Bettina HagedornSPD - Verkehr und digitale Infrastruktur
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Guten Morgen! Herr Minister, Sie haben hier Ihren Etat vorgestellt, der der größte Investitionsetat innerhalb unseres Bundeshaushalts ist. Er umfasst über 23 Milliarden Euro. Das ist eine große Summe, und gemeinsam strengen wir uns an – Sie haben darauf hingewiesen –, diese Summe zu erhöhen. Wir wollen diese Summe deshalb erhöhen, weil wir alle wissen, dass wir die Infrastruktur in diesem Land als Teil der Daseinsvorsorge nicht vernachlässigen dürfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Darin sind wir uns einig. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist – auch darin sind wir uns einig –, dass wir dafür noch mehr Geld brauchen. Wie das Geld zu beschaffen ist, ist eine andere Frage. Sogar mit den Grünen – so habe ich gelesen – sind wir darin einig. Denn ihr Verkehrsminister Winfried Hermann, der ja lange unser Kollege war, hat auf dem 2. Welt-Infrastrukturgipfel jüngst verkündet, dass 7,2 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich benötigt werden. Das ist das Ergebnis der Bodewig-Kommission. Das brauchen wir.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unstrittig!)
Darin sind wir uns einig. Aber woher nehmen und nicht stehlen?
Herr Minister, Sie haben hier gerade ein paar Stichworte angesprochen, die aus Ihrer Sicht hilfreich sein können. Ein Stichwort ist PPP. Wir haben in der Vergangenheit häufig darüber gesprochen. Ich will das heute nicht allzu sehr vertiefen. Denn unser Koalitionsvertrag gilt. Das haben Sie gesagt. Sie haben auch gesagt, dass Sie das im Einzelfall nachweisen werden.
Sie haben auch das Beispiel der jüngsten PPP-Vergabe im Volumen von 1,6 Milliarden Euro angesprochen. Der Wahrheit geschuldet ist aber, dass genau dieses Projekt in dem Bericht des Bundesrechnungshofs, der im Mai veröffentlicht worden ist, noch mit 1,2 Milliarden Euro angegeben war. Vor dem Hintergrund werden wir uns genau anschauen müssen, dass es im Einzelfall auch wirklich nicht teurer wird. Denn das wäre nicht im Sinne unserer Kinder und Enkel und wäre nicht generationengerecht. Volkswirtschaftlich klug wäre es schon einmal gar nicht.
(Beifall bei der SPD – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Dann liegt das Kind schon im Brunnen! Wir müssen es vorher entscheiden!)
Dazu muss man wissen, dass es bei diesem Streit, bei dieser Auseinandersetzung immer um Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen geht. Dazu hat das Verkehrsministerium in der Vergangenheit eine andere Auffassung als der Bundesrechnungshof gehabt. Da ich Rechnungsprüfungsausschussvorsitzende bin, will ich Ihnen allen aber nicht vorenthalten, dass sich das Finanzministerium in der Vergangenheit auf die Seite des Bundesrechnungshofs gestellt hatte.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So war es!)
Insofern werden wir darüber noch genau reden müssen.
Sie haben das Stichwort Lkw-Maut genannt. Das will ich hier ausdrücklich auch tun. Denn in den letzten fünf Jahren hat die Lkw-Maut mit Einnahmen von 22 Milliarden Euro zur Verstetigung der notwendigen Investitionen beigetragen. Darum ist gerade die Lkw-Maut ein Instrument, bei dem wir uns zu Recht im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, dass wir da erheblich nachlegen wollen.
Sie haben angekündigt – das ist ein erster Schritt; wir sind uns da einig –, die Ausweitung um zusätzliche 1 000 Kilometer Bundesfernstraße, die Absenkung auf 7,5 Tonnen – super! –, aber verständigt haben wir uns auf die Ausweitung auf 41 000 Kilometer Bundesfernstraße. Zum Hintergrund: Wir sind jetzt bei 13 000 Kilometern. Da ist also noch eine Menge Luft.
Um das hinzukriegen – das Thema Toll Collect wurde hier schon angesprochen –, spielt genau der Vertrag mit Toll Collect, der bisher das nicht abdeckt, was wir uns gemeinsam vorgenommen haben, eine wesentliche Rolle. Herr Minister, wir wissen, dass Sie bis zum 15. Februar Zeit haben, um dort die Call Option zu ziehen. Wir haben von Ihnen noch nicht wirklich gehört, ob Sie das eigentlich tun werden
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
oder welchen Plan B Sie verfolgen.
Weil wir grundsätzlich über eine Verstetigung der Einnahmen in Ihrem Etat ab 2017/2018 um roundabout 2 Milliarden Euro reden, und zwar auf Dauer und nachhaltig, kann ich Ihnen nur sagen: Wir sind koalitionstreu, und wir haben ein hohes Interesse daran, dass auch dieser Passus unseres Koalitionsvertrages erfüllt wird. Dabei unterstützen wir Sie.
(Beifall bei der SPD)
Wenn man wenig Geld hat, dann geht es immer auch darum, dass man mit dem, was man haben könnte, schlau umgeht. Da will ich den Blick auf eine andere Einnahmequelle lenken: Das sind die EU-Fördertöpfe. Verkehrskommissar Kallas hat gerade den Aufruf zur nächsten EU-Förderperiode veröffentlicht. Der Kuchen – so will ich mal salopp formulieren – ist in dieser Förderperiode sehr viel größer als in der Vergangenheit: Mit 26 Milliarden Euro hat er sich nahezu verdreifacht. Somit sind auch die Chancen Deutschlands, an diesem Fördertopf zu partizipieren, gestiegen; denn als Transitland und große Exportnation im Herzen Europas haben wir zu Recht sehr viele Verkehrswege – insbesondere die Schiene und die Wasserwege sind hier in den Fokus zu nehmen –, für die wir Fördermittel einwerben könnten.
Sie haben angekündigt, dass Sie – ich nenne, man mag es mir nachsehen, jetzt ein Beispiel aus dem Land, aus dem ich komme, aus Schleswig-Holstein; aber glauben Sie mir: man könnte viele andere Beispiele aus der ganzen Republik nennen – die 485 Millionen Euro, die der Haushaltsausschuss dieses Jahr für den Neubau der fünften Schleusenkammer des Nord-Ostsee-Kanals zur Verfügung gestellt hat, für die EU-Förderperiode anmelden. Das freut uns. Im Hinblick auf die 265 Millionen Euro für die Begradigung der Oststrecke gibt es allerdings noch keine Festlegung. Das verwundert uns, Herr Minister. Denn für diese zusammen 750 Millionen Euro könnte man 200 bis 300 Millionen Euro CEF-Mittel aus Europa einwerben.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Scheint alles doch nicht so glatt zu gehen!)
Wir ermuntern Sie ausdrücklich, dies zu tun, und freuen uns darauf, dass Sie uns vorlegen werden, wie Ihr Plan an dieser Stelle aussieht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Nun komme ich zu einem Punkt, den man, wenn man über knappes Geld redet, auch in den Blick nehmen muss: Es geht darum, mit dem zur Verfügung stehenden Geld zielgenau umzugehen. Auch dazu trifft unser Koalitionsvertrag richtungsweisende Aussagen: dass wir gerade bei den Neubauten – da meine ich jetzt die Straße – 80 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel auf prioritäre Maßnahmen – auf Knoten, auf Engpässe; viele andere Beispiele sind genannt worden – richten und nur 20 Prozent für regional wirksame Verkehrsprojekte ausgeben wollen. Schon bei den Verhandlungen über den Koalitionsvertrag haben wir erkannt, dass wir da manche bittere Pille verteilen müssen; denn nicht alles, was in den Ländern gewünscht wird, kann verwirklicht werden.
Ich will das hier vorab vortragen, weil wir als Haushaltsausschuss leider konfrontiert wurden mit der Tatsache, dass Sie im Sommer ohne Beteiligung des Haushaltsausschusses und der Fachpolitiker für 1,645 Milliarden Euro 27 Neubauprojekte in ganz Deutschland freigegeben haben, indem Sie sie in den Straßenbauplan neu aufgenommen haben.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Großer Skandal! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hört sich aber nicht gut an!)
Ich kann verstehen, dass jeder einzelne Abgeordnete, der in einem Wahlkreis lebt, der von einem dieser Projekte profitiert, sich freut, ebenso die Menschen vor Ort; das kann ich alles nachvollziehen. Es geht – das will ich ausdrücklich sagen – nicht um eine Neiddebatte. Diese Entscheidung von Ihnen ist final, das heißt, wir werden sie nicht zurückholen können. Wir müssen aber darüber reden, ob das eigentlich – auch im Sinne unseres Koalitionsvertrages – der richtige Schritt war und das richtige Signal.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn damit sind 1,645 Milliarden Euro festgelegt, wodurch sie vielen anderen prioritären Projekten, die uns allen am Herzen liegen und die für unser Land wichtig sind, entzogen werden.
Grundsätzlich sind die Haushälter sich einig: Sollten wir in den nächsten Jahren neue Gestaltungsspielräume gewinnen – im Moment lässt sich das nicht sagen –, dann wollen wir sie der Infrastruktur zugutekommen lassen. Das setzt aber nicht nur ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Haushältern und den Fachpolitikern voraus, sondern auch, dass Sie uns bei der politischen Steuerung, bei der Kontrolle und bei der Transparenz besser beteiligen als bisher.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen.
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Electoral Period | 18 |
Session | 52 |
Agenda Item | Verkehr und digitale Infrastruktur |