Mark HelfrichCDU/CSU - Arbeit und Soziales
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!
Dieser finanzpolitische Grundsatz stammt aus der Feder des vielleicht berühmtesten preußischen Königs, Friedrichdes Zweiten, der schon zu Lebzeiten den Beinamen „der Große“ erhalten hat. Er hat auch heute, knapp 230 Jahre nach Friedrichs Tod, seine Gültigkeit nicht verloren.
Ordnung in unsere Finanzen zu bringen, das war und ist auch einer der wichtigsten Leitsätze der Regierung unter Angela Merkel. In diesem Jahr würde der Alte Fritz wohl seinen Dreispitz vor uns ziehen. Denn der vorliegende Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2015 ist seit fast einem halben Jahrhundert der erste, der ohne neue Schulden auskommt. Diesen haushaltspolitischen Erfolg haben wir uns durch einen konsequenten Konsolidierungskurs der unionsgeführten Koalitionsregierung hart erarbeitet. Darauf können wir und die Menschen in unserem Land zu Recht stolz sein. Das ist eine historische Leistung. Mit der Abkehr von der jahrzehntelangen Politik der Schuldenfinanzierung, vom süßen Gift der immer weiter steigenden Staatsverschuldung, zeigen wir, dass wir es mit der Verantwortung für künftige Generationen ernst meinen – im Sinne von Ludwig Erhard: Wir haben die Pflicht, in Generationen zu denken.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das tun Sie ja gerade nicht! Sie vernachlässigen Investitionen! Sie vernachlässigen soziale Gerechtigkeit!)
Nun soll es auch genug sein mit historischen Zitaten. Kommen wir in die Gegenwart! Wir haben heute fast 43 Millionen erwerbstätige Männer und Frauen, und der Jobmotor läuft weiterhin rund. In Deutschland sind knapp über 30 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt – so viele wie noch nie zuvor. Dank des robusten Arbeitsmarktes füllen sich die öffentlichen Kassen in Deutschland wie lange nicht mehr. Allein die Sozialversicherungen erwirtschafteten im ersten Halbjahr dieses Jahres ein Plus von 7,1 Milliarden Euro. Das alles ist Resultat einer erfolgreichen Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik der vergangenen Jahre und ist – ich kann mich nur wiederholen – Grund, sich zu freuen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere gute Wirtschafts- und Haushaltslage darf uns aber nicht den Blick auf die vor uns liegenden Herausforderungen verstellen. Noch haben die aktuellen geopolitischen Krisen keine Spuren in unserem robusten Arbeitsmarkt hinterlassen; doch niemand von uns kann vorhersagen, wie sehr zum Beispiel der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine und die darin begründeten Sanktionen gegen Russland das deutsche Wirtschaftswachstum und auch den deutschen Arbeitsmarkt beeinflussen werden. Deshalb warne ich ausdrücklich und eindringlich alle davor, dem Irrglauben anzuhängen, die Wachstumslokomotive sei durch nichts zu stoppen.
Wir haben in diesem Hause im ersten Halbjahr 2014 eine ambitionierte sozialpolitische Agenda gemeinsam auf den Weg gebracht. Ich persönlich sehe keinen Spielraum dafür, auf bestimmte Schultern weitere Gewichte zu packen, sei es im Bereich Antistressgesetz oder sei es, dass wir darüber diskutieren, eine ganze Branche wie die Rüstungsgüterindustrie in ihrer Tätigkeit mehr oder minder zu beschränken. Die Nichtgenehmigung von Rüstungsexporten ist im Einzelfall richtig, wird aber mit Sicherheit keine Welt ohne Waffen schaffen. Ich mache mir ernsthafte Sorgen, nicht nur um den Arbeitsmarkt – das ist natürlich auch ein Thema, das dann im zweiten Schritt folgt an der Stelle –, sondern auch darum, dass wir in Deutschland damit in einem Bereich, der – das haben uns die aktuellen Entwicklungen gezeigt – an Bedeutung gewonnen hat, wichtiges Know-how verlieren würden. Ich halte das auch im Hinblick auf die Menschen, die dort arbeiten, nicht für akzeptabel, auch wenn wir durch gute Sozialversicherungssysteme Menschen gegen Risiken wie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit absichern.
Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales würde wie kein anderer von einer sich abkühlenden Konjunktur beeinflusst. Der Einzelplan 11 des vorliegenden Regierungsentwurfes ist mit einem Volumen von knapp 125 Milliarden Euro – wie sollte es anders sein? – wiederum der größte Einzeletat im Bundeshaushalt. Das sind noch einmal 3 Milliarden Euro mehr als im letzten Jahr. Auch das zeigt, dass hier nicht etwa gekürzt wird oder in irgendeiner Weise Dinge von der Gewichtung her verschoben werden, sondern dass wir die Verantwortung für unseren Sozialstaat in einer Kontinuität wahrnehmen und leisten wollen.
