11.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 51 / Einzelplan 10

Marlene MortlerCDU/CSU - Ernährung und Landwirtschaft

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es nicht um Details der Agrarpolitik, um Greening, um Gentechnik, um Düngeverordnung, heute geht es ums Ganze. Wo kommen wir her, wo stehen wir, und vor allem wo wollen wir hin? Es geht um die grundsätzliche Ausrichtung unserer Landwirtschaftspolitik, und die spiegelt sich – herzlichen Dank, lieber Herr Minister – in unserem Agrarhaushalt wider.

Sie alle wissen, dass der CSU die Landwirtschaft besonders wichtig ist, dass sie uns am Herzen liegt. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Landesgruppe kommen aus der Landwirtschaft, und auch ich habe Landwirtschaft von der Pike auf erlernt und lebe und arbeite mit meiner Familie auf unserem Hof.

Gerade weil wir dicht an unseren Betrieben dran sind, nehmen wir wahr und spüren wir, wie viele Bauern unter immer neuen Anforderungen ächzen. Das beginnt bei den Umweltstandards und setzt sich beim Mindestlohn fort. Um es ganz klar zu sagen: Mit einem normalen landwirtschaftlichen Familienbetrieb ist es heute viel schwieriger, eine Familie zu ernähren, als eine Generation früher.

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn?)

Ich stelle hier keine der bestehenden Regelungen und Standards infrage, ich möchte nur festhalten, dass sich in der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten unglaublich viel getan hat und dass der Aufwand, mit dem unsere Betriebe, also unsere Ernährer, gesellschaftlichen Anforderungen nachkommen, enorm ist. Zugleich zeigen Umfragen, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor der Meinung sind – auch die Vorredner vonseiten der Opposition –, es gehe mit der Qualität und der Sicherheit von Lebensmitteln eher bergab – gegen jede Erfahrung, trotz weltweit höchster Lebensmittelstandards und trotz dieses riesigen Aufwandes.

Es ist ja eine gute Nachricht, dass das Thema Ernährung heute so ernst genommen wird. Es sind auch gute Nachrichten, dass für viele längst nicht nur der Preis von Obst und Gemüse zählt, dass es den Konsumenten nicht egal ist, wie es im Stall aussieht, dass es ihnen nicht egal ist, was auf Tiertransporten geschieht, und es ihnen auch nicht gleich ist, was ein Bauer auf seinem Acker macht, was genau er anbaut, wie und womit er düngt, womit er seine Pflanzen behandelt. Doch diese Besorgnis trägt mitunter merkwürdige Früchte, weil das Gros der Verbraucherinnen und Verbraucher heute nur noch eine diffuse Vorstellung von dem hat, was auf einem Bauernhof wirklich geschieht. Wer weiß denn in einer hochtechnisierten Welt noch, welche Kunst es ist, eine ordentliche Ernte einzufahren, und wo die eigentlichen Herausforderungen in der Tierhaltung liegen? Jeder von uns kennt die romantische Vorstellung, nur in einem Kleinstbetrieb mit zehn Kühen und fünf Schweinen gehe es den Tieren richtig gut, oder aber die Meinung, dass das Gemüse im Bioladen um die Ecke am frischesten sei. Ich habe wahrlich nichts gegen Bioläden – auch wir verarbeiten in unserem Betrieb Produkte aus biologischem Anbau –, aber verkürzen darf man diese Debatte nicht.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe das Gefühl, dass sich Landwirtschaft und Verbraucher in Deutschland in den letzten Jahren voneinander entfernt haben, und es ist eine der zentralen Aufgaben unserer Agrarpolitik, aber auch der Landwirte selber, hieran etwas zu ändern bzw. im positiven Sinne zu verbessern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir sollten auch einen Moment darüber nachdenken, wie wir selbst dazu beigetragen haben, auch hier im Haus. Natürlich weiß jeder, dass er viel Applaus bekommt, wenn er etwa pauschal gegen Pflanzenschutzmittel wettert – Sie, Frau Maisch, haben genug Beispiele gebracht –,

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Über Pflanzenschutzmittel? Kein Wort!)

obwohl doch ein verantwortungsvoller Einsatz nicht nur die Existenz vieler Betriebe sichert,

(Beifall des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU])

sondern auch dazu beiträgt, Flächen effizient und sparsam zu nutzen, um am Ende unsere eigene Versorgung zu sichern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Gleiche ist der Fall, wenn man in der Tierwohldebatte einfach pauschal die Tierhaltung geißelt.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder pauschal die Grünen geißelt!)

