11.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 51 / Einzelplan 11

Gabriele SchmidtCDU/CSU - Arbeit und Soziales

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Gäste im Bundestag! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vater war ein einfacher Arbeiter. Er hat immer gesagt: Zum Schuldenmachen habe ich kein Geld. – Als Kind habe ich das nicht verstanden, aber heute, als Mutter, Kauffrau und Politikerin, verstehe ich ihn sehr gut. Mein Vater würde sich heute freuen, wie auch ich mich freue, dass wir zum ersten Mal seit 1969 einen Haushalt vorlegen, in dem auf neue Schulden verzichtet wird, und das ohne Steuererhöhungen, so wie wir das versprochen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Leistung verdient Anerkennung und ist das Ergebnis einer klugen und soliden Haushaltspolitik. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, ein Badener wie ich, beendet mit dem vorliegenden Haushaltsplan das Anwachsen des leider schon hohen Schuldenberges. Deutschland schafft es damit erneut, seiner Rolle als Vorreiter und Vorbild in der Europäischen Union und in der ganzen Welt gerecht zu werden. Die richtigen Weichen sind gestellt. Jetzt wird der Kurs der Haushaltskonsolidierung weiter fortgeführt. Mit dem vorliegenden Haushaltsplan schaffen wir eine solide Grundlage und leisten eine wichtige Investition in unsere Zukunft und in die Zukunft der künftigen Generationen.

Der Sozialstaat steht vor großen Aufgaben. Demografischer Wandel und die strukturelle Arbeitslosigkeit gehören derzeit zu den größten sozialpolitischen Herausforderungen. Damit der Sozialstaat auch weiterhin Garant für die Sicherheit jedes Einzelnen und den sozialen Frieden in Deutschland bleibt, müssen wir richtige Antworten auf die richtigen Fragen geben. Das Bundesarbeitsministerium betreibt gezielt Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, damit unser Sozialstaat leistungsfähig und verlässlich bleibt.

Auch im Haushaltsjahr 2015 ist der Etat für Arbeit und Soziales gewachsen und damit die Verantwortung, das Geld da einzusetzen, wo es zielführend und richtig ist. Knapp 125 Milliarden Euro liegen dem Einzelplan 11, Arbeit und Soziales, zugrunde. Diese beeindruckende Zahl ist nun schon öfter erwähnt worden, aber ganz ohne Zahlen kann man eine Haushaltsdebatte nicht führen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist schon einmal richtig!)

Fast 32 Milliarden Euro daraus stellt der Bund für Arbeitsförderung, für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme zur Verfügung. Wir wollen, dass möglichst viele Menschen einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, und das in einer Arbeitswelt, in der faire Bedingungen gelten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Eingliederung in Arbeit kann nicht allein durch die bekannten Instrumente zur Eingliederung, die den Jobcentern grundsätzlich zur Verfügung stehen, erfolgen. Wir brauchen vielmehr Modelle und Sonderprogramme, die sich zum Teil bereits bewährt haben. Das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ zum Beispiel dient der Integration arbeitsloser erwerbsfähiger Leistungsberechtigter mit multiplen Vermittlungshemmnissen. Dieses läuft jedoch Ende Dezember 2014 aus. Für die Ausfinanzierung stellt der Bund nochmals 8 Millionen Euro im Jahr 2015 zur Verfügung. Der Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Hochrhein mit fünf Bürgerarbeitsplätzen und einige Bürgermeister in meinem Wahlkreis haben mir in persönlichen Gesprächen versichert, wie wichtig das Projekt ist: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten sich in den letzten drei Jahren hervorragend entwickelt. Das Ziel, eine feste Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bekommen, wurde zwar nicht immer erreicht, aber trotzdem halte ich das Projekt für einen vollen Erfolg; denn wir Sozialpolitiker sollten doch stets die Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Mit dem Projekt „Bürgerarbeit“ wurden Menschen, die weit vom Arbeitsmarkt entfernt waren, ein gutes Stück weit in das Arbeitsleben integriert. Ich war im Sommer in einem Ferienlager der Diakonie. Es handelte sich dabei um ein Abenteuercamp für Kinder. Da waren Bürgerarbeiter als Chauffeur, Spaghettikoch bis hin zum Fußballschiedsrichter eingesetzt. Diese Menschen haben Wertschätzung und Anerkennung erfahren und sind in den Betrieben mittlerweile eine kaum zu ersetzende Arbeitskraft und ein fester Bestandteil der Gemeinschaft.

Mit meinen Erfahrungen aus der Praxis möchte ich hier bewusst zur positiven Evaluierung beitragen. Frau Ministerin, die Erwartungen an das neue Bundesprogramm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit – ich spreche hier nicht nur für meinen eigenen Wahlkreis – sind hoch. Ich freue mich, dass für diese Menschen Perspektiven geschaffen werden.

Frau Kollegin Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pothmer?

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Endlich! Ich habe mich schon gewundert!)

Ja, selbstverständlich. Gerne.

Frau Schmidt, ich sehe, Sie haben in sich reingehorcht und überlegt, ob Sie meine Frage wirklich zulassen wollen. Ich freue mich, dass das Ergebnis positiv für mich ausgefallen ist.

Das haben Sie richtig erkannt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Frau Schmidt, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie beschrieben haben, wie positiv das Projekt „Bürgerarbeit“ letztlich bei den Arbeitslosen gewirkt hat und welche Fortschritte die Menschen gemacht haben. Würden Sie anhand der Erfahrungen, die Ihnen geschildert wurden und die Sie zum Teil selbst machen konnten, die Konsequenz ziehen, dass solche Arbeitsplätze dauerhaft eingerichtet werden müssen, damit es für diese Menschen weitergehen kann? Sind Sie nicht wie ich auch der Auffassung, dass es ein Fehler ist, von dem Projekt „Bürgerarbeit“ zu einem völlig anderen Projekt für zum Teil völlig andere Menschen rüberzuhoppen?

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Positive Erfahrungen reinbringen, negative Erfahrungen anhören und dann entscheiden!)

Sollten wir gerade vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrung dieses Programmhopping nicht endlich beenden und einen langfristig angelegten sozialen Arbeitsmarkt schaffen?

Ich würde das nicht „Programmhopping“ nennen. Später in meiner Rede werde ich übrigens auf genau Ihre Frage zu sprechen kommen.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber jetzt haben Sie ja mehr Möglichkeiten, das auszuführen!)

– Ich bin die letzte Rednerin in dieser Debatte und werde sie mitnichten weiter ausdehnen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sie haben alle Zeit der Welt!)

Sie haben aber natürlich recht: Es gibt Menschen, die auch mit guten Programmen nicht zu erreichen sind. Denen müssen wir weiterhin zur Seite stehen. Warum soll dies nicht im Rahmen eines neuen Programmes geschehen? Ich habe Frau Nahles eben unmissverständlich aufgefordert, ein gutes Programm zu liefern. Sie ist dabei. Wir haben diesbezüglich bereits nachgeforscht.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das ist ja auch wieder begrenzt!)

Die Bürgerarbeiter, die aus dem Programm, welches jetzt ausläuft, übrig bleiben – im zahlenmäßigen, nicht im inhaltlichen Sinne –,

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

können an einem anderen Programm teilnehmen. Das ist kein Hopping. „ Bürgerarbeit“ war von Anfang an als Modellprojekt ausgelegt, und es ist ausgelaufen. Es muss einen zweiten Arbeitsmarkt geben; das haben wir nie bestritten.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut!)

Man kann Modellprojekte aber nicht ewig ausdehnen. Ich hoffe, Sie lassen mich nun weitersprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich freue mich, dass für Langzeitarbeitslose, die nicht so schnell auf dem ersten Arbeitsmarkt untergebracht werden können, ein neues Programm geschaffen wird, damit sie neue Perspektiven bekommen. Immerhin 120 Millionen Euro werden dafür im Haushaltsjahr 2015 bereitgestellt; darauf haben verschiedene Vorredner wie Herr Helfrich und Frau Weiss bereits hingewiesen. Aus meiner Sicht ist das Programm ein wichtiger und notwendiger Schritt.