Wir machen Politik für eine hohe Beschäftigungsquote. Ich sagte das bereits: Die Arbeitslosenquote ist mittlerweile auf einem Rekordtief, bei 6,7 Prozent. Es sind unter 3 Millionen Menschen arbeitslos, und ich wage die Prognose, dass wir irgendwann an den Punkt kommen, wo wir uns mehr darüber unterhalten, wie viele offene Stellen wir in Deutschland haben, als darüber, wie viele Menschen noch arbeitslos sind. Das ist aber auch keine Situation, die uns dann besonders glücklich machen kann, weil es eben zeigt, dass wir im Bereich der Fachkräfte einen Mangel haben.
Wir senken die Mittel für die Betreuung und Vermittlung von arbeitsuchenden Menschen nicht, auch nicht bei sinkender Arbeitslosenzahl. Wir wollen, dass Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind bzw. betroffen sind, durch ausreichend Personal betreut und entsprechend vermittelt werden und eine Zukunft in einem Erwerbsleben für sich und ihre Familien haben; das ist klar.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf ein neues Programm hinweisen – es ist schon angesprochen worden –, das ESF-Bundesprogramm für arbeitsmarktferne langzeitarbeitslose Leistungsberechtigte – ein furchtbar langer Name –, das aber 30 000 Leistungsbeziehern im SGB II neue Perspektiven bringen soll.
Insgesamt sind im Regierungsentwurf 467 Millionen Euro für zwei Sonderprogramme des Bundes vorgesehen, zum einen für das ESF-Bundesprogramm, das ich gerade angesprochen habe, und zum anderen für das Bundesprogramm „Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen“. Auch das ist ganz wichtig vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, die immer älter wird und in der zukünftig Fachkräfte fehlen werden.
Es ist auch ganz wichtig, im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nachhaltige Vermittlungserfolge zu erzielen, weil diese sich dann natürlich auch im Haushalt wiederfinden: Diese Menschen beziehen keine Leistungen mehr, sondern erbringen Beiträge für unsere Sozialkassen. All das ist dann im doppelten Sinne eine Gewinnersituation: sowohl für die Menschen als auch für unser Gemeinwesen, für unseren Haushalt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Kerstin Griese [SPD])
Zu den eingangs von mir erwähnten politischen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, zählen ohne Frage auch der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet damit, dass in Deutschland bis 2020 rund 1,4 Millionen Facharbeiter in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen fehlen werden.
Vor diesem Hintergrund bietet der auf Drängen meiner Fraktion in das Rentenpaket aufgenommene Einstieg in die Flexi-Rente mittel- und langfristig die Chance, den wachsenden Fachkräftemangel zu lindern. Ziel ist es nicht – das sage ich mit Nachdruck –, die Menschen so früh wie möglich in den Ruhestand zu schicken, sondern ist es, denjenigen, die Freude an der Arbeit haben, zu ermöglichen, dass sie dieser Arbeit möglichst lange nachkommen können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Eine weitere Verkleinerung der Arbeitskräftebasis ist keine bzw. eine falsche Antwort auf den zunehmenden Fachkräftemangel. Allein im vergangenen Jahr konnten in Handwerk, Handel und Industrie 100 000 Lehrstellen – das ist die Dimension einer Großstadt – nicht besetzt werden. Das ist ein Vorgeschmack auf das, was auf uns und unser Land zukommt.
Ein weiterer Grund hierfür – neben der Demografie – ist, dass in Deutschland ein gewisser Akademisierungswahn herrscht. Immer mehr junge Menschen drängen in die Hochschulen. Wir haben das duale Ausbildungssystem in Sonntagsreden zwar immer wieder gelobt, de facto erfährt es aber nicht die Wertschätzung, die es verdient. Deshalb müssen wir die Attraktivität unserer dualen Ausbildung steigern und ihre Vorzüge auch konkret denjenigen vermitteln, die sich in der Situation befinden, entscheiden zu müssen, ob sie ein Studium aufnehmen, das sie im Zweifelsfall beruflich auf den Irrweg führt, oder eine solide Ausbildung anstreben.
Im Gegensatz zum innerdeutschen Trend ist die Nachfrage junger Menschen aus dem EU-Ausland nach Ausbildungsplätzen in Deutschland ungebrochen. Das Thema MobiPro-EU ist angesprochen worden. Wir stocken die Mittel gegenüber 2014 nochmals auf. Trotzdem gibt es hier einen Wermutstropfen, nämlich den, dass die jungen Fachkräfte zukünftig nicht mehr in das Programm aufgenommen werden, sondern ausschließlich diejenigen, die noch keine Ausbildung haben. Das ist sicherlich auch richtig so. Trotzdem ist das vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels bedauerlich.
All das, was ich erwähnt habe, zeigt: Wir setzen auf Vollbeschäftigung, auf gute Arbeit und auf stabile soziale Sicherungssysteme in unserem Land. Um das zu erreichen, werden wir auch weiterhin die Einnahmen gut verwalten und die Ausgaben gut regeln; denn das ist die ganze Finanzkunst.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die Linke spricht jetzt die Kollegin Sabine Zimmermann.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3855921 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 51 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |