11.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 51 / Einzelplan 16

Sven-Christian KindlerDIE GRÜNEN - Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Ministerin Hendricks, die Bundestagswahl ist jetzt ein knappes Jahr her. Neun Monate sind Sie als Ministerin im Amt. Es ist an der Zeit, einmal Bilanz zu ziehen. Sie haben auch heute wieder schöne Worte wie „Ökologie“ und „Klimaschutz“ benutzt. Um es mit Goethes Faust zu sagen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Bei den zentralen Themen – energetische Stadtsanierung, Hochwasserschutz, Naturschutz, Klimaschutz – ist bisher eigentlich nichts passiert. In diesem wichtigen Ministerium brauchen wir keine reine Ankündigungsministerin, sondern endlich einmal jemanden, der sich bewegen kann, der sich durchsetzen kann. Das fehlt bisher komplett.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Herausforderung ist nämlich riesig. Das hat zuletzt der jüngste UN-Bericht der WMO gezeigt: Wir haben Höchststände bei den Treibhausgasen. Der Klimawandel schreitet massiv voran. Gleichzeitig ist es so – dashaben Sie, Frau Ministerin, gesagt –: Deutschland wird sein Klimaziel, bis 2020 40 Prozent seiner Emissionen einzusparen, krachend verfehlen, wenn wir jetzt nicht schnell umsteuern. Einer der wenigen Lichtblicke bei den Treibhausgassenkungen in den letzten Jahren waren – das hat das Öko-Institut neulich erst wieder herausgestellt – die erneuerbaren Energien; Wind und Sonne, das ist der große Lichtblick.

Aber was haben Sie vor der Sommerpause gemacht? Diese Bundesregierung hat die Energiewende mit voller Absicht gegen die Wand gefahren; sie hat gerade die klimafreundlichen Energien abgewürgt. Das ist total paradox. Ihre Energiepolitik ist klimafeindlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Absoluter Humbug!)

Ich frage mich: Wo waren Sie eigentlich während dieser Debatte, Frau Ministerin? Sie saßen auf der Regierungsbank, Sie haben still zugeschaut, wie Kohle-Siggi die klimafreundlichen Energien abwürgt und die Kohlekraftwerke fördert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Und im Bundesrat?)

Ich weiß, Frau Ministerin, dass Sie für die erneuerbaren Energien leider nicht mehr zuständig sind. Das ist für das Umweltministerium peinlich und schlimm. Aber es ist trotzdem so, dass Sie die für den Klimaschutz zuständige Ministerin sind. Bei der Energiewende geht es zentral um den Klimaschutz. Das heißt, Sie müssen sich da auch einbringen. Sie müssen da auch einmal Verantwortung zeigen. Sie müssen Leidenschaft und Kampfgeist beweisen. Sie dürfen da nicht nur zuhören. Sie dürfen da nicht einknicken. Ihr Verhalten ist ein Armutszeugnis für eine Umwelt- und Klimaschutzministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bleiben wir beim Klimaschutz und der Energiepolitik. Eines der Hauptprobleme dieser Bundesregierung ist ihr Einsatz für die dreckige Kohlekraft in Deutschland. Das hat gleich mehrere negative Auswirkungen. Bei der Energieversorgung sind die Steinkohle und noch viel mehr die Braunkohle die Haupt-CO 2 -Treiber. Durch den Kohletagebau in Deutschland werden viele Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Dörfer werden plattgemacht, zum Beispiel in Sachsen und in Brandenburg. Viele Grüße an dieser Stelle an die Kohlekoalition von SPD und Linkspartei! Ich hoffe, Sie kriegen für Ihre Politik am Sonntag in Brandenburg eine große Klatsche.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch die Tagebaue werden nicht nur die Landschaften verschandelt, sondern es wird viel Natur vergiftet. Die Spree in Brandenburg ist mittlerweile braun und nicht blau. Das ist eine negative Folge der Kohlekraft.

Aber es geht auch um Gesundheitsschutz, und da sind Sie als Umweltministerin wieder gefragt. Es geht zum Beispiel um das Quecksilber. Wir wissen: Mehrere Hundert Kilogramm extrem gesundheitsgefährliches Quecksilber wird pro Jahr von dreckigen Kohlekraftwerken in die Luft ausgestoßen. In den USA gibt es deutlich geringere Grenzwerte. Wir müssten den Standard für Kohlekraftwerke in Deutschland endlich angleichen. Das ist auch Ihr Thema. Es geht da um das Umweltrecht; es geht um das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Frau Ministerin, da ist Handlungsbedarf. Packen Sie endlich das Problem an, dass deutsche Kohlekraftwerke zu viel Quecksilber in die Luft blasen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grüne sagen ganz klar: Mit dieser Kohlepolitik muss endlich Schluss sein. Wir müssen raus aus der Kohle. Es darf keine neuen Tagebaue und keine neuen Kohlekraftwerke geben, im Gegenteil: Wir wollen einen konkreten Ausstiegsplan für die Kohle.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])

Frau Ministerin, Sie haben hier im Bundestag wieder Ihr nationales Sofortprogramm angekündigt. Das haben Sie hier im Januar dieses Jahres schon einmal angekündigt. Wir haben davon im Haushalt 2014 nichts gefunden. Wir werden im Haushalt 2015 davon nichts finden. Das heißt, dieses Programm kommt frühestens mit dem Haushalt 2016. Wenn Sie von „Sofortprogramm“ reden und zwei Jahre vergehen, dann halte ich das für ein interessantes Zeitverständnis; denn dieses Programm käme nach der Hälfte der Legislaturperiode. Da frage ich mich, ob dieses Programm überhaupt greifen wird. Ich finde, dieses Schneckentempo, diese Langsamkeit zeigen: Ihnen und dieser Regierung ist der Klimaschutz einfach nichts wert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch bei der Erdgasförderung geht es um Klima, um Gesundheitsschutz und Naturschutz. Sie haben zusammen mit Herrn Gabriel ein Eckpunktepapier vorgelegt. Sie wollen das Fracking nicht verbieten, im Gegenteil: Sie wollen es damit ermöglichen. Bei den Gesetzesberatungen werden wir es erörtern.

(Ulli Nissen [SPD]: Unfug!)

– Das steht in dem Eckpunktepapier. Gucken Sie es sich einmal genau an!

(Sören Bartol [SPD]: Das stimmt doch nicht! Das wird nicht besser, wenn Sie es immer wiederholen!)

Erlaubnis für Fracking bei Tight Gas, Erlaubnis für Pilotprojekte bei Schiefergas, Erlaubnis bei Schiefergas in Tiefen unter 3 000 Metern. Für uns Grüne ist klar: Wir brauchen das nicht. Wir wollen Energieeffizienz. Wir wollen die schnelle Energiewende. Wir fordern Sie auf: Sorgen Sie beim Wasserrecht und beim Bergrecht dafür, dass Fracking bei Öl- und Gasförderung verboten wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jawohl!)

Man kann sehen, wie wichtig dieser Bundesregierung – nicht nur Ihnen, Frau Ministerin – der Klimaschutz insgesamt ist, wenn man sich anguckt, wer alles zum UN-Gipfel nach New York, den Ban Ki-moon ausrichtet, reist. François Hollande reist an, Barack Obama ist da. Wer ist nicht da? Angela Merkel. Angela Merkel ist lieber bei der Festveranstaltung des Lobbyverbandes BDI. Ich finde, das sagt schon alles. Beim Klimaschutz kann man es auch feststellen. In Norddeutschland, woher ich komme, gibt es ein Sprichwort dafür: Der Fisch stinkt immer vom Kopf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So ist es leider auch beim Klimaschutz und bei dieser Bundesregierung. Angela Merkel hat ihn abgewrackt, Herr Gabriel will ihn nicht mehr. Frau Ministerin, ich verstehe, dass es für Sie nicht leicht ist, sich gegen Frau Merkel und Herrn Gabriel durchzusetzen. Unser Problem ist nur, Sie versuchen es erst gar nicht. Sie raffen sich nicht auf. Sie mucken nicht auf. Sie machen einfach nur die brave Verwaltungschefin. Das ist einfach nicht genug.

(Ulli Nissen [SPD]: Das macht sie nicht!)

Wir machen Ihnen in den Haushaltsberatungen konkrete Vorschläge. Wir wollen Sie unterstützen. Aber wir rufen Sie dazu auf: Bitte, raffen Sie sich auf! Kämpfen Sie! Haben Sie ein bisschen Mut beim Klimaschutz!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Kollege Steffen-Claudio Lemme von den Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3856384
Wahlperiode 18
Sitzung 51
Tagesordnungspunkt Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
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