Glauben Sie mir: Ich halte wenig von Megaställen, von riesigen Mastbetrieben, aber ich erkenne auch, dass es zwischen Betriebsgröße und Tierwohl erst einmal keinen Zusammenhang gibt.

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, wir sind es unseren Bäuerinnen und Bauern und genauso uns allen als Verbraucherinnen und Verbrauchern schuldig, sachlicher, fundierter und vorurteilsfreier über unsere Erwartungen an die Landwirtschaft zu sprechen.

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können doch die Fakten nicht ignorieren!)

Lassen Sie mich konkret werden. Ich sehe drei Themen, über die wir dringend reden sollten.

Erstens. Wie kann es unseren Tieren besser gehen? Im internationalen Vergleich sind die Tierwohlstandards in Deutschland hoch. Das ist unbestritten, und da ist schon sehr viel geschehen. Dennoch will ein bestimmter Teil der Menschen in unserem Land einen Schritt weitergehen. Lassen Sie uns deswegen konzentriert und mit der Praxis, so wie es Johannes Röring geschildert hat, über Maßnahmen reden, die in der Breite ein höheres Tierwohlniveau schaffen, die am Markt aber auch refinanzierbar sind – ohne Hysterie, aber mit dem Willen, wirklich etwas zu verändern. Immer mehr Auflagen und immer billiger geht nicht.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Problem erkannt!)

Wir investieren gerne in noch mehr Tierwohl, wenn der Verbraucher es will und dafür bezahlt. Oder reden wir am Ende über ein Beruhigungsmittel für eine elitäre Minderheit in unserem Land? Es wird sich zeigen.

Danke, lieber Johannes, zum zweiten Mal und ganz persönlich. Du machst hier einen Riesenjob. Du redest mit Vertretern der gesamten Produktionskette, mit der ganzen Branche: Bauern, Verarbeiter, Handel. Ich weiß, dass jetzt endlich dieser Aha-Effekt eingetreten ist, dass der Handel nämlich nicht immer und automatisch auf unsere Kosten, auf Kosten der Bauern und Bäuerinnen, profitieren und sich profilieren kann, sondern dass auch er Farbe bekennen muss im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch im Sinne unserer Bauern und Bäuerinnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. Weniger mit Tier- als mit Menschenwohl und Umweltschutz hat ein anderes Thema zu tun: die Überkonzentration in der Tiermast. Wollen wir in Deutschland wirklich Mastbetriebe mit 20 000, 30 000 oder 60 000 Schweinen? Ist es wirklich sinnvoll, die Tierhaltung immer weiter in einigen wenigen Regionen zu konzentrieren?

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Ihre Antwort? Wollen Sie das, oder wollen Sie es nicht?)

– Wir diskutieren darüber. – Wir sehen in der Diskussion um die Düngeverordnung, wie schwierig es ist, ein Nährstoffgleichgewicht hinzubekommen.

(Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Wir sehen auch, dass solche Anlagen von vielen Menschen, die Landwirtschaft in der Gesamtheit kritisieren – ob zu Recht oder nicht, sei dahingestellt –, abgelehnt werden. Offensichtlich überfordern sie ihre Umgebung.

Kollegin Mortler, achten Sie bitte auf die Zeit.

Tierhaltung mit Augenmaß, Tierwohl mit Verstand, das sind die Überschriften. Wir haben gezeigt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin, dass wir es schaffen können, wenn wir nur wollen, die Debatte zu versachlichen.

Letztes Beispiel: Glyphosat.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hätte ich auch noch fragen können!)

Unsere Anhörung hat eindrucksvoll bestätigt, dass, wenn in den USA Schindluder mit diesem Produkt getrieben wird, das nicht automatisch auf Deutschland übertragbar ist und dass der Umgang mit diesem Mittel bis zum heutigen Tag verantwortungsbewusst ist.

Frau Kollegin, Sie sprechen auf Kosten Ihrer Fraktionskollegen; ich sage das jetzt ganz deutlich.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich plädiere am Ende für eine Rückbesinnung auf den solide wirtschaftenden, verantwortlich handelnden bäuerlichen Familienbetrieb, und ich plädiere dafür, dass wir in diesem Sinne unseren Agrarhaushalt für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Deutschland unterstützen, weil wir damit die richtigen Weichen stellen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])

Ich schaue jetzt zur Fraktion der Grünen. War das die Anmeldung einer Kurzintervention oder nicht?

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

– Dann ist das erledigt.

Das Wort hat die Kollegin Christina Jantz für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3856075
Wahlperiode 18
Sitzung 51
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
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