11.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 51 / Einzelplan 17

Marcus WeinbergCDU/CSU - Familie, Frauen, Senioren und Jugend

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Konsolidieren, investieren, hin und her – als Ergebnis bleibt die schwarze Null; die steht. Darauf können wir stolz sein, weil dies, glaube ich, eine familienpolitische Errungenschaft für die nächsten Jahre ist; denn es wären unsere Kinder, die dann möglicherweise neue Schulden zurückzahlen müssten. Das sollte man in einer solchen Debatte auch immer erwähnen

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ja! Bitte noch mal!)

und unterstreichen. Lieber Kollege Hahn, wenn man mich 1967, als ich geboren wurde, einmal gefragt hätte: „Was sind drei grundsätzliche Ziele der nächsten Jahre?“, dann hätte ich gesagt: der Weltfrieden, dass St. Pauli vielleicht einmal Deutscher Meister wird

(Heiterkeit bei der SPD)

und bitte keine Schulden machen. 45 Jahre lang haben wir in diesem Land Schulden gemacht. Diejenigen, die die Schulden abtragen, sind unsere Kinder. Deswegen ist es eine Errungenschaft, gerade auch vor dem Hintergrund dessen, was wir für Familien und für die kommenden Generationen tun.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die schwarze Null darf kein Selbstzweck sein! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und St. Pauli ist nie Deutscher Meister geworden!)

– St. Pauli wird auch nie Deutscher Meister; davon kann man sich verabschieden. Aber zumindest auf den zuvor von mir genannten Punkt können wir, glaube ich, dann auch sehr positiv zurückblicken.

Eine Haushaltsdebatte ist immer eine gute Gelegenheit, Grundsätze der Familienpolitik zu diskutieren, auch möglicherweise verschiedene Ansätze. Man hat ja bei der Kollegin der Grünen gemerkt, wie schwierig es ist, sozusagen kritische Punkte irgendwo herauszuziehen.

(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich ziehe nie etwas heraus! Ich sage nur die Wahrheit, Herr Kollege!)

Denn gerade angesichts der familienpolitischen Maßnahmen der letzten Jahre wird immer deutlicher, dass wir den richtigen Weg gegangen sind, und zwar im Sinne der Familien, der Eltern und der Kinder. Vor diesem Hintergrund führen wir die Diskussion. Ich bin der Ministerin sehr dankbar, dass man, wenn man über familienpolitische Veränderungen diskutiert, vor allem eins macht: sich ohne den berühmten Blubberschaum vor dem Mund ruhig und sachlich zu fragen: Wo stehen wir heute? Welche Zielfunktionen haben wir? Wie kommen wir dahin?

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erzählen Sie mal den Eltern vor Ort!)

Es geht darum, die Vielfalt der Familien anzuerkennen, die einzelnen gesellschaftspolitischen Maßnahmen einmal zu überprüfen und – in einem dritten Schritt – endlich dazu zu kommen, dass wir in diesem Hause und in der politischen Diskussion alles entideologisieren. Ich habe es bereits in meiner letzten Rede zu diesem Thema gesagt: Ihre Rhetorik gegen das Betreuungsgeld, die ich immer wieder höre, Frau Golze – Entschuldigung –, hilft den Familien nicht.

(Diana Golze [DIE LINKE]: Kann ich Ihnen nicht ersparen!)

Denn sie entscheiden Dinge für sich; sie sind frei in ihrer Entscheidung. Im Übrigen nehmen sie das Betreuungsgeld in weiten Teilen sehr positiv an. Für uns sind die Fragen wichtig: Was wollen die Familien? Wie gehen die Familien damit um? Ich glaube, „Rabenmutter“ und „Herdprämie“ sind wirklich Begriffe der Vergangenheit. Das will man in Deutschland nicht mehr hören.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Vielfalt der Familien und die Veränderungen in diesem Zusammenhang anzuerkennen und vor allen Dingen Vertrauen in die Familien zu haben, das sind unsere Leitmotive familienpolitischen Handelns. Wir wollen den Familien nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, und ihnen nicht bestimmte Familienmodelle überstülpen.

Im Übrigen sei bei dem Thema „Vielfalt der Familien“ auch einmal Folgendes angesprochen: Wir sagen selbst, gerade auch im Rahmen der Bewertung der familienbezogenen Leistungen, dass wir viele verschiedene Modelle haben – traditionell, verheiratet, mit Kindern, bis hin zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Dann führen wir natürlich auch Diskussionen darüber, wie wir die Leistungen anpassen können. Aber eins ärgert mich – und da blicke ich auch auf die Grünen mit ihrem sozusagen sehr ideologiebehafteten Ansatz; Stichwort „Ehegattensplitting“ –:

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Blubberschaum vorm Mund!)

Auch wir wollen Kinder stärker fördern, indem wir das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting erweitern. Was ich allerdings nicht akzeptiere, ist, dass Sie – und das ist Ihr Ansatz – sagen: Da, wo Menschen auch ohne Kinder füreinander Verantwortung übernehmen, soll es überhaupt keine Unterstützung des Staates geben.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir nicht gesagt!)

Nein, auch Ehepaare ohne Kinder sind eine Familie, und der Staat hat diese zu unterstützen. Ich glaube, das sollte man im Rahmen dieser Diskussion noch einmal deutlich machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein weiterer Punkt. Der Bericht zu familienbezogenen Leistungen bestätigt unsere Auffassung in vielen Punkten. Er zeigt aber auch Dinge, die man für die nächsten Jahre noch durchdenken muss. Eins ist uns aber wichtig: Familienpolitik kann sich nicht nach Gesichtspunkten ökonomischer Effizienz ausrichten. Es gibt kein Betriebsoptimum oder -minimum in der Familie; Familienpolitik muss immer auch die besondere Situation der Familien würdigen. Mit Blick auf die Wirksamkeit kann man deshalb nicht nur schauen, wohin welche Finanzströme fließen.

Dabei ist für uns in diesem Zusammenhang wichtig: Wir werden auch Familienmodelle, in denen ein Elternteil nicht erwerbstätig ist, weiter unterstützen. Wenn sich eine Mutter oder ein Vater – zum Glück – bereit erklärt, sich in den ersten Jahren nach der Geburt um das Kind zu kümmern, dann müssen wir das aus unserer Sicht auch unterstützen.

Bei der Frage nach dem Erfolg von Familienpolitik muss man auch überlegen, welche Kategorien oder Parameter man sich eigentlich anschaut. Wir machen Familienpolitik für die heute lebenden Familien; wir machen keine Bevölkerungspolitik. Und wir werden uns bei den Themen „Geburtenrate“ und „Beteiligung beider Elternteile am Arbeitsmarkt“ sicherlich nicht ausschließlich davon leiten lassen, sondern es sind auch noch andere Punkte wichtig.

(Beifall der Abg. Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU])

Nun kommen wir zu dem Punkt, den Frau Schön und auch die Ministerin bereits angesprochen haben: das berühmte Dreieck. Zunächst einmal stellt sich die Frage, was Familien eigentlich wollen. Von den Familien haben wir dazu in den letzten Jahren erfahren, dass sie erstens den Ausbau der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen. Im Übrigen wird das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ demnächst durch das Thema „Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“ abgelöst werden. Aber ich glaube, für uns als Familienpolitiker ist der Grundansatz, die Voraussetzungen für diese Vereinbarkeit zu schaffen, wichtig. Neben dem Ausbau der Infrastruktur geht es ihnen zweitens um ein besseres Zeitmanagement. Sie wollen mehr Zeit für die Familie haben. Der dritte Punkt sind bessere Bildungschancen für Kinder gerade berufstätiger Familien.

Dieses Dreieck – erstens Zeitsouveränität für Familien zu generieren, zweitens Infrastruktur auszubauen und drittens die Familien finanziell abzusichern – ist unser Leitmotiv in der Familienpolitik.

Ich will nur drei Zahlen zum Bereich der Finanzen nennen: Die Erhöhung des Kindergeldes zu Beginn der letzten Legislaturperiode hat bewirkt, dass 1,26 Millionen Familien nicht von SGB-II-Leistungen leben müssen. Der Kinderzuschlag bewahrt 110 000 Familien davor, Grundsicherung beantragen zu müssen. Und mit dem Elterngeld ermöglichen wir es jungen Familien, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Darüber hinaus reduziert es das Armutsrisiko junger Familien um rund 10 Prozentpunkte im ersten Lebensjahr des Kindes und verhindert bei fast 100 000 Familien das „Abrutschen“ in den SGB-II-Bezug.

Wir geben über 5 Milliarden Euro für diese Leistungen, insbesondere auch für das Elterngeld, aus. Deswegen ist es richtig und konsequent, nach dem ersten Schritt – Einführung des Elterngeldes – jetzt den zweiten Schritt zu gehen: mehr Flexibilität, mehr Zeitsouveränität mit dem ElterngeldPlus. Wir sind froh, dass wir im Herbst dieses Jahres gemeinsam den entsprechenden Gesetzentwurf dazu verabschieden können. Damit verbunden ist auch das Thema Partnerschaftsbonus und die Flexibilisierung der Elternzeit. Das heißt, dass jetzt von den insgesamt 36 Monaten Elternzeit 24 Monate bis zum achten Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommen werden können.

Das sind die Wünsche der Eltern, und die Politik hat sich dann auch tatsächlich werteorientiert daran ausgerichtet, ohne beliebig zu sein und dem Zeitgeist hinterherzulaufen. Das sind Veränderungsprozesse, die langfristig wirken und auf die wir richtigerweise schon vor Jahren reagiert haben, indem wir die Weichen gelegt haben, die jetzt noch einmal neu gestellt werden.

Ein weiterer Punkt ist die Erfolgsgeschichte beim Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige. Es wurde lange über die einzelnen Zahlen diskutiert. Was ist denn entscheidend? Entscheidend ist, dass wir einen Rechtsanspruch auf Krippenbetreuung eingeführt haben und dass wir den Ländern jetzt 550 Millionen Euro mehr für den Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung stellen können. Noch viel entscheidender ist – stimmt die Steigerung von „entscheidend“ so? –, dass wir den Ländern 100 Millionen Euro extra für die Betriebskosten beim Betreuungsausbau zur Verfügung stellen. Insgesamt sind es 945 Millionen Euro jährlich.

Jetzt komme ich zu einem Thema, das die Ministerin auch angesprochen hatte. Wir übernehmen, glaube ich, sehr viel. Was machen eigentlich die Länder? Es gibt Bundesländer wie das kleine und sicherlich nicht so reiche Bundesland Bremen, die einen Betreuungsschlüssel von 1,1 zu 3,2 hinbekommen. – Frau Präsidentin?

Die Kollegin Brantner möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Ich wollte Sie nur den Gedanken zu Ende führen lassen. Gestatten Sie die Zwischenfrage?

Ja, gerne.

Kollegin Brantner.

Sie haben gerade noch einmal die zusätzlichen Gelder für die Kitas angesprochen. Wir wollen zu der Frage, was zusätzlich ist und was man noch hätte ausgeben können, darauf hinweisen, dass schon am 11. Oktober 2013 84 Prozent der Mittel bewilligt waren. Hätten Sie den Kommunen gesagt: „Die Gelder nehmen wir Ihnen übrigens wieder weg. Sie haben zwar schon angefangen. Aber die Gelder bleiben nicht bei Ihnen; sie kommen den Straßen zugute“?

Von daher finde ich es ziemlich frech, zu sagen, dass Sie in den Koalitionsverhandlungen vereinbart haben, diese Gelder jetzt doch den Kommunen zu geben. Zu diesem Zeitpunkt waren sie zu 84 Prozent bewilligt. Sie hätten allen Kommunen sagen müssen: Das Geld gibt es jetzt doch nicht.

Jetzt ist die Frage an Sie, ob Sie wirklich immer noch darauf beharren, dass es 1 Milliarde Euro zusätzlich sind?

(Dagmar Ziegler [SPD]: Das hat er doch gar nicht gesagt!)

Das habe ich gar nicht gesagt. Ich komme noch einmal auf die Ausgangssituation zurück: Wir beschließen den Haushalt. Bei allem Respekt, das macht nicht die Ministerin. Wir sind der Gesetzgeber. Am Ende der Legislaturperiode wären die Mittel wieder zurückgeflossen. Dann haben wir gesagt: Es gibt aber weitere Bedarfe. Jetzt ergibt sich in der Gesamtsumme dessen, was bereitgestellt wird – nämlich 450 Millionen Euro plus 550 Millionen Euro –, 1 Milliarde Euro. Wir könnten jetzt Hauptseminare über Lyrik und darüber machen, wie sich die Summe genau zusammensetzt.

(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ob die Kommunen das auch als Lyrik empfinden, weiß ich nicht!)

Entscheidend ist doch, dass wir es schaffen, die Bedarfe der Kommunen in den nächsten Jahren zu decken. Mit der Schichtung 220 Millionen, 230 Millionen und 100 Millionen bekommen wir es hin, bis 2017/2018 die höheren Bedarfe zu decken.

Insoweit ist für mich wichtig, dass das Kind, das von dieser ganzen Diskussion nichts mitbekommt, in der Krippe einen Platz hat. Das ist unser Ziel, und das erfüllen wir auch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Zum Schluss will ich auf das Thema Qualität zu sprechen kommen, weil das für uns ein entscheidender Punkt ist. Ich bitte, zu überlegen, wo wir Qualitätsansätze haben. Dafür sind auch die Länder mitverantwortlich. Ich finde es gut und wichtig, dass man mit den Ländern darüber verhandelt. Das Beispiel Bremen habe ich schon angesprochen. Ich kann auch mein Heimatbundesland nennen. Dort gibt es zurzeit keine Kitagebühren mehr; sie wurden abgeschafft. Man hätte auch 2 000 Erzieherinnen einstellen und den schlechtesten Betreuungsschlüssel in ganz Westdeutschland etwas verbessern können. Aber die Regierung in Hamburg hat gesagt: Nein, wir wollen, dass sich auch nicht so gut Verdienende einen Kitaplatz erlauben können. – Das müssen die Länder entscheiden.

Unsere Vorgabe ist: Qualität ist eine klare Zielfunktion. Dabei sind die Länder in der Verantwortung.

Abschließend ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir in weiten Teilen dieser familienpolitischen Maßnahmen schon sehr gute Wege gehen, aber die Frage von Bildungsimplikationen gerade im frühkindlichen Bereich weiterverfolgen werden. Die Mittel für Frühe Hilfen – dazu könnte man viel sagen – werden verstetigt. Zu nennen ist auch der gesamte Bereich des Ehrenamts. Aber wir haben zum Glück noch viele gute Redner, die das auch noch darstellen werden.

Insoweit ist dieser Haushalt mit der großen runden Null tatsächlich ein guter Haushalt. Ich verzichte gerne darauf, dass St. Pauli Deutscher Meister wird,

(Zurufe: Oh!)

wenn wir diese Null auch die nächsten 20 Jahre halten können.

Insoweit vielen Dank und gute Beratung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke ist die Kollegin Petra Pau.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3856236
Wahlperiode 18
Sitzung 51
Tagesordnungspunkt Familie, Frauen, Senioren und Jugend
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