoi sind auch für uns hier in Deutschland unverzichtbare Weltliteratur. Unsere deutsche Außenpolitik hat auch in den vergangenen Monaten durch unseren Außenminister und die Bundeskanzlerin sehr deutlich gemacht, dass die Türen für ein gutes Miteinander zu Russland offen sind und dass diese Türen offen bleiben sollen.
Was uns alle antreibt, ist aber auch der Wille, deutlich zu machen, dass das Völkerrecht, dass die Menschenrechte auf unserem Kontinent verteidigt werden müssen und dass wir bereit sind, sie zu verteidigen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Alle in Europa müssen die Souveränität von Staaten und die Unverletzlichkeit staatlicher Grenzen respektieren. Sonst, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wird es kein dauerhaftes friedliches Miteinander auf unserem Kontinent geben können.
Wenn nun unser Blick in den Nahen Osten und in den arabischen Raum oder nach Afrika geht, verstummen einem fast die Worte vor dem Entsetzlichen, was dort geschieht. Nur wenige Beispiele: die Gewaltexzesse der menschenverachtenden Terrormiliz „Islamischer Staat im Irak“ und sogar darüber hinaus, der Bürgerkrieg in Syrien, die Massaker im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik. Die Triebkraft der Gewalt ist in diesen Gebieten weitgehend religiöser Fanatismus. Samuel Huntingtons These von einem Kampf der Kulturen als neue Bruchlinie und Hauptursache für Konflikte und für politische Instabilität scheint sich in diesen Regionen erschreckend zu bestätigen.
Das macht vor unseren Türen nicht halt, wenn wir nicht wachsam sind. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ fordert von Andersgläubigen das Konvertieren zum Islam ein, ansonsten drohten Tod, Vertreibung, Enteignung. Deshalb muss es uns hier in Deutschland alarmieren, dass in Wuppertal eine sogenannte Scharia-Polizei in der Innenstadt eine „Scharia-kontrollierte Zone“ für Muslime propagierte und die strenge Einhaltung von muslimischen Verhaltensregeln einforderte. Das ist eine Vorstufe dessen, was wir im Irak in ganz entsetzlicher Form erleben. Gegen diese religiöse Intoleranz muss unser Staat genauso konsequent vorgehen wie gegen die Bedrohung von christlichen Flüchtlingen in Asylbewerberheimen durch muslimische Flüchtlinge.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es kann doch nicht sein und es darf auch nicht sein, dass wir in Deutschland durch importierte Intoleranz unsere Werte aushebeln lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Es reicht schon die eigene Intoleranz!)
Der Satz „Wehret den Anfängen!“ gilt auch hier.
Die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge ist in Deutschland deutlich gestiegen. Wir brauchen zügige Verfahren, und die Anträge müssen baldmöglichst entschieden werden. Wir können erkennen: Die Hilfsbereitschaft hier im Lande ist wirklich groß. Das liegt auch daran, dass viele Millionen deutsche Heimatvertriebene und Aussiedler sowie deren Kinder wissen, was es bedeutet, heimatlos und entwurzelt zu sein. Deshalb begrüße ich sehr – ich bedanke mich dafür bei der Bundesregierung –, dass ein jährlicher Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung beschlossen wurde und dabei insbesondere an das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen erinnert werden soll.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gerade im Hinblick auf künftige Generationen ist es gut, dass dieser Gedenktag jährlich am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, begangen wird. Damit wird das wichtige Signal gesetzt, dass Menschenrechte unteilbar sind. Die deutschen Heimatvertriebenen stehen an der Seite der heutigen Vertriebenen weltweit und fühlen mit ihnen.
Mit Erschrecken müssen wir erkennen, dass Vertreibung keine Vokabel von gestern ist; Vertreibung stellt vielmehr eine wachsende Herausforderung für die Zukunft und die ganze Weltgemeinschaft dar.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mehr als 51 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht oder werden vertrieben. Aufnahmeprogramme in Deutschland sind da ein Zeichen des guten Willens und der Hilfsbereitschaft, aber sie können nur ganz marginal die Not für sehr wenige lindern, selbst wenn wir die Programme aufstocken. Wichtig und richtig ist deshalb der Weg der Bundesregierung und der deutschen Außenpolitik, alles Erdenkliche zu tun, um den Bedrängten vor Ort zu helfen und dort befriedend einzuwirken.
Das zentrale Ziel unserer Politik und der Völkergemeinschaft muss die Durchsetzung des Heimatrechts der Minderheiten auch im Irak sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Alles andere würde den IS-Terroristen mit ihren Vertreibungen und ihrer perfiden Strategie in die Hände spielen. Das können wir nicht wollen. Auch die Repräsentanten der irakischen Minderheiten im Lande selbst und hier bei uns in Deutschland sehen das so und fordern, dass Jesiden und Christen in ihrer angestammten Heimat eine Zukunft haben müssen. Wir müssen also vor allem vor Ort helfen, um den Menschen dort eine Perspektive zu geben, damit die jahrhundertealten religiösen und kulturellen Traditionen bewahrt werden können. Dem trägt die Bundesregierung mit ihrer Kombination aus humanitärer Hilfe und Stärkung der militärischen und politischen Kapazitäten des irakischen Staates Rechnung. Diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen.
Alles in allem stelle ich fest: Die deutsche Außen- und Menschenrechtspolitik nimmt ihre Verantwortung in der Völkergemeinschaft für Deutschland wahr und zeigt sich solidarisch mit den Flüchtlingen.
Frau Kollegin!
Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. – Die Bewahrung des Friedens für Deutschland und für Europa ist eine Aufgabe, die bei dieser Bundesregierung in sehr guten Händen liegt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat nun der Kollege Tobias Lindner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 51 |
Agenda Item | Auswärtiges Amt |