Susann RüthrichSPD - Familie, Frauen, Senioren und Jugend
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Was kann es eigentlich Schöneres geben, als in einer Haushaltsdebatte den Haushalt des Familienministeriums zu besprechen, den Haushalt, der den gesamten Lebenszyklus von uns allen mitgestaltet? Was sich darin findet, begleitet unsere ganze Gesellschaft in ihrer Breite und Vielfalt: Das geht von Schwangerenberatung und Kindergeld über Jugendarbeit und Elterngeld bis hin zu Pflegezeit und Mehrgenerationenhäusern.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also nach Schröder „Gedöns“!)
Diese Feststellung zaubert uns vielleicht ein Lächeln ins Gesicht. Sie meint aber eines nicht: dass es hier um Nettigkeiten geht, die wir uns irgendwie leisten. Nein, es geht um die soziale Infrastruktur in unserem Land. Ich mache an zwei Bereichen deutlich: Hier geht es um den Kern unseres Zusammenlebens und um die Sicherheit aller hier lebenden Menschen.
Der erste Bereich ist die Kinder- und Jugendpolitik. Als Kinderbeauftragte meiner Fraktion sage ich: Kinderrechte sind ein Anspruch, den jedes Kind hat, egal in welcher Situation.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Kinder haben ein Recht auf Schutz, auf gewaltfreie Erziehung, auf gute Ernährung und auf Mitbestimmung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nichts, was wir den Kindern gönnen, nein, ohne das ist die Würde aller Menschen nicht gewahrt, nämlich die der Kinder nicht. Nicht nur das: Wir würden uns den Ast absägen, auf dem wir sitzen, wenn wir nicht bestmögliche Bedingungen für die nachwachsenden Generationen schaffen würden.
Deswegen braucht es etwa das Netzwerk Frühe Hilfen. Damit garantieren wir die Unterstützung junger Familien von Anfang an. Es braucht starke Jugendverbände, in denen sich Kinder und Jugendliche ausprobieren können, in denen sie lernen, in denen sie Interessen bündeln. Deswegen ist es richtig, dass wir der Jugendverbandsarbeit – wie schon in diesem Jahr – 1 Million Euro mehr geben und dass wir Mittel für eine eigenständige Jugendpolitik im Haushalt haben. Denn so pflegen wir eine vielfältige Landschaft an Kinder- und Jugendarbeit, und Kinder finden einen Platz bei uns.
Mit dem Stichwort „vielfältig“ komme ich zu meinem zweiten Schwerpunkt. Alle Menschen, die bei uns leben, haben das Recht auf ein sicheres und angstfreies Leben,
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Diana Golze [DIE LINKE])
egal wie sie aussehen, egal wen sie lieben, egal welche Religion sie haben, egal ob sie viel oder wenig Geld haben. Dass das noch nicht so ist, sehen wir gerade daran, dass mehrere Moscheen angegriffen wurden. Wir mussten Angriffe auf Synagogen und antisemitische Ausfälle in aller Öffentlichkeit, etwa bei Demonstrationen, erleben. Deswegen freue auch ich mich über die Demonstration gegen Antisemitismus, die am Sonntag hier nebenan am Brandenburger Tor stattfinden wird.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Ergebnis einer aktuellen Befragung zeigt, dass die Feindschaft gegenüber Sinti und Roma erschreckende Ausmaße hat. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Sie werden es merken: Ich komme aus Sachsen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Es ist schön, da zu leben. Aber in meiner Heimat wählen fast 5 Prozent der Leute eine neonazistische Partei. Noch dazu wählen fast 10 Prozent eine Partei, die sich offen schwulen- und behindertenfeindlich gibt.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und 40 Prozent CDU! Schrecklich! – Gegenruf des Abg. Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Na, na, na! Vorsicht, Herr Kollege!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeden Tag erleben Menschen bei uns Alltagsrassismus. Menschen werden angegriffen, nur weil sie vielleicht grün gefärbte Haare haben. Deswegen hat es mich sehr gefreut, dass wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, mehr Geld für Demokratieinitiativen, für Prävention, für Bildung und für mobile Opferberatung zur Verfügung zu stellen. Einstimmig haben wir alle hier im Frühjahr dieses Jahres bestätigt, dass wir infolge des NSU-Terrorismus die Mittel für diese Arbeit erhöhen müssen, angepasst an den tatsächlichen Bedarf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Es ist geplant, eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen. Denn im Bereich der Kinder- und Jugendförderung ist die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Demokratiearbeit nicht richtig aufgehoben. Wir müssen diese Daueraufgabe auch dauerhaft sichern. Diese gesetzliche Änderung ließ sich allerdings nicht in diesem Jahr schaffen. Nichts wäre schlimmer, als wenn die Projekte, die auf Geld warten, nicht am 1. Januar 2015 mit ihrer Arbeit anfangen können. Deswegen liegt nun das Programm „Demokratie leben!“ des Familienministeriums vor. Immerhin werden diese Initiativen damit fünf Jahre lang gefördert, was ein großer Fortschritt für die Umsetzenden ist.
Das Programm „Demokratie leben!“ greift inhaltlich all das auf, was wir im Land brauchen. Wir unterstützen damit noch mehr Kommunen als zuvor. Wir unterstützen die Länder. Wir unterstützen bundesweit tätige Demokratie- und Strukturprojekte und innovative Modellprojekte. Diese sollen zum Beispiel Maßnahmen entwickeln, die gerade in den ländlichen Regionen, im ländlichen Raum wirken. Ein Bereich kommt ganz neu hinzu, nämlich der der Radikalisierungsprävention: Wie erreichen wir Jugendliche, die dem Salafismus oder ähnlichen Einstellungen und Vorstellungen zu nahe kommen? Das ganze Programm bezieht sich auf Ost und West.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen: Es sind mehr Inhalte, mehr Projekte, mehr Regionen im Programm enthalten. Doch eines ist geblieben: die 30,5 Millionen Euro jährlich, die dafür im Haushalt vorgesehen sind. Wenn man sich aber einen größeren Tisch zulegt, dann reicht die alte Tischdecke nicht mehr aus. Da hilft alles Ziehen und Drehen nichts; es braucht eine größere Tischdecke. Kurz gesagt: Liebe Kolleginnen und Kollegen Haushälter, wir brauchen hier mehr Mittel, um tatsächlich vor Ort wirken zu können, was wir ja alle gemeinsam wollen – sehr gern die 50 Millionen Euro, die Summe, der in den Koalitionsverhandlungen nicht widersprochen wurde.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Die Kollegin Rüthrich ist nicht nur vor einigen Wochen junge Mutter geworden, sondern das war auch ihre erste Rede hier im Bundestag. Zu beidem möchte ich Ihnen, Frau Rüthrich, sicher im Namen des gesamten Hauses, ganz herzlich gratulieren.
(Beifall)
Nächste Rednerin ist Astrid Timmermann-Fechter für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3856285 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 51 |
Tagesordnungspunkt | Familie, Frauen, Senioren und Jugend |