Katharina LandgrafCDU/CSU - Ernährung und Landwirtschaft
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle zunächst einmal fest, dass mein Thema in der Debatte des Landwirtschaftshaushaltes angenehm und interessant ist. Es geht nämlich um die Ernährung, besser gesagt, die gesunde Ernährung.
Das Thema interessiert doch wohl jeden Menschen. Kochen und Speisen begeistern immer mehr Fernsehzuschauer. Heute Nachmittag zum Beispiel laufen im ZDF sogar zwei Kochshows, nur unterbrochen durch die Nachrichten. Bei diesen sogenannten Küchenschlachten in öffentlich-rechtlichen Programmen, aber auch bei den Privaten und in den geruhsamen Heimatmagazinen kann man neugierig und völlig legitim in fremde und manchmal sogar auch in adlige Küchen und Kochtöpfe gucken.
Es gibt kaum eine Unterhaltungssendung, in der nicht gekocht und gespeist wird. Hin und wieder wird nicht nur das jeweilige Rezept vorgestellt, sondern es werden auch die Zutaten und deren Herkunft erläutert. Zur Perfektion dieser Mediensparte fehlt nur noch das Geruchsfernsehen. Das wäre der Hit auf der nächsten Funkausstellung in Berlin.
Die mediale Publicity für Kochen und Genießen ist fast nicht mehr steigerungsfähig. Das Ganze erscheint wie ein Selbstläufer. Angesichts dieser Fülle von Angeboten rund um die Uhr könnte man meinen, dass weitere Aufklärungskampagnen oder vom Bund geförderte Projekte zum Thema Ernährung eingespart werden könnten. Aber so einfach ist das nicht.
Meine Damen und Herren, das Sprichwort dürfte allbekannt sein: „Weil Speis und Trank in dieser Welt doch Leib und Seel’ zusammenhält“. Der Spruch stammt vom Librettisten Hinsch. Er schrieb ihn für das Singspiel „Der irrende Ritter Don Quixote“. Wie empfinden wir heute einen solchen Spruch aus einer Zeit, wo Überfluss anders interpretiert wurde oder gar nicht so bekannt war?
Immer wieder ist diese Weisheit auch heute noch zu hören, wenn es darum geht, Speis und Trank zu genießen. Was machen wir aber, wenn sich zu allem Überdruss Leib und Seele immer weiter voneinander entfernen, sprich: der Leib immer umfänglicher wird, und das bei einem unveränderten Geist?
(Heiterkeit)
Das ist doch die heutige Misere: Deutschland wie auch ganz Europa – wie es jüngst auch Brüssel entdeckte – wird immer schwerer.
Der Handlungsbedarf ist uns bekannt. Die Adipositaserkrankung und ihre Vorstufen sind längst ein gesamtgesellschaftliches Problem. Der Handlungsdruck ist enorm: Wir haben seit rund sechs Jahren den nationalen Aktionsplan IN FORM. Das ist die erste Gesamtstrategie, mit der alle Aktivitäten im Bereich Ernährung und Bewegung gebündelt werden sollen. So weit, so gut.
Fünf Handlungsfelder stehen dabei im Mittelpunkt: Vorbildwirkung der öffentlichen Hand, Bedeutung von Bildung und Aufklärung – –
Frau Maisch will eine Frage stellen. Ich hoffe, es passt dazu.
Sie haben das Wort zu einer Frage oder Bemerkung. Die Uhr wird natürlich angehalten.
Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie das Präsidium auf meine Wortmeldung aufmerksam gemacht haben. – Ich habe eine Frage zu Adipositas, die Sie sehr beklagt haben. Deshalb frage ich Sie: Wie passt Ihre Klage dazu, dass in Zukunft das Kompetenznetz Adipositas, ein Netzwerk, zu dem sich viele Akteure zusammengeschlossen haben, nicht weiter aus öffentlichen Mitteln finanziert werden soll?
Davon habe ich nichts gehört. Danach müsste ich mich selber erst einmal erkundigen. Darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben. Wenn es so wäre, dann würde auch ich das bedauern. Ich hoffe aber, dass wir mit anderen Programmen, die ich jetzt noch erläutern werde, zur Adipositasbekämpfung beitragen werden. So weit dazu. Alles andere machen wir später. Das liefere ich nach.
Ich fahre fort. Ich war bei der Bedeutung von Bildung und Aufklärung als einem der Handlungsfelder stehen geblieben. Weitere Handlungsfelder sind Bewegung im Alltag, Qualitätsverbesserung bei der Verpflegung außer Haus und Impulse für die Forschung. In Deutschland ist ein Umfeld zu schaffen, in dem ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung in allen Lebensbereichen verankert werden. Das ist ein sehr hoher Anspruch. Wikipedia verrät außerdem:
So gibt es eigene Schwerpunkte für die Bedürfnisse älterer Menschen und gezielte Initiativen für Kinder. – Das finde ich toll.
Wie ist es aber um die öffentliche und mediale Wahrnehmung bestellt? Meine Antwort würde hier den Rahmen sprengen. Nur so viel sei erst einmal festgestellt: Ein hoher Bekanntheitsgrad in Fachkreisen reicht nicht. Das muss weiter bekannt gemacht werden. Schon im Jahr 2008 wurde angekündigt, dass bis zum Jahre 2020 das Ernährungs- und Bewegungsverhalten in Deutschland nachhaltig zu verbessern sei. Ansätze für eine Halbzeitbilanz findet man unter anderem im Geschäftsbericht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung aus dem Jahr 2013.
Gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung sind auch im internationalen Kontext besondere Themen. Wir alle sind gespannt, welche neuen Impulse die internationale Konferenz zur Ernährung im November in Rom geben wird. Eingebettet in den Aktionsplan ist übrigens auch PEB, die Plattform „Ernährung und Bewegung“. Sie konnte bereits Anfang dieser Woche ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Ich möchte betonen, dass es sich bei dieser Plattform um einen Zusammenschluss von Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Sport sowie Eltern und Ärzten handelt. Anlässlich des Jubiläums wurde nun festgestellt, dass unbedingt mehr getan werden muss, um schlechte Ernährungsgewohnheiten zu ändern und Bewegungsarmut zu bekämpfen.
Ernährung ist im doppelten Sinn eine Kopfsache und weniger eine Angelegenheit von Zeit und Geld. Es handelt sich um eine Kopfsache – das ist ganz banal –, weil eben jede Nahrung durch den Kopf aufgenommen wird. Die entscheidende andere „Kopfsache“ sind das Wissen und das Wollen jedes einzelnen Menschen. Jeder Mensch entscheidet mit seinem Wissen und Unwissen darüber, was er mit den Mahlzeiten aufnimmt. Entscheidende Faktoren sind das eigene Wissen, regionale Traditionen und Bräuche sowie Gepflogenheiten in der Familie. Aber auch mediale Beeinflussung und Gruppenverhalten außerhalb der Familie dürfen nicht unterschätzt werden.
Abgesehen davon, dass die Geschmacksnerven im frühesten Kindesalter entwickelt oder nicht entwickelt werden, ist die Ernährung ein lebenslanges Thema. Daher wäre es richtig, wenn wir das alles mit dem lebenslangen Lernen verknüpften. Vor diesem Hintergrund rege ich an, eine Kooperation mit den Volkshochschulen einzugehen, die sich als Hauptträger lebenslangen Lernens bewährt haben. Hier sollte die weitere Umsetzung des IN-FORM-Aktionsplans eine zentrale Rolle spielen. Somit könnte die Transformation der umfangreichen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung in die Allgemeinbildung der Menschen besser funktionieren.
Wenn wir aber dauerhafte Strukturen für die Bildungs- und Beratungsarbeit vor Ort schaffen wollen, sollten wir die allgemeine „Förderkrankheit Projektivitis“ in diesem Bereich ein für alle Mal heilen. Die Bildung betreffend gesunde Ernährung und mehr Bewegung ist ein permanenter Prozess, den wir nicht mit zeitlich stark begrenzten Förderprojekten bewältigen können. Wir brauchen daher Konstanz. So lautet auch ein vielfacher Wunsch aller Akteure, mit denen ich im Vorfeld gesprochen habe.
Insgesamt ist positiv zu bewerten, dass wir für Informationsmaßnahmen im Ernährungsbereich 9,3 Millionen Euro aus dem Haushalt bekommen. Für die Förderung von Projekten der Verbraucherzentralen sollen 3 Millionen Euro und für Maßnahmen der allgemeinen Verbraucherinformation noch einmal 3,7 Millionen Euro fließen. Das ist gut. Es könnte sicherlich noch mehr sein. Aber das ist zuerst einmal positiv zu bewerten. Mit dauerhafter Bildung können wir in Zukunft bei der gesundheitlichen und medizinischen Betreuung der Menschen steigende Kosten möglicherweise vermeiden. Ich wünsche mir in diesem Zusammenhang, dass die bewährten Informationsmittel erhalten bleiben, so auch die Plattform der Verbraucherzentralen „Lebensmittelklarheit“. Das Projekt läuft Ende dieses Jahres aus. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen erarbeitet derzeit ein neues Konzept. Ich wünsche mir sehr, dass das fortgeführt wird.
Gesunde Ernährung braucht auch Transparenz und Wissen über das, was angeboten wird. Dafür brauchen wir alle Klarheit im besten Sinne. Hier wünsche ich mir eine ebenbürtige mediale Präsentation wie mit den eingangs erwähnten Kochsendungen. Schlussendlich können wir so die Leistungen der gesamten Landwirtschaft und deren Bedeutung für eine gesunde Ernährung transparent machen und auch würdigen.
Wir sind auf einem guten Weg, an dessen Ende eine mündige Gesellschaft und aufgeklärte Menschen stehen, die selbst und bewusst darüber entscheiden, ob Speis und Trank den Leib und die Seele zusammenhalten oder, wie eingangs beschrieben, diese auseinanderdriften lassen. Dafür trägt aber jeder selbst die Verantwortung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Jeannine Pflugradt für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3856115 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 51 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |