11.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 51 / Einzelplan 05

Frank SchwabeSPD - Auswärtiges Amt

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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, es ist eine Haushaltsdebatte. Bei einer Haushaltsdebatte geht es um die Generallinien der Politik. Es geht aber eben auch darum, wie diese Generallinien der Politik im Haushalt abgebildet werden. Ich will gleich am Anfang mit der Tür ins Haus fallen: Es ist vielfach gesagt worden, dass der Ansatz für die humanitäre Hilfe zu gering ist. Hier muss innerhalb der Haushaltsberatungen – dafür sind es ja auch Haushaltsberatungen des Parlaments – deutlich aufgestockt werden; das ist völlig klar.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man muss Deutschland loben, weil die Ansätze in den letzten Jahren durchaus deutlich erhöht worden sind und Deutschland wirklich eine führende Rolle bei der humanitären Hilfe spielt. Aber die Herausforderung ist vielfach benannt worden in dieser Haushaltsdebatte, auch gestern Abend in der Debatte zur Entwicklungszusammenarbeit. Es gibt 51 Millionen Flüchtlinge weltweit. Das ist die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Es gibt noch viel mehr Hilfsbedürftige. Die Vereinten Nationen schätzen, dass wir allein im Jahr 2014 etwa 17 Milliarden US-Dollar brauchen, um den Bedarf an humanitärer Hilfe zu decken. Das Schlimme an dieser Zahl ist eigentlich, dass dieser Bedarf zurzeit erst zu 40 Prozent gedeckt ist. Das heißt umgekehrt: 60 Prozent des Bedarfs sind nicht durch entsprechende Mittel gedeckt. Das bedeutet letztendlich, dass wir – nicht wir alleine, aber mit anderen in der Weltgemeinschaft – über Leben und Tod von Hunderttausenden von Menschen entscheiden. Das ist so. Deswegen geht es hier wirklich nicht um Zahlenhuberei, sondern ganz konkret um das Schicksal von Menschen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich finde es richtig, dass wir im Deutschen Bundestag über Mandate der Bundeswehr diskutieren, sehr engagiert und heftig über Waffenlieferungen in den Irak diskutieren, über Afghanistan-Mandate und anderes. Ich würde mir allerdings wünschen, dass wir, wenn man die Dimension der Herausforderungen und die Möglichkeit, Menschen zu helfen, bedenkt, mit ähnlicher Intensität eben auch über die Einsätze im Bereich der humanitären Hilfe international diskutieren,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

über das, was gut läuft, aber eben auch darüber, wo wir zukünftig noch helfen können. Denn es ist vollkommen klar: Mit Waffengewalt werden wir Not und Elend in der Welt nicht besiegen, mit humanitärer Hilfe im Übrigen auch nicht. Aber wir können verdammt viel tun, um das Leid und das Elend der Menschen zu mindern. Insofern, glaube ich, ist beim Finanzminister auch der Ruf des gesamten Hauses heute gehört worden.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf das Thema Ebola eingehen. Aktuell sind Hunderttausende von Menschen bedroht, nicht nur durch die Krankheit Ebola selbst, sondern auch dadurch, dass sehr viele Menschen in den vier betroffenen westafrikanischen Staaten zurzeit überhaupt nicht mehr behandelt werden. Wenn sie mit einer Erkältung, mit einem Schnupfen oder mit schlimmeren Erkrankungen zum Arzt gehen, werden sie zum Teil überhaupt nicht mehr behandelt. Es erreichen uns dramatische Appelle, zum Beispiel der Ärzte ohne Grenzen, die dort engagiert sind. Ihnen möchte ich wirklich einmal stellvertretend für viele danken. Diese Menschen setzen täglich ihr Leben aufs Spiel. Vielen Dank für diese Arbeit!

(Beifall im ganzen Hause)

Die Botschaft, die uns erreicht, ist, dass sie sich alleingelassen fühlen. Mittlerweile gerät die Situation in Westafrika völlig aus den Fugen. Mich hat gestern ein Brief von Dr. Amegashie erreicht – ich habe ihn auch gleich weitergeleitet an den Außenminister –, der dringend um Schutzkleidung, Ambulanzfahrzeuge und anderes bittet. Er beschreibt konkret, woran es eigentlich mangelt. Mir ist vollkommen klar, dass man die Hilfe über die WHO koordinieren muss. Trotzdem frage ich mich, ob wir eigentlich genug tun, ob es eigentlich nicht viel schneller gehen könnte, Schutzanzüge zu liefern, Fahrzeuge zu liefern, Medikamente zu liefern, Diagnoseeinrichtungen zu liefern. Ich glaube, dass Europa und auch Deutschland in den nächsten Wochen mehr tun müssen, sehr viel mehr tun müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will zum Schluss – ich muss mich ja zeitlich etwas beschränken – noch auf die Situation der Flüchtlinge vor Ort aufmerksam machen. Natürlich wollen wir den Menschen in den Herkunftsländern helfen – gar keine Frage. Deswegen müssen wir ja die Mittel für die humanitäre Hilfe und die Nothilfe massiv erhöhen. Am Ende wird es aber trotzdem so sein, dass viele Menschen den beschwerlichen Weg auf sich nehmen und zu uns kommen, wenn sie nicht jammervoll im Mittelmeer ertrinken oder in der Türkei, in Jordanien oder in anderen Ländern landen. Mein Eindruck ist, dass – auch bei uns – mit Blick auf die Situation der Flüchtlingsunterkünfte, aber auch auf das Verständnis der Menschen vor Ort noch viel getan werden muss.

Ich habe gestern sehr intensiv mit einer Schulklasse aus meinem Wahlkreis diskutiert. Mein Eindruck ist, dass noch nicht richtig angekommen ist, welchem Elend die Menschen ausgesetzt sind, um die es sich hier handelt. Ich fordere uns alle auf – ich glaube, das ist unsere Aufgabe –, in den Wahlkreisen mit den Menschen, mit den Kirchen, mit vielen gesellschaftlichen Organisationen zu diskutieren, um mit Blick darauf, was in der Tat – ob wir es wollen oder nicht – in den nächsten Wochen und Monaten auf uns zukommt, ein entsprechendes Klima zu schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erhält nun der Kollege Detlef Seif für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Electoral Period 18
Session 51
Agenda Item Auswärtiges Amt
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