11.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 51 / Einzelplan 11

Ewald SchurerSPD - Arbeit und Soziales

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren über den Einzelplan 11, über den Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Dieser zentrale Haushalt umfasst, wie schon dargestellt, immerhin fast 125 Milliarden Euro, also eine stolze Summe. Das entspricht fast 42 Prozent der Summe des aktuell vorliegenden Haushaltsentwurfs des Bundes für das Jahr 2015.

Von der Frau Ministerin und der Kollegin Weiss wurde schon dargestellt, dass dieser Haushalt die großen Lebensbereiche der Menschen verkörpert. Ein Haushalt ist nie Selbstzweck. Die einzelnen Haushaltstitel stehen für Inhalte, zum Beispiel für den Bereich Rente und den Bereich Arbeit. Es geht um das Leben der Menschen, um die berufliche Bildung, die nach der hoffentlich guten schulischen Bildung beginnt. Dann geht es um das Arbeitsleben, das für die Menschen, wenn es gut läuft, später einmal bei guter Gesundheit im Rentenbezug mündet. Ich kann das Postulat unterschreiben: Es ist ein Erfolg, wenn Menschen möglichst lange am Berufsleben partizipieren können, wenn sie möglichst lange mitwirken können und zum geeigneten Zeitpunkt in Rente gehen können. Das ist das Ziel der sozialdemokratischen, aber auch, glaube ich, der christdemokratischen Renten- und Arbeitspolitik. In diesem Sinne legen wir diesen Haushalt vor.

(Beifall bei der SPD)

Auch ich will – nicht nur aus Routine – dem Ministerium für Arbeit und Soziales Dank sagen. Ich danke der Leitung des Hauses, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem BMF und allen Mitarbeitern in den Bundestagsbüros. Es ist keine Selbstverständlichkeit, sich durch so große Haushalte durchzuarbeiten und alle Details sauber, ordentlich und beratungsfähig vorzulegen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, bei aller Kritik, die ich vernommen habe, aber zurückweisen muss, weil etwas isoliert dargestellt wurde, nicht stimmt oder aus dem Kontext gerissen wurde – das gilt zum Teil auch für die Kritik von Frau Kipping –, muss man feststellen: Im Jahr 2014 werden laut aktuellem Haushalt für die Rentenversicherung, für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 88,4 Milliarden Euro ausgegeben.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das war der Kompromiss! Das ist was anderes!)

Diese Summe wird sich peu à peu auf 101,3 Milliarden Euro in 2018 steigern.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mütterrente! Rente mit 63!)

Das ist angesichts des gesellschaftlichen Hintergrunds, angesichts der demografischen Entwicklung und der Maßgabe eines stabilen Rentenbeitrags eine gewaltige Erhöhung in der mittelfristigen Finanzplanung.

Ich glaube, dass die Entlastung der Kommunen, über die immer wieder diskutiert wird und die von den über 12 000 Kommunen in Deutschland zu Recht eingefordert wird, ein entscheidender Punkt ist. Die Entlastung der Kommunen führen wir mit diesem Haushalt fort:

Erstens übernimmt der Bund 2015 100 Prozent der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dafür waren 2013 3,7 Milliarden Euro angesetzt, für 2015 sind es bereits 5,9 Milliarden Euro, und der Ansatz steigt bis zum Jahr 2018 auf immerhin veritable 7,2 Milliarden Euro. Das ist eine effektive Entlastung der Kommunen in diesem Bereich. Das muss man hier hervorheben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Auch 2015, 2016 und noch 2017 wird es diese Milliarde mehr an die Kommunen zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geben. Das ist ein ganz wichtiger Faktor. Ich denke, spätestens 2018 wird es weitere Entlastungen durch das Bundesteilhabegesetz geben. Das ist die Zielsetzung der, ich sage mal, christlich-sozialdemokratischen Koalition; früher wurde immer so gern von „christlich-liberal“ gesprochen. Wenn die Linken keinen Unterschied zwischen einer Koalition mit Liberalen und einer mit Sozialdemokraten sehen, ist es allein das große Problem der Linken. Die Wahrheit ist jedoch eine ganz andere, verehrte Kollegin Kipping.

Wir sind also dabei, ein Bundesteilhabegesetz vorzubereiten. Das wird eine Herkulesarbeit sein. Die Sozialgesetzbücher müssen modifiziert werden. Neue Impulse müssen gesetzt werden. Die große Zielsetzung ist, dass die Kommunen dann, wenn das Bundesteilhabegesetz in Kraft ist, erneut um 5 Milliarden Euro entlastet werden. Auch das ist ein riesiges Projekt, das sich von Projekten der Vorgängerregierung gewaltig unterscheidet. Wer das nicht sieht, ist betriebsblind.

(Beifall bei der SPD)

Thema Jugendarbeitslosigkeit. Wir haben einen sehr guten Arbeitsmarkt; das ist klar. 43 Millionen Menschen sind beschäftigt, davon rund 30 Millionen sozialversicherungspflichtig. Man kann sagen: Wir stehen europäisch und weltweit sehr gut da. Das ist richtig. Wir haben einen robusten Arbeitsmarkt. Wir hoffen auch, dass der Arbeitsmarkt trotz der kleinen wirtschaftlichen Eintrübungen, die wir derzeit erleben – vielleicht stehen diese im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise und mit einer binnenwirtschaftlichen Schwäche des großen und wichtigen Partners Frankreich –, in den nächsten Monaten und Jahren robust sein wird. Das ist die Voraussetzung.

Man muss sagen: Es gibt auch Programme, die von großer Bedeutung sind. Hier sehen wir einen Übergang von der bundesdeutschen in die europäische Dimension. Das Sonderprogramm „MobiPro-EU“ ist schon erwähnt worden. Ich will noch einmal seine Bedeutung herausarbeiten: „MobiPro-EU“ bietet eine Win-win-Situation. Derzeit bekommen dadurch 6 000 junge Menschen eine Berufsausbildung, und 2 500 Fachkräfte werden ausgebildet und geschult. Das kostet Geld. Wir haben die Ausgaben im letzten Jahr verdoppelt und setzen im Jahr 2015 102 Millionen Euro dafür an. Ich halte das Programm deswegen für wichtig, weil ich es in der Dualität mit der Europäischen Union sehe. Wir tun hier etwas für die deutsche Wirtschaft, und wir tun etwas für junge Menschen aus europäischen Nachbarländern.

Liebe Ministerin Nahles, werte Kolleginnen und Kollegen, ich muss an dieser Stelle eines zum Ausdruck bringen: So solidarisch, wie wir uns hier als schwarz-rote Koalition verhalten, so enttäuscht bin ich über die Umsetzung der Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in den Ländern, die es dringend nötig haben.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja! Richtig!)

Ich bin sehr enttäuscht darüber, auch als Europahaushälter, dass seit zwei Jahren 6 Milliarden Euro sozusagen disponiert sind und dass, wie Minister Schäuble bestätigt hat, nur wenige Millionen davon umgesetzt werden. Das halte ich für einen großen europäischen Skandal, der während der Ratspräsidentschaft der Italiener dringend angegangen werden muss.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Zu Recht!)

Ich bin mir sicher, dass die Ministerin in Rom eine deutsche Initiative einbringen wird, um diesen Skandal und diese Herausforderung schnell anzugehen und Lösungen zu finden. Denn in manchen Ländern in Europa sind Millionen von jungen Menschen ohne Hoffnung, stehen trotz einer guten Berufsausbildung abseits und verlassen ihre Länder zum Teil fluchtartig. Das kann so nicht bleiben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das ist die große Herausforderung für die Europäische Kommission. Der deutsche Beitrag wird in diese Richtung gehen.

Auch wenn wir diesen guten Arbeitsmarkt loben, bin ich trotzdem in großer Sorge, dass wir bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit nicht die Erfolge haben, die wir uns alle in der Vergangenheit gewünscht haben. Wir haben über Instrumente debattiert, wir haben sie ausprobiert und evaluiert. Wir brauchen dringend Ansätze, um bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit mehr Erfolge zu erzielen. Ich lobe hier – das darf man; das gehört dazu – das sehr gute Papier der ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten, die hier einen wichtigen Impuls gesetzt haben, und das, was es von den Gewerkschaften und den Sozialverbänden dazu gibt.

Ganz zum Schluss sage ich: Ich würde mir wünschen – auch wenn der Kollege Fraktionsvorsitzende das vorhin ein bisschen lustig kommentiert hat –, dass SPD und Union über den Koalitionsvertrag hinaus auch über Programme für öffentlich geförderte Jobs reden würden,

(Beifall bei der SPD)

und zwar im Benehmen mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Eine solche Initiative ist dringend notwendig.

Als Haushälter bin ich der Meinung, dass eine solche Initiative eine Stufe auf dem Weg zum ersten Arbeitsmarkt sein könnte. Menschen, die arbeitsmarktfern sind, müssen gezielt gefördert werden, vielleicht auch durch öffentliche Impulse. Wenn wir sie richtig setzen, können wir von den fast 1,1 Millionen Menschen, die in dieser Zone der Hoffnungslosigkeit sind, einige Zehntausend, vielleicht sogar 100 000 Menschen oder mehr, wieder in den ersten Arbeitsmarkt bringen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum machen Sie das dann nicht? – Gegenruf der Abg. Kerstin Griese [SPD]: Wir machen es doch!)

Eine solche Zwischenstufe wie öffentlich geförderte Impulse am Arbeitsmarkt halte ich für dringend notwendig. Das würde ich mir, wie gesagt, wünschen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3855871
Wahlperiode 18
Sitzung 51
Tagesordnungspunkt Arbeit und Soziales
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