Viele ehemalige Bürgerarbeiter – jetzt komme ich darauf zu sprechen, Frau Pothmer – können von diesem neuen Programm profitieren, wenn sie in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ihre Arbeitsfähigkeit weiter verbessern.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist auch Sinn und Zweck des Programms!)

Den Arbeitgebern wird die anfängliche Minderleistung durch degressive Lohnkostenzuschüsse ausgeglichen. Es könnte eine Win-win-Situation entstehen. Wir dürfen – da bin ich mir mit allen Fraktionen einig – die Menschen, die von SGB-II-Leistungen leben, nicht aufgeben, sondern wir müssen möglichst viel dafür tun, sie in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb ist es richtig, dass wir für alle Leistungen zur Eingliederung in Arbeit fast 8 Milliarden Euro zur Verfügung stellen – einschließlich der Sonderprogramme des Bundes, wozu auch die schon erwähnten Programme „Perspektive 50plus“ und „MobiPro“ und die Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende gehören.

Auch in diesem Haushalt umfassen die Leistungen an die Rentenversicherung den weitaus größten Teil. Das wurde schon erwähnt, aber so richtige und wichtige Dinge darf man auch einmal wiederholen. Die Zuschüsse des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung sowie die Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten an die allgemeine Rentenversicherung sind mit sagenhaften 75 Milliarden Euro die größten Ausgabenposten. Über die Mütterrente ist hier schon ausgiebig geredet worden. Ich halte sie nach wie vor für eine enorm wichtige Leistung, für die wir natürlich auch Geld in die Hand nehmen müssen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist aber das falsche Geld! Wir müssen Steuermittel nehmen!)

Durch die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung mit 5,9 Milliarden Euro entlasten wir auch wie versprochen die Kommunen. Die für die Ausführung der Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung zuständigen Träger werden in diesem Jahr zu 100 Prozent, im Jahr 2015 noch zu 75 Prozent entlastet. Darüber hinaus leistet der Bund Zuschüsse in Höhe von 1,2 Milliarden Euro zu den Beiträgen zur Rentenversicherung der in Werkstätten und Integrationsprojekten beschäftigten Menschen mit Behinderung.

Damit komme ich zu einem weiteren Kapitel, das mir persönlich sehr am Herzen liegt: die Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Allein rund 7 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer Schwerbehinderung. Die Zahl der über 18-Jährigen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder einer chronischen Erkrankung beläuft sich sogar auf 17 Millionen, und diese Zahl steigt leider weiter an. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass das Geld in die Stärkung der Gleichbehandlung und in die Förderung von Chancengleichheit und Inklusion fließt; denn die Umsetzung dieser Ziele ist Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben behinderter Menschen. Menschen mit Behinderungen sollten ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können und am gesellschaftlichen, kulturellen und öffentlichen Leben teilhaben können. Auch das kostet uns Geld. Außerdem sind wir ja gehalten, mit dem Nationalen Aktionsplan weiter die Ziele der UN- Behindertenrechtskonvention umzusetzen.

Ich habe schon gesagt, dass ich die Ehre habe, diese Debatte zu beschließen. Da ich keine Redezeit mehr habe, komme ich zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusammen: Der Bundeshaushalt 2015 steht auf soliden Füßen. Mit diesem Haushalt sorgen wir dafür, dass auch Deutschland weiterhin auf soliden Füßen steht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit diesem zeitlich präzisen Abschluss der Kollegin Schmidt schließe ich die Aussprache zu diesem Einzelplan, weil mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen.

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Einzelplan 10. Bevor wir mit der Aussprache beginnen, möchte ich die Kolleginnen und Kollegen bitten, die Sitzplätze zu wechseln oder neu einzunehmen und sich innerlich auf die neue Aussprache vorzubereiten.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zu Beginn hat für die Bundesregierung der Bundesminister Christian Schmidt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3855969
Wahlperiode 18
Sitzung 51
Tagesordnungspunkt Arbeit und Soziales
